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Ramadan – Fasten und Speisen

Für Muslime in Israel hat am 17. Mai der Fastenmonat Ramadan begonnen. In den kommenden 29 Tagen verzichten sie von Tagesanbruch bis Sonnenuntergang sowohl auf Speisen und Getränke als auch auf Zigaretten und den ehelichen Verkehr. Außerdem sollen sie in dieser Zeit besonders darauf achten, üble Nachrede und Lügen zu vermeiden.
Das Damaskustor in der Jerusalemer Altstadt ist für den Ramadan geschmückt (Archivbild)

Es ist 3.15 Uhr. In einem Schlafzimmer in Ostjerusalem klingelt der Wecker. Bassam, vierfacher Vater und Kfz-Mechaniker, steht auf. Seine Frau Amal trinkt ein Glas Wasser, serviert Bassam ein Frühstück, und legt sich wieder schlafen. Bassam isst Datteln, Feigen und Joghurt. Dazu trinkt er etwa einen Liter Wasser. Das gibt ihm die nötige Energie für den vor ihm liegenden Tag. Während Bassam Weißbrot in Olivenöl tunkt, erklärt er: „Für den Zeitpunkt des morgendlichen Fastenbeginns gilt der Vers aus dem Koran: ‚… Esst und trinkt, bis ihr in der Morgendämmerung einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden könnt! Hierauf haltet das Fasten durch bis zur Nacht!‘“ Damit zitiert er Sure 2,187.

Um 3.26 Uhr ertönt der Muezzinruf, Bassam verrichtet sein rituelles Morgengebet und legt sich wieder schlafen. Um 7 Uhr steht er erneut auf, kleidet sich an und geht zur Arbeit. Als Bassam gegen 18 Uhr zurück nach Hause kommt, ist bereits seine Schwester mit Familie eingetroffen. An den Decken rotieren die Ventilatoren, in der drückenden Hitze bieten sie eine willkommene Erfrischung.

Ein Monat der Extreme

Die Frauen stehen in der Küche, die Kinder spielen fröhlich im elterlichen Schlafzimmer. Während Bassam und sein Schwager müde plaudern, folgen sie der Ansprache eines Imams im Fernsehen. Sie warten auf den Muezzinruf, der das Fastenbrechen verkündet. Die Frauen tischen währenddessen im Esszimmer warme Speisen auf. Beide Familien versammeln sich um den Tisch, und als aus dem Fernsehen im Wohnzimmer endlich der erlösende Ruf vom Muezzin der Al-Aksa-Moschee ertönt, stürzen sich alle auf das bereitgestellte Wasser.

Am ersten Tag des Fastenmonats im Jahr 2018 endet das Fasten um 19.31 Uhr, in den kommenden Tagen wenige Minuten später. Nachdem der Durst gestillt ist, verspeisen die Verwandten in ausgelassener Stimmung das Festmahl. Man isst und unterhält sich bis spät in die Nacht.

Bassam erklärt: „Der Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Mondkalenders. Er ist der einzige Monat, der im Koran erwähnt ist.“ Dort heißt es in Sure 2,185: „(Fastenzeit ist) der Monat Ramadan, in dem der Koran als Rechtleitung für die Menschen herab gesandt worden ist, und (die einzelnen Koranverse) als klare Beweise der Rechtleitung und der Unterscheidung. Und wer von euch während des Monats anwesend ist, soll in ihm fasten.“

Bassam lacht, als er den besonderen Monat erklärt: „Eigentlich trügt der Begriff Fastenmonat: Denn wir essen in diesem Monat oft weit mehr als im Rest des Jahres. Klar ist es schwer, tagsüber auf vieles zu verzichten. Vor allem auf Wasser. Besonders in dieser heißen Jahreszeit. Trotzdem ist der Ramadan ein fröhlicher Monat: Viele Verwandte und Nachbarn kommen zu Besuch, wir unternehmen Ausflüge und es gibt immer Festspeisen.“ Seine Frau Amal ergänzt selbstbewusst: „Das stimmt, allein von den Resten könnte eine zusätzliche Familie satt werden.“

Muslime verzichten während des Ramadan tagsüber auf Speisen. Abends fallen die Mahlzeiten meist jedoch üppiger und besonderer aus als im Rest des Jahres. Foto: Israelnetz/mh
Muslime verzichten während des Ramadan tagsüber auf Speisen. Abends fallen die Mahlzeiten meist jedoch üppiger und besonderer aus als im Rest des Jahres.

Nicht jeder muss fasten

Bassam erklärt, dass laut Koran Kinder, Kranke, Reisende und Schwangere von der Fastenpflicht ausgenommen sind. „Die können dann die Tage zu einem anderen Zeitpunkt nachholen. Weil das Fasten im Ramadan eine der ‚fünf Säulen‘, gewissermaßen der fünf Grundprinzipien, des Islam ist, wird es aber fast von der ganzen Bevölkerung praktiziert. Selbst Muslime, die von der Pflicht ausgenommen sind, fasten dann vielfach.“

In Sure 2,185 heißt es: „Und wenn einer krank ist oder sich auf einer Reise befindet (und deshalb nicht fasten kann, ist ihm) eine entsprechende Anzahl anderer Tage (zur Nachholung des Versäumten) auferlegt. Allah will es euch leicht machen, nicht schwer. Macht darum (durch nachträgliches Fasten) die Zahl (der vorgeschriebenen Fastentage) voll und preist Allah dafür, dass er euch rechtgeleitet hat! Vielleicht werdet ihr dankbar sein.“ Bassam schüttelt verständnislos den Kopf: „Kinder, Schwangere und Kranke sollten wirklich nicht fasten. Im Ramadan gibt es so viele Notfälle in den Krankenhäusern wie sonst nie.“

Über die Bestimmung des Beginns des Monats Ramadan gibt es Diskussionen: Es kommt vor, dass der Beginn des Fastenmonats erst wenige Tage vorher bekanntgegeben wird. Die islamische Tradition berichtet, dass die Mondsichel am Himmel sichtbar sein muss. Diese bestimmt dann den islamischen Monatsanfang. Sobald der abnehmende Mond nicht mehr zu sehen ist, geht der Monat zu Ende. Das ist auch der Grund, warum sich islamische Gelehrte lange Zeit durch Verdienste in der Astronomie verdient machten.

Bassam weiß: „Bis heute gibt es Diskussionen unter Muslimen und in islamischen Ländern darüber, ob für die Bestimmung des Monatsanfangs tatsächlich der Halbmond zu sehen sein muss oder ob die mathematisch und durch Satelliten berechneten Zeiten nicht viel genauer sind.“ Auch die Festzeiten der Bibel konnten ursprünglich nicht genau im Voraus berechnet werden, sondern wurden erst durch genaue Beobachtung der Natur unmittelbar bei ihrem Eintreten bestimmt.

Bassam kaut genüsslich an einem Hähnchenschenkel. Der Araber erklärt: „Der Begriff Ramadan kommt aus dem Arabischen und ist von der Bedeutung ‚starke Sommerhitze‘ abgeleitet. Muslime haben in den ersten Jahrzehnten noch versucht, ihr Mondjahr durch Schaltmonate mit dem Sonnenjahr gleichzusetzen. Daher fiel der neunte Monat immer auf den Sommer. Heute wandert der Ramadan gleichzeitig durch die Jahreszeiten und fällt dadurch manchmal auf die Wintermonate. Dann sind die Tage kürzer und es ist natürlich leichter zu fasten.“ Weit nach Mitternacht macht sich der Besuch auf den Heimweg. Bassam und seine Familie gehen schlafen. Solange bis der Wecker wenige Stunden später klingelt, um ans Essen zu erinnern und sich für den bevorstehenden Tag zu rüsten.

Die „Nacht der Kraft“

In der Nacht zum 27. Ramadan versammeln sich Muslime zum Gebet in der Moschee zur „Lailat al-Kadr“, zur „Nacht der Kraft“ beziehungsweise „Nacht der Bestimmung“. Im Jahr 2018 fällt dieses Datum auf den 11. Juni. Die bedeutenden Moscheen in Mekka und Medina sind besonders beliebte Orte für diesen Anlass. Aber auch Jerusalem und der Tempelberg, beziehungsweise „das edle Heiligtum“, wie Muslime diesen zu nennen pflegen, ist ein beliebtes Ziel.

Nach koranischem Bericht ist „im Ramadan der Koran als Rechtleitung für die Menschen herab gesandt worden“ (Sure 2,185). Die 97. Sure heißt „al-Kadr, „die Bestimmung“. Sie lautet: „Wir haben ihn (den Koran) in der Nacht der Bestimmung herabgesandt. Aber wie kannst du wissen, was die Nacht der Bestimmung ist? Die Nacht der Bestimmung ist besser als tausend Monate. Die Engel und Gabriel kommen in ihr mit der Erlaubnis ihres Herrn herab, mit göttlichem Befehl und Befugnis. Sie ist voller Heil, bis die Morgenröte sichtbar wird.“ Außerdem scheint sich Sure 44,2 auf diese Nacht zu beziehen: „Wir haben sie in einer gesegneten Nacht hinabgesandt. Und wir haben (die Menschen damit) gewarnt.“

So kommt es, dass manche Muslime ihr tägliches rituelles Gebet in dieser Nacht in der Moschee verrichten und sich unmittelbar danach auf den Heimweg begeben. Andere bleiben mehrere Stunden und viele beten die ganze Nacht hindurch. Um den Segen der 1.000 Monate zu bekommen, ist es wichtig, dass man in dieser Nacht der Pflicht zum Gebet überhaupt nachkommt. Auch Muslime, die sonst selten ihr Pflichtgebet verrichten, besuchen in dieser Nacht eine Moschee.

Muslimische Frauen beten in der „Nacht der Kraft“ auf dem Tempelberg (Archivbild) Foto: Israelnetz/mh
Muslimische Frauen beten in der „Nacht der Kraft“ auf dem Tempelberg (Archivbild)

Ein Mann ist überzeugt: „Wenn ich in dieser Nacht bete, werden mir viel mehr Sünden vergeben als sonst. Das Gebet in dieser Nacht ist soviel wert wie sonst tausend Monate.“ Er unterhält sich mit seinem Nachbarn: „Eigentlich wissen wir nicht genau, ob es tatsächlich der 27. Ramadan war, vielleicht war es auch ein anderer Tag, aber der 27. hat sich durchgesetzt.“ Eben weil das Datum nicht genau festgelegt ist und theoretisch auch an jedem anderen ungeraden Datum der letzten zehn Tage des Ramadan liegen könnte, halten einige Muslime es für besonders verdienstvoll, die letzten zehn Nächte in ihrer örtlichen Moschee zu verbringen.

Von: Merle Hofer

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