Suche
Close this search box.

Ein Wissenschaftsgenie als Vorbild für den Israel-Boykott

Zeit seines Lebens befasste er sich mit den Weiten des Universums, mit Blick auf Israel schränkte er sich selbst ein: Der am Mittwoch verstorbene Physiker Stephen Hawking war auch als Unterstützer des Israel-Boykotts bekannt. Dabei war der Beginn seiner Karriere eng mit einem Israeli verknüpft.
Stephen Hawking, 1942–2018

CAMBRIDGE (inn) – „Popstar der Wissenschaft“, „Jahrhundert-Genie“, „Ausnahmeforscher“: Nach dem Tod des Astrophysikers Stephen Hawking zollen die Medien dem Wissenschaftler den verdienten Respekt. In Israel hat der am Mittwochmorgen in der Universitätsstadt Cambridge gestorbene Brite jedoch einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Auch dort würdigten die verschiedenen Nachrichtenseiten dessen Leistung als Wissenschaftler. Sie kamen jedoch auch auf den Umstand zurück, dass sich Hawking dem Druck der Israel-Boykott-Bewegung gebeugt hat.

Der wichtigste Vorfall in diesem Zusammenhang fällt auf das Jahr 2013. Im Mai jenes Jahres hat er eine Einladung zur 5. Präsidentenkonferenz unter dem Motto „Die Zukunft angehen“ in Jerusalem abgesagt. Hawking sollte dort als Ehrengast auftreten. Im Rahmen der Konferenz wollte der damalige Staatspräsident Schimon Peres auch seinen 90. Geburtstag feiern. Politikgrößen wie der frühere amerikanische Präsident Bill Clinton und der frühere britische Premier Tony Blair nahmen hingegen an der Konferenz teil.

Entscheidung nach „Bombardement“

Wie die britische Tageszeitung „Guardian“ damals berichtete, hatte Hawking zunächst ebenfalls zugesagt. Daraufhin sei der damals 71-Jährige jedoch mit Briefen „bombardiert“ worden, die ihn zur Absage aufgefordert hätten. Hawking habe dem schließlich klein bei gegeben. Seinen Sinneswandel teilte er den Organisatoren der Konferenz in einem Brief mit. Dort schrieb der Brite: „Ich habe zahlreiche Briefe von palästinensischen Akademikern erhalten. Sie sind sich darin einig, dass ich den Boykott respektieren sollte. Angesichts dessen muss ich meine Teilnahme zurückziehen.“

Der Schritt hatte auch bei israelkritischen Persönlichkeiten für Unverständnis gesorgt. Der Linguist Noam Chomsky sagte, er boykottiere zwar israelische Unternehmen in Siedlungen. Doch ein genereller Boykott Israels sei „ein Geschenk an die israelischen Hardliner und deren amerikanische Unterstützer“.

Die israelische Menschenrechtsorganisation „Schurat HaDin“ erkannte in der Absage Hawkings eine Ironie. Der aufgrund der Nervenkrankheit ALS gelähmte und sprachbehinderte Wissenschaftler benutze seit 1997 ein elektronisches Kommunikationssystem, das Forscher des Computerunternehmens Intel in Israel entwickelt hatten. „Die Entscheidung Hawkings, dem Israel-Boykott beizutreten, ist ziemlich heuchlerisch für eine Person, die stolz auf ihre intellektuellen Leistungen ist“, schrieb Nitzana Darschan-Leitner, die Gründerin der Organisation. „Wenn er sich wirklich aus Israel zurückziehen will, dann soll er auch seinen Intel Core i7 aus seinem Tablet nehmen.“

Vergleich mit Apartheidsregime

Im April 2016 nutzte die Organisation „Britischer Ausschuss für die Universitäten Palästinas“ Hawkings Absage als Vorbild für den akademischen Boykott Israels. Sie rief Akademiker dazu auf, sich nicht beim Britisch-israelischen Forschungs- und Akademikeraustausch (BIRAX) um Forschungsgelder zu bewerben. „BIRAX versucht, den unhaltbaren Status quo zu normalisieren, und die BDS-Bewegung zu unterwandern, die versucht, Israel für die Verbrechen gegen die Palästinenser zu Verantwortung zu ziehen“, hieß es in dem Aufruf. „Wir fordern Wissenschaftler in Großbritannien dazu auf, dem Beispiel Stephen Hawkings zu folgen (…) und eine Teilnahme an BIRAX zu verweigern.“

Einen generellen Boykott hatte Hawking nicht immer praktiziert. Insgesamt besuchte er den jüdischen Staat viermal, zuletzt im Jahr 2006. Damals hielt er öffentliche Vorlesungen an israelischen und palästinensischen Universitäten. Offiziell war als Gast der britischen Botschaft vor Ort.

In den Folgejahren scheint er jedoch eine kritischere Haltung zu Israel angenommen zu haben. Im Jahr 2009 kritisierte er die israelische Reaktion auf Raketenangriffe aus dem Gazastreifen als „vollkommen überproportional“. Israel führte um die Jahreswende 2008/2009 die Operation „Gegossenes Blei“ durch, den ersten von bislang drei größeren Waffengängen gegen die Terrorinfrastruktur im Gazastreifen. Im Fernsehsender „Al-Dschasira“ verglich Hawking Israel zudem mit dem früheren Apartheidsregime in Südafrika. „Die Situation ist wie die in Südafrika vor 1990 und kann nicht fortgesetzt werden.“

Am 13. Februar 2017 bat Hawking seine Follower auf Facebook um Spenden für einen Physik-Sonderkurs für palästinensische Studenten. „Ich unterstütze überall die Rechte von Wissenschaftlern, sich frei zu bewegen, zu veröffentlichen und zusammenzuarbeiten“, teilte er damals mit. Die Spendenkampagne fand 201 Unterstützer. Das Spendenziel von 7.500 US-Dollar wurde um das Doppelte übertroffen.

Divergenz in Glaubensfragen

Fest steht, dass Hawkings Karriere seit den frühen Jahren mit einem israelisch-amerikanischen Wissenschaftler verbunden ist: Hawkings große Entdeckung von 1974, dass auch Schwarze Löcher Strahlung besitzen, bestätigte die Arbeit von Jacob Bekenstein zwei Jahre zuvor. Zunächst hatte Hawking Bekensteins Theorie abgelehnt. Durch seine eigenen Berechnungen musste er ihm dann aber Recht geben. Heute reden Physiker in Bezug auf Schwarze Löcher von der Bekenstein-Hawking-Entropie – eine Theorie die durch die sogenannte Hawking-Strahlung gestützt wird.

Der 2015 gestorbene Bekenstein lehrte von 1976 bis 1990 an der Ben-Gurion-Universität in Be’er Scheva, und danach an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Auf dem Gebiet der Wissenschaft mögen sich beide angenähert haben, im Glauben jedoch nicht. Bekenstein verstand die Welt als „Produkt Gottes. Er hat sehr genaue Gesetze errichtet, und wir erfreuen uns an deren Entdeckung durch die wissenschaftliche Arbeit.“ Hawking hingegen negierte Zeit seines Lebens die Existenz Gottes.

Von: Daniel Frick

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen