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Die umstrittene Stadt

Seit jeher spielt Hebron für Juden eine wichtige Rolle. Muslime erheben ebenfalls Anspruch auf die Stadt. Immer wieder kam es zu blutigen Überfällen. Ein Massaker an Juden jährt sich in diesem Jahr zum 500. Mal. Im Sommer wurde eine UNESCO-Resolution verabschiedet, die vor allem den muslimischen Charakter erwähnt.
Die sogenannte „Märtyrerstraße“ wird von israelischen Soldaten bewacht. Nur einzelne Passanten können sie nutzen, um ihre Ziele zu erreichen. Die Geschäfte sind geschlossen.

Die Sonne knallt auf die leere Straße, welche Palästinenser als Schuhada-, Märtyrerstraße, bezeichnen. Juden nennen sie König-David-Straße. Am Straßenrand ist alle Hundert Meter ein israelischer Soldat postiert. „Keine Fotos von Soldaten“, rufen sie den wenigen Touristen zu, die zaghaft die gespenstische Kulisse entlangwandern und ihre Kamera griffbereit halten. Dann schauen die jungen Männer gelangweilt den vereinzelten Passanten nach. Die Straße führt weg von der Höhle der Patriarchen, wie die Juden sie nennen. Muslime nennen sie Ibrahim-Heiligtum.

Hebron ist aus der Geschichte des jüdischen Volkes nicht wegzudenken. In dem hebräischen Wort steckt das Wort für „Freund“ und auch der arabische Name, Al-Chalil, lässt sich, in Bezug auf Abraham, mit „der gute Freund“ übersetzen. Nach Gaza gilt Hebron heute mit etwa 200.000 Einwohnern als größte Stadt in den palästinensischen Autonomiegebieten. Doch trotz seiner historischen und religiösen Bedeutung war es bis vor wenigen Jahrzehnten ein kleiner Ort.

In 1. Mose 23 berichtet die Bibel, wie Abraham ein Feld und die Höhle Machpela als Grabstätte für seine verstorbene Frau Sara von Efron dem Hethiter für 400 Silberschekel kaufte. Die Höhle lag außerhalb der Stadt, aber nahe seines Wohnortes Mamre. Im 1. Jahrhundert vor Christus errichtete Herodes der Große einen Prachtbau, um die Bedeutung der Stätte für das jüdische Volk sichtbar zu machen. Später richteten Kreuzfahrer das Gelände für die Bedürfnisse christlicher Pilger ein, Muslime schließlich verwandelten den Bau in eine Moschee. Heute ist der Großteil des Gebäudekomplexes eine Moschee. Unter einem Sonnensegel befindet sich im Innenhof eine Synagoge. Juden und Muslime erreichen die jeweilige Gebetsstätte über zwei getrennte Zugänge. Zu hohen Feiertagen kann die Synagoge innerhalb weniger Stunden als Gebetsraum für die Muslime nutzbar gemacht werden.

Ibrahim-Moschee als Weltkulturerbe

Eine UNESCO-Resolution von Anfang Juli hat die Altstadt von Hebron in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen und sie auf die Liste gefährdeter Stätten gesetzt. In der Erklärung wird der „Gebrauch des örtlichen Kalksteins während der mamlukischen Epoche zwischen 1250 und 1517“ hervorgehoben. Die Beschreibung spricht weiter von der „Moschee Ibrahims beziehungsweise dem Grab der Patriarchen, deren Gebäude auf einem Gelände stehen, das im ersten Jahrhundert nach Christus gebaut wurde, um die Patriarchen Abrahams beziehungsweise Ibrahims und seiner Familie zu schützen“. Tatsächlich war Herodes zu dem angegebenen Zeitpunkt bereits gestorben. Auch, dass der Islam erst einige Jahrhunderte nach diesem Schutzbau entstanden ist, erwähnt die Resolution nicht. Stattdessen vermerkt sie positiv, dass trotz der osmanischen Herrschaft zwischen 1517 und 1917 der mamlukische Stil erhalten geblieben sei.

Aus aller Welt kommen muslimische Pilger, um Abrahams Grab zu besuchen. Oft sind sie in Gruppen unterwegs. Juden haben über einen zweiten Eingang Zugang zu den Gräbern. Foto: Israelnetz/mh
Aus aller Welt kommen muslimische Pilger, um Abrahams Grab zu besuchen. Oft sind sie in Gruppen unterwegs. Juden haben über einen zweiten Eingang Zugang zu den Gräbern.

Ein Verweis auf das jüdische Erbe findet sich lediglich in folgendem Satz: „Der Ort wurde zur Pilgerstätte der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam.“

Zippi Schlissel kann über die Resolution nur müde lächeln. Die 52-Jährige ist in Jerusalem geboren und lebt in achter Generation im Heiligen Land. Nachdem ihr Vater 1998 bei einem Anschlag in Hebron ermordet wurde, zog sie mit ihrer Familie dorthin, um ihre Mutter zu unterstützen: „Er war gerade einmal 63 Jahre alt.“ Zur Resolution sagt sie: „Abraham, Isaak und Jakob, Sara, Rebekka und Lea sind unsere Väter und Mütter. Sie waren Juden und wir haben sie hier begraben.“ Schlissel beklagt: „Heute wollen sich viele Menschen gar nicht mehr mit Fakten beschäftigen. Es geht nur noch um Emotionen.“

Die siebenfache Mutter arbeitet in einem Museum für jüdische Geschichte, nur wenige Gehminuten von der leeren Straße entfernt: „Auch wenn viele heute die Fakten verdrehen, lerne ich weiter. Über unser Land und unser Volk und über den Ort, an dem wir wohnen.“ In diesen Tagen erscheint ein Buch von ihr, in dem sie Geschichten aus Hebron erzählt. Es trägt den bezeichnenden Titel: „Hebron bricht das Schweigen“.

Pogrom vor 500 Jahren

Wer als Muslim oder Europäer an Massaker in Hebron denkt, dem kommt als erstes der amerikanisch-israelische Baruch Goldstein in den Sinn, der 1994 im Patriarchengrab 29 Muslime tötete und 150 verletzte. Goldstein war ein Einzeltäter und die Tat wurde von den Israelis überwiegend scharf verurteilt.

Die Siedler von Hebron denken vielmehr an Ereignisse wie das Massaker von 1517, als die Türken Hebron von den ägyptischen Mamluken eroberten. Der Bericht eines damaligen Bewohner ist überliefert: „Im siebten Monat, am heiligen Sukkot 1517, entschied der grausame Tyrann Murad Bey, Stellvertreter des Sultans und Herrscher von Jerusalem, in seinem Herzen, seine Wut auf die Juden in seiner Stadt zu richten und auf die, die in Hebron lebten. Er sagte: ‚Ich will Beute von ihnen und die Juden in diesen beiden Städten gefangennehmen.‘ So führte er seine Tat aus. An diesem Tag kamen seine Leute nach Hebron und töteten viele Juden, die um ihr Leben kämpften und plünderten alle ihre Habe, solange, bis nicht ein Flüchtling oder Überlebender im Land übrig blieb.

Der kleine Teil von denen, die nicht durch das Schwert fielen, floh in das Land von Beirut. Bevor sie gingen, nahmen sie eilig ihre Torahrollen und baten, ihre heiligen Bücher in Sicherheit zu bringen. Ich schreibe das hier auf und es wird unterschrieben von Rabbi Korps am sechsten Tevet 1519.“ Im Geschichtsbuch „Buch von Hebron“, in dem sich die Beschreibung findet, steht weiter: „Scheinbar war die jüdische Gemeinde von Hebron trotz der großen Auslandsarmee bewaffnet. Das Zeugnis macht deutlich, dass es immer eine relativ große jüdische Gemeinschaft in Hebron gab. Und dass sie sich traute, um ihr Überleben zu kämpfen.“

Brutale Massaker im Laufe der Geschichte

Archäologe Arie Klein erklärt: „Zu diesem Zeitpunkt gab es höchstwahrscheinlich zwei jüdische Gemeinden in Hebron. Die Sefarden waren gut mit der türkischen Regierung verbunden. Weil die Karaiten dem Sultan gegenüber feindlich gesinnt waren und sich stärker nach Kairo orientierten, wurde die karaitische Gemeinde bei der Eroberung der Osmanen 1517 vernichtet. Die gute finanzielle Situation der Hebroner Juden wirkte auf die türkischen Soldaten anziehend, und so plünderten sie.“

Der Historiker Gerschon Bar Kochba erklärt: „Mitte des 18. Jahrhunderts begannen die Hebroner außerhalb der Stadtmauern zu wohnen. Sie wollten eine Erneuerung, bauten größere Häuser und errichteten eigene Synagogen.“ Traumatisch im kollektiven Gedächtnis ist den Bewohnern von Hebron das Massaker von 1929. Auf grausamste Weise wurden 67 Juden ermordet. Schlissel sagt: „Die Brutalität, mit der die Bewohner von Hebron gegen die jüdische Bevölkerung vorgingen, war unbeschreiblich. Fast erinnert sie ein bisschen an den Holocaust in Europa.“ Doch die religiöse Jüdin scheint ob der grausamen Schilderungen und Bilder nicht verbittert. „Meine Großmutter konnte nur überleben, weil sie ein muslimischer Nachbar bei sich aufnahm. Inmitten all der Extremisten gibt es immer wieder auch Leute, die Menschlichkeit zeigen. Das gilt für damals und für heute.“

Nach dem Massaker brachten die Briten als damalige Mandatsmacht die Juden aus der Stadt. Einige kamen wieder und blieben bis zur Staatsgründung 1948. Erst nach 1967 konnten Juden wieder in Hebron leben.

Geteilte Stadt

Nach den Osloer Verträgen wurde die Stadt in einen von Israel und einen von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) kontrollierten Teil geteilt: Im von Israel kontrollierten Teil leben etwa 800 Juden sowie 50.000 Palästinenser. Wenige Meter vom Eingang zum muslimischen Teil der Gräberstätte führt eine kleine Gasse zu einem Checkpoint. Israelische Soldaten prüfen Ausweise und Genehmigungen der Passanten. Das Drehkreuz am Kontrollpunkt führt direkt in den Teil, der von der PA kontrolliert ist.

Auf einem quirligen Markt werden neben Falafel, frisch gepressten Säften und Gewürzen auch Souvenirs angeboten. Diese sind meist politischer Natur. Für wenige Schekel lassen sich Schlüssel kaufen, die als Symbol für die zurückgelassenen Häuser der Araber gelten, die 1948 in die Nachbarländer flohen. Für knapp fünf Euro ist eine Sammlung alter „palästinensischer“ Münzen zu erwerben sowie zahlreiche Schlüsselanhänger in Form der Landkarte von Israel und den besetzten Gebieten, auf denen in Arabisch steht: „Wir kehren zurück“. Nicht nur an diesen Gegenständen wird deutlich: Motivation für Palästinenser sind politische Ziele. Die Vereinten Nationen sollten ihren Entscheidungen jedoch besser geschichtliche Daten zugrunde legen.

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 5/2017 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915152, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online.

Von: mh

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