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Israels Freiheit verteidigen

FRANKFURT/MAIN (inn) – Etwa 3.000 Menschen haben beim 4. Deutschen Israelkongress Solidarität mit dem jüdischen Staat bekundet. Ein Medienmanager erhielt eine Auszeichnung. Ein Araber und ein Druse widerlegten engagiert das Vorurteil der „israelischen Apartheid“.
Kongressveranstalter Sacha Stawski (l.) und Gila Lustiger überreichen die Urkunde an Mathias Döpfner
Wie können Deutschland und Israel ihre Beziehungen nach dem Jubiläumsjahr gestalten und ausbauen? Diese Frage stand am Sonntag im Mittelpunkt des 4. Deutschen Israelkongresses in Frankfurt am Main mit rund 3.000 Teilnehmern. Deutsche und israelische Abgeordnete waren ebenso vertreten wie Wirtschafts- und Sicherheitsexperten. Viele Referenten prangerten die einseitige Berichterstattung über den israelisch-palästinensischen Konflikt, die internationale Boykottbewegung und die negative Sonderstellung Israels bei der UNO an. Auch Mathias Döpfner kritisierte die oftmals ablehnende internationale Haltung gegenüber dem jüdischen Staat. Der Vorstandsvorsitzende des Springer-Konzerns erhielt auf dem Kongress den Arno-Lustiger-Ehrenpreis. Dieser wird verliehen für besondere Verdienste um die deutsch-israelischen Beziehungen. Die Tochter des Namensgebers, die Schriftstellerin Gila Lustiger, wies darauf hin, dass ihr Vater Israel immer verteidigt habe. Seine Erfahrungen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern hätten ihn zum Zionismus gebracht. Der Publizist Henryk M. Broder sagte in seiner humorvoll gehaltenen Laudatio, Döpfner habe ihn mit viel Überredungskunst zur Tageszeitung „Die Welt“ geholt. Jedes Mal, wenn er einen Artikel von Jakob Augstein lese, sei er dankbar, nicht mehr für den „Spiegel“ zu arbeiten. Bei seinem jetzigen Chef sei die Idee der Freiheit ein zentrales Leitmotiv. Dies verbinde ihn mit dem vor vier Jahren verstorbenen Historiker Arno Lustiger. Döpfner spreche in seinem Buch „Freiheitsfalle“ von der „Freiheitsvergessenheit des Westens“. Wenn Deutschland die Freiheit am Hindukusch verteidige, dann sei das auch am Jordan, im Golan und an der Grenze zu Gaza nötig. Je näher der islamistische Terror komme, umso klarer werde, dass Appeasement gegen Terror nicht nütze. Döpfner erzählte in seiner Dankesrede, wie er 1981 erstmals Israel besucht habe und dort trotz der Wunden eine „großartige Wärme“ erfahren habe. Die deutsch-israelische Freundschaft und die Unterstützung für Israel seien keine altruistische Angelegenheit, sondern ein „vitales Eigeninteresse“. Denn die eigenen Werte seien bedroht. „Israel ist eine Demokratie“, betonte der Springer-Chef. Wenn der israelische Präsident seine Sekretärin sexuell belästige, werde er rechtsstaatlich verurteilt. Im Iran würde hingegen derjenige, der über sexuelle Belästigung durch den Präsidenten klagte, gesteinigt.

Lob und Kritik von israelischen Politikern

Der Kongress stand unter dem Motto: „Building Partnerships“ (Partnerschaften bauen). Der frühere israelische Verteidigungsminister Schaul Mofas warnte in seiner Ansprache vor den Gefahren des Cyberkrieges, in dem sich die Welt seit einigen Jahren befinde. Eine internationale Zusammenarbeit sei hier ebenso unabdingbar wie beim Kampf gegen den Terror. Der Westen müsse mit Mega-Anschlägen und Terrorangriffen mit unkonventionellen Waffen rechnen. Zwei Politiker meldeten sich auf Englisch in Videobotschaften zu Wort: Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin dankte den Teilnehmern des Kongresses für deren Beistand. Sie seien gekommen, um Brücken zwischen Völkern zu bauen – gegen Hass, Antisemitismus, Extremismus und Diskriminierung. Premierminister Benjamin Netanjahu lud die Teilnehmer herzlich ein, Israel zu besuchen. Persönlich zugegen war der Botschafter des Staates Israel in Berlin, Yakov Hadas-Handelsman. Er bezeichnete Deutschland als „besten Freund Israels in Europa“. Gleichzeitig warnte er davor, die iranische Bedrohung zu leicht zu nehmen. Er zitierte aus einem Artikel des CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Patzelt im Magazin „Focus“ – Anlass war der Besuch des iranischen Außenministers Muhammad Dschawad Sarif in Berlin. Der Autor sieht keinen gemäßigten Kurs im Iran. Auch der stellvertretende Knessetsprecher Nachman Schai lobte die „wundervolle Freundschaft, die zwischen Deutschland und Israel aufgeblüht ist“. Dennoch sei die öffentliche Meinung in Deutschland extrem kritisch gegenüber Israel.

Wie Israel Minderheiten integriert

Einen häufig geäußerten Vorwurf, den der angeblichen „Apartheid“ im jüdischen Staat, entkräftete der stellvertretende israelische Polizeichef Dschamal Hakrusch. Er nahm an einer Podiumsdiskussion zur öffentlichen Sicherheit teil – dabei ging es um „deutsch-israelische Beziehungen in Zeiten von Flüchtlingsströmungen und Terrorismus“. Auf Hebräisch gab der Araber Einblick in seine persönliche Geschichte: Er vertrete eine Minderheit, die 20 Prozent der Bevölkerung ausmache. Trotzdem habe er in die höchsten Ränge der israelischen Polizei aufsteigen können. Er dankte den Verantwortlichen des Staates und der Demokratie, die „keinen Unterschied machen“. Hakrusch ist verantwortlich für das Programm, mit dem Israel die Kriminalität im arabischen Sektor mindern möchte. Der Einsatz arabischer Polizisten vermittle den Bewohnern das Gefühl, dass die Polizei für sie sei und nicht gegen sie. Zwar befinde sich Israel erst am Anfang des Weges, aber eine Veränderung sei spürbar. Das Modell, Angehörige von Minderheiten in deren Umfeld einzusetzen, könne auch Vorbild für andere Länder sein. Der drusische Knessetabgeordnete Ajub Kara hob ebenfalls hervor, dass er in Israel alle Aufstiegschancen gehabt habe, obwohl er zu einer Minderheit gehöre. Er wies auch darauf hin, dass israelische Ärzte kostenlos syrische Bürgerkriegsopfer behandelten – das entspreche den israelischen Werten. Der Likud-Politiker äußerte die These, dass der „Islamische Staat“ in einigen Jahren keine Rolle mehr spielen werde. Von Osama Bin Ladens Organisation („Al-Kaida“) spreche heute schließlich auch niemand mehr. Kara sprach sich dafür aus, eine Koalition arabischer Staaten mit Saudi-Arabien und Jordanien zu unterstützen. Er kritisierte die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Besser sei es, wenn die Flüchtlinge in ihrer Region blieben. Denn sie würden die deutsche Gesellschaft zum Negativen verändern. Der Vize-Präsident beim Bundeskriminalamt, Peter Henzler, sagte, seit dem Jahr 2000 seien in Deuschland elf Terroranschläge gescheitert oder vereitelt worden. Entscheidend sei es, sich durch diese Bedrohung nicht lähmen zu lassen. Er befürwortete die Aufnahme von einer Million Flüchtlinge, gab aber zu bedenken, dass sie sich auf das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung ausgewirkt habe. Der Geschäftsführer der Organisation „Scholars for Peace in the Middle East“, Asaf Romirowsky, forderte etwa bei ethischen Fragen eine klare Linie, damit Flüchtlinge wissen, was erlaubt ist und was nicht.

In Israel investieren

Eine zweite Diskussionsrunde zum Thema „Business“ trug den Titel „Partnerschaft zahlt sich aus“. Der Frankfurter Stadtkämmerer Uwe Becker kritisierte die anti-israelische Kampagne BDS (Boykott, Desinvestion und Sanktionen) als antisemitisch. An ihre Stelle müsse die Initiative BIS treten – „Buy, Invest and Support“ (Kaufen, Investieren und Unterstützen). Der Präsident der Organisation „State of Israel Bonds“, Israel „Izzy“ Tapoohi, merkte an, dass Israel angesichts seines Bruttoinlandsproduktes der Europäischen Union beitreten könne – im Gegensatz zu vielen Mitgliedsstaaten. Jehuda Fehlauer gehört zur Geschäftsführung des israelischen Unternehmens „Beth-El Industries“, das unter anderem Belüftungsanlagen für Schutzräume herstellt. Seit 2000 exportiert die Firma, zunächst nach Deutschland, heute in mehr als 100 Länder. Fehlauer skizzierte Unterschiede zwischen den beiden Ländern, die bei einer Geschäftspartnerschaft zu beachten seien. Der Aufsichtsratsvorsitzende der „Morgan Stanley Bank AG“, Lutz Raettig, verwies auf eine sehr enge Zusammenarbeit in Israel zwischen Einsteigern, erfahreneren Unternehmern und der Wissenschaft. Diese wirke sich positiv auf die Wirtschaft aus.

Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien

Ein weiteres Thema lautete: „Verteidigung und grenzüberschreitende Kooperationen in Zeiten von regionalem Umbruch“. Der ehemalige Verteidigungsminister Mofas sagte auf dem Podium, der größte Konflikt im Nahen Osten sei der zwischen Sunna und Schia. Es gebe ein „Fenster der Gelegenheit“, mit verschiedenen arabischen Staaten zusammenzuarbeiten. Israel habe bereits mit Saudi-Arabien gesprochen. Jordanien, Ägypten und mehrere Golfstaaten kämen ebenfalls in Frage. Sie alle verbinde der Wunsch, der iranischen Bedrohung etwas entgegenzusetzen. Der Obmann für Außenpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Roderich Kiesewetter, sprach sich dafür aus, Israel auf unterschiedliche Weisen zu unterstützen. Dazu gehörten Rüstungsgüter, Beratung, Soldaten und Polizisten. Auf die Frage von Moderatorin Esther Schapira, ob eine Resolution gegen BDS denkbar sei, entgegnete er: Wenn der Bundestag es geschafft habe, eine Armenienresolution zu verabschieden, sei auch das möglich. Er bat den Grünen-Abgeordneten Volker Beck, der im Publikum saß, um Mithilfe. Beck schloss sich daraufhin der Diskussionsrunde an und äußerte die Ansicht, BDS habe in Deutschland kaum Unterstützung. Die Stiftungen der großen Parteien hätten Niederlassungen in Jerusalem und in Ramallah. Sie wollten die Zivilgesellschaft stärken. Allerdings gebe es in Ramallah nur Ansprechpartner, die an anti-israelischen Aktionen beteiligt seien. Diese dürften die Stiftungen nicht direkt finanzieren. Sie müssten vielmehr andere Projekte der Organisationen wählen. Auf dem Podium saß auch der Studienreferent für Staats- und Völkerrecht an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Wolfgang Bock. Er sprach die Gefahr der islamistischen Indoktrinierung von Flüchtlingen an, wenn sich diese in großen Lagern befinden. Jordanien habe 1,6 Millionen Menschen und damit ein Viertel seiner Bevölkerung aufgenommen. Diese seien jedoch nicht mehr in den Lagern, sondern würden dezentral untergebracht. Hingegen befänden sich Flüchtlingslager in der Türkei unter der Obhut der Organisation IHH, die vor sechs Jahren die „Mavi Marmara“ zum Gazastreifen geschickt hatte. Sie stehe der Hamas nahe.

Schulbücher beeinflussen Berichterstattung

Eine weitere Diskussionsrunde bot einen Ausblick zur Frage: „50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen – was nun?“ Unter anderem ging es darum, wie 71 Jahre nach der Scho‘ah bei jungen Deutsche Interesse für Israel geweckt werden könne. Der Gesandte der israelischen Botschaft, Avraham Nir-Feldklein, bezeichnete das Jubiläumsjahr als „erfolgreich“. Er plädierte dafür, den dabei begonnenen Prozess weiterzuführen und die Partnerschaft zu vertiefen. Auch verwies er auf eine deutsch-israelische Initiative in sechs afrikanischen Ländern. Es vermittle eine gute Botschaft für Ruanda, wenn Juden aus Israel und Deutsche gemeinsam in das Land kämen. Diesmal saß Beck von Anfang an auf dem Podium. Er lobte die Gelegenheiten zum Austausch zwischen den beiden Ländern. Denn dieser vermittle Deutschen ein positiveres Israelbild. Der Grünen-Politiker sprach sich dafür aus, ein Alumni-Programm für alle zu schaffen, die sich an einem Jugendaustausch beteiligt haben. Als Beispiel für eine Fehlinformation sagte er, Deutschland tue so, als hätte Israel wie Wladimir Putin über Nacht beschlossen, die Krim zu besetzen. „Israel hat nur besetzte Gebiete, weil es angegriffen wurde und Gott sei Dank den Krieg nicht verloren hat“, betonte er. Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Hellmut Königshaus, kritisierte deutsche Schulbücher, die Israel teilweise einseitig darstellten, wie eine Studie festgestellt hat. Deshalb habe die DIG an die Kultusministerkonferenz appelliert. Mehrere Autoren hätten geantwortet, die Texte seien doch nur Diskussionsgrundlagen. Wer Israel besuche, komme verändert zurück – auch manche Journalisten. Doch sei ein Konflikt beeindruckender als eine funktionierende Entwicklungszusammenarbeit. Journalisten seien leider nicht frei von Vorprägungen, sie seien schließlich auch mit diesen Schulbüchern aufgewachsen. Harald Kindermann war bis 2011 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel. Dies empfand er als „erfüllende Aufgabe“, wie er in der Diskussionsrunde mitteilte. Alle Besuchergruppen seien bereichert aus dem Land zurückgekehrt. Deshalb könne er nicht verstehen, warum das Israelbild in Deutschland so negativ sei. Mittlerweile ist Kindermann bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik tätig. In seinem beruflichen Leben komme Israel derzeit nicht vor. Dies liege vermutlich auch an den großen Problemen in Europa, wie dem Streit über die Flüchtlingspolitik, dem Konflikt mit Russland und dem drohenden Brexit. Einig waren sich die Diskussionspartner darin, dass Israel in der Wahrnehmung der Deutschen wieder eine positivere Rolle einnehmen müsse.

Kritik am Iran-Deal

Die Schirmherrschaft der Veranstaltung hatten die Botschaft des Staates Israel und der Zentralrat der Juden in Deutschland übernommen. Dessen Vorsitzender Josef Schuster kritisierte, ebenso wie der in Teheran geborene Politiker Mofas, den Iran-Deal. Deutschland habe dem zugestimmt. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sei anschließend sehr bald nach Teheran gereist. Dies werfe die Frage auf, ob die Rede von Israels Sicherheit als Staatsräson der Realität entspreche. Für Juden sei es sogar eine Lebensräson, dass Israel als sicherer Hafen existiere. Während des Kongresses wurde ein Frankfurter Bürger geehrt, der sich in besonderer Weise für die Partnerschaft mit Tel Aviv einsetzt: der Holocaustüberlebende Josef Buchmann. Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) würdigte in seiner Laudatio den Beitrag des Immobilieninvestors, der nicht nur das Stadtbild präge, sondern auch die Gesellschaft. Im Jahr 2002 habe er die Ehrendoktorwürde der Universität Tel Aviv erhalten, deren von ihm gegründetes rechtswissenschaftliches Institut heute führend in Israel sei. Der von ihm ins Leben gerufene binationale Fonds habe bereits mehr als 300 Studenten gefördert. Buchmann stammte aus dem polnischen Lodz. Seine Eltern wurden im Konzentrationslager Bergen-Belsen ermordet. Nach dem Krieg siedelte er sich in Frankfurt an. Parallel zur zentralen Veranstaltung gab es weitere Foren in den Räumen des Kongresszentrums der Frankfurter Messe. Eine Diskussionsrunde befasste ich mit dem Thema: „Vom Dialog zur Kooperation – Juden, Christen und Israel“. Jüdische Autoren stellten ihre neuesten Bücher vor. Zudem gab es einen Deutsch-Israelisch-Kurdischen Netzwerkraum. Daran beteiligte sich die „Kurdistan-Israel Friendship Association International“ (KIFA). 50 Aussteller präsentierten den Besuchern ihr Angebot. Veranstalter des 4. Deutschen Israelkongresses war die Organisation „ILI – I like Israel“. Deren Vorsitzender Sacha Stawski erinnerte zum Auftakt an zwei Unterstützer, die seit dem vorigen Kongress im Jahr 2013 verstorben waren: der CDU-Politiker Philipp Mißfelder und der Schriftsteller Ralph Giordano. Der Kongress wurde live auf Facebook übertragen. (eh)

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