Suche
Close this search box.

Gedenken an Holocaust in Israel und Polen

JERUSALEM / OSWIECIM (inn) – Israel stand zum Holocaust-Gedenktag für zwei Minuten still. Ein hoher israelischer Offizier sorgte für Aufregung. In Polen gedachten Tausende Menschen mit dem „Marsch der Lebenden“ der Ermordeten.
Staatspräsident Reuven Rivlin legt im Gedenken an die Ermordeten einen Kranz an der Knesset nieder
Schweigen für die Opfer der Scho‘ah: In Israel heulten am Donnerstagmorgen in Erinnerung an die sechs Millionen ermordeten Juden für zwei Minuten die Sirenen. Auf den Straßen blieben die Autos stehen, Fußgänger verharrten im stillen Gedenken, wie die Online-Zeitung „Times of Israel“ berichtet. In Schulen und Gedenkstätten folgten am „Jom HaScho‘ah“, dem Holocaust-Gedenktag, feierliche Zeremonien, in denen an die Toten erinnert und Geschichten der Überlebenden erzählt wurden. Das zentrale Gedenkereignis in Israel gab es direkt im Anschluss an die Sirenen. In der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem legten Würdenträger Kränze auf dem Platz vor dem Denkmal zum Warschauer Ghetto nieder. Darunter waren Staatspräsident Reuven Rivlin, Premierminister Benjamin Netanjahu, Generalstabschef Gadi Eisenkot und die Vorsitzende Richterin des Obersten Gerichtes, Miriam Naor. Auf dem Gelände der Knesset verlasen Abgeordnete ab 11 Uhr morgens Opfernamen. Die Zeremonie trug den Titel „Zu jedem Menschen gehört ein Name“. Die Zeile geht auf ein berühmtes Gedicht der israelischen Dichterin Zelda Schneersohn zurück. Begonnen hatten die Feierlichkeiten am Mittwochabend. In der Gedenkstätte Yad Vashem zündeten sechs Überlebende Fackeln für die sechs Millionen ermordeten Juden an. Staatspräsident Rivlin bat die knapp 200.000 Holocaust-Überlebenden, die in Israel leben, um Vergebung: „Der Staat hat versagt, für euch vernünftig zu sorgen.“ Ein Großteil der Überlebenden kämpft heute mit Altersarmut.

Irritierender Israel-Vergleich

Für Aufsehen sorgte am Mittwoch der stellvertretende Generalstabschef Jair Golan. Bei der Holocaust-Gedenkzeremonie in Yad Vashem warnte er: „Ich sehe heute in Israel ähnliche Prozesse wie in Europa vor dem Holocaust.“ Nichts sei leichter, als den Fremden zu hassen, Angst und Schrecken zu wecken. Gerade am Holocaust-Gedenktag sei es wichtig, „Keime der Intoleranz, der Gewalt und der Selbstzerstörung“ in der israelischen Gesellschaft zu bekämpfen. Am Donnerstag rechtfertigte sich Golan für seine Äußerung. Es sei ihm dabei nicht um einen Vergleich des heutigen Israels mit Nazi-Deutschland gegangen. Er reagierte damit auf einen Sturm der Entrüstung in den Sozialen Medien, dem sich auch einige Politiker wie der Bildungsminister Naftali Bennett angeschlossen hatten. Oppositionsführer Isaak Herzog verteidigte den stellvertretenden Generalstabschef: „Er ist ein tapferer Kommandant und hat das Recht, seine freie Meinung zu äußern.“

Der „Marsch der Lebenden“ in Polen

In der polnischen Stadt Oswiecim gedachten derweil Tausende junge Juden aus Israel und 40 weiteren Ländern beim „Marsch der Lebenden“ der sechs Millionen Opfer des Holocaust. Viele Jugendliche trugen beim Gang am Donnerstag israelische Flaggen mit sich, wie die „Times of Israel“ berichtet. Unter den Teilnehmern waren auch einige Auschwitz-Überlebende wie Edward Mosberg, der mit seiner Enkelin aus Israel gekommen war. Der Marsch beginnt traditionell in der südpolnischen Stadt Oswiecim mit dem Blasen eines Schofar (Widderhorn), dessen Ton Freiheit symbolisiert. Drei Kilometer gehen die Teilnehmer schweigend vom Auschwitz-Toreingang bis zum Haupt-Vernichtungskomplex Birkenau. Zum 28. Mal trafen sich die Menschen zum „Marsch der Lebenden“, der in den ersten Jahren nach 1988 anfangs noch zweijährlich stattfand. Die 81-jährige Überlebende Feiga Francis Schmidt Libman erzählte der französischen Nachrichtenagentur AFP, wie sie ihre Großmutter, Tante und ihre Cousinen in Auschwitz verloren hatte. Ihr Vater starb im Konzentrationslager Dachau. Als Zehnjährige überlebte sie gemeinsam mit ihrer Mutter. „Junge Menschen sollen wissen, dass Hass tötet“, sagte Libman.

Warnung vor Hass und Antisemitismus

Acht Knesset-Abgeordnete nahmen an der Veranstaltung teil. Die israelische Justizministerin Ajelet Schaked betonte in ihrer Rede, dass die alliierten Luftangriffe das Morden der Nationalsozialisten hätten stoppen können. Sie warnte vor Hass und Antisemitismus, der in Teilen Europas noch heute lebendig sei. „Juden werden in Europa nur in einer einzigen Rolle, nämlich der des Opfers akzeptiert“, klagte Schaked. Ein israelischer Staat, der Kriege gewinnt, sei dagegen nur schwer zu akzeptieren. Der per Videobotschaft zugeschaltete israelische Premierminister Netanjahu betonte, dass der Marsch der Lebenden für die Wiedergeburt der Juden und ihren Staat stehe. Es sei die Pflicht, sich gegen Feinde zu verteidigen, die das zerstören wollten. Schätzungen zufolge ermordeten die Nationalsozialisten allein im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau mindestens 1,1 Millionen Menschen. Die meisten von ihnen waren Juden. Heute ist das Lager eine vom polnischen Staat betreute Gedenkstätte mit Museum. Ungefähr 430.000 Juden, die im Jahr 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden, ermordeten die Nationalsozialisten direkt in den Gaskammern. Die übrig Gebliebenen zwangen sie zu Arbeiten, die unter Hunger und Krankheiten bei den meisten zum Tod führten. Es starben auch über 100.000 nicht-jüdische Polen, Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene, Homosexuelle und Anti-Nazi-Partisanen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. (mm)

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen