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Gekoschertes Schwein und deutsche Speisegesetze

Eli Landau, Kardiologe und bekannter Koch, hat erstmals ein hebräisches Kochbuch veröffentlicht, das allein dem Schwein gewidmet ist. Eigentlich - so könnte man meinen - ist das eine ziemliche Schweinerei. Denn das Borstentier ist frommen Juden sowie Moslems eine Abscheu.

Genauso käme ein Germane kaum auf die Idee, auf der Speisekarte eines deutschen Restaurants ein Rossfilet zu suchen. „Pferdefleisch ist in Deutschland verpönt, weil es als Arme-Leute-Essen galt“, sagt Frau Dohrmann, Inhaberin einer Pferdemetzgerei in Bremen und Autorin von „Gut Kochen mit Rossfleisch!“, 1999 erschienen. Ein Jahr später veröffentlichte der Pferdemetzger Beerwardt aus Waiblingen „Kulinarisches vom Pferd und Fohlen“. Beerwardt sagt: „Mein Großvater erzählte mir, dass Pferdefleisch so verpönt war, dass die Kunden darum baten, es in Tüten ohne den Namen unserer Metzgerei zu verpacken.“ Weder Dohrmann noch Beerwardt wussten freilich, dass die alten Germanen glaubten, durch Pferdefleisch in den Genuss der Kräfte der Gottheit gelangen, der das Pferdeopfer galt.

In der frühchristlichen Kirche galt Pferdefleisch als Zeichen des Verharrens im Heidentum. Bonifatius fragte im Jahr 732 bei Papst Gregor III an, ob Christen Pferdefleisch essen dürften. Der Papst verbot es, da die Kirche Reste heidnischer Opferkulte ausrotten wollte. Das Verbot geht auf Karl den Großen zurück. Das Wort „Pferdefresser“ war ein christliches Schimpfwort für heidnische Volksgenossen. Hexen wurde nachgesagt, Pferdefleisch zu essen und zu verehren.

Anders als in Frankreich oder Italien entwickelte sich unter deutschen Christen eine religiös motivierte Aversion gegen Pferdefleisch. Anton Freithofnig aus dem österreichischen Moosburg, Autor von „Kochen mit Pferdefleisch“, hat die Kulturgeschichte erforscht. Einerseits sei das Pferd ein „heiliges Tier“ gewesen und andererseits entstand eine Abscheu gegen den Verzehr seines Fleisches infolge der Kriege, als hungernde Menschen gezwungen waren, Pferdefleisch zu essen.

Christen in Mitteleuropa pflegen also aus religiösen und ethischen Gründen gedankenlos bis heute ähnliche „Speisegesetze“ wie Moslems oder Juden. Unter den 613 Geboten und Verboten in der Torah (5 Bücher Moses) wird das Schwein als „unkoscher“ bezeichnet. Wer „gottesfürchtig“ ist, rührt es nicht an. „Weißes Fleisch“ ist jedoch in Israel beliebter, als manche vielleicht denken. In Tel Aviv muss man suchen, wenn man koscher essen will. Denn die meisten Juden halten sich nicht an die biblischen Gesetze, wie etwa das Verbot, am Sabbat kein „Feuer“ zu machen und deshalb kein Auto zu fahren. Neben Schweinefleisch verbieten die Koscher-Gesetze auch ein Vermischen von Fleisch und Milch oder den Genuss von Meeresgetier, außer Fischen mit Schuppen.

„Typisch israelische Rezepte“

Eli Landau sagt, er habe mit seinem Kochbuch „Das Weißbuch“ zum ersten Mal in der Geschichte Israels ein Buch „von Deckel zu Deckel nur mit Schwein“ gefüllt. Der weiße Deckel ist schmucklos, ohne provozierendes Bild. Landau hat nach eigener Aussage „allein typische Rezepte für das Land Israel“ entwickelt und keine Vorlagen aus Osteuropa oder Asien kopiert.

Den eigentlichen „Tabubruch“, jüdischen Israelis Schwein aufzutischen, vollbrachte schon in den siebziger Jahren der Schriftsteller Amos Keinan mit seinem „Buch der Gelüste“. Der aus Buchara stammende und in Taiwan ausgebildete Chefkoch Israel Aharoni institutionalisierte den Tabubruch mit „Chinesische Küche“. Unter dem Titel stand selbstverständlich „koscher“. Doch dazu gab es einen separaten Band, worin er Rezepte zu Spareribs (Schweinerippchen), Kalamari und Shrimps lieferte. Aharoni revolutionierte Israels Küche.

Seitdem wagen auch andere Autoren, ihre Kochbücher in zwei Ausgaben zu veröffentlichen. So wurde Madhur Jaffreys „Indische Küche“ in einer koscheren Ausgabe mit vegetarischem Milchersatz für „fleischige“ Speisen veröffentlicht. Gleichzeitig gab es eine nicht-koschere Ausgabe mit Originalrezepten, die kein Rabbi durchgehen lassen würde.

Christen im Heiligen Land haben immer schon Schweine gezüchtet und ihr Fleisch verkauft. In Bethlehem und Jerusalem wurden allerdings Schweine-Fleisch-Läden des Hana Seniora schon während der ersten Intifada ab 1987 unter dem Druck von Islamisten geschlossen. In Israel produziert seit 1959 der Kibbutz Mszra Schweinefleisch und vermarktet es landesweit in unkoscheren Supermärkten. Mosche Tajar vom Kibbutz Lahav, wo ebenfalls Schweine gezüchtet werden, erklärte: „Wir betreiben ein offizielles Forschungsinstitut zum Testen von Medikamenten. Per Gerichtsurteil dürfen wir für die Tests ungeeignete Schweine zu Wurst verarbeiten.“ Denn laut israelischem Gesetz dürfen ansonsten Schweine nur in „christlichen Gegenden“ gezüchtet werden. Seit der Masseneinwanderung sowjetischer Juden 1990 sind russische Supermärkte mit unkoscheren Fleischprodukten nicht mehr wegzudenken. Sogar Blutwurst vom Schwein findet man dort: für fromme Juden wohl die abscheulichste aller Kombinationen.

Umgekehrt gibt es auch „politisch korrekte“ Kochbücher. Nawal Abu Gosch aus Abu Gosch nahe Jerusalem war der erste Araber, der dem jüdischen Publikum die „Arabische Küche im Lande Israel“ vorstellte, koscher und auf Hebräisch. Hätte er sein Kochbuch „Palästinensische Küche in Palästina“ genannt, wäre es zu einem Ladenhüter geworden. Vor allem vegetarische Gerichte und süße Nachspeisen, virtuose Spezialitäten der arabischen Küche, sind unproblematisch und so koscher, dass man keinen Rabbi befragen muss. Aber es gibt ein uraltes, aus biblischer Zeit stammendes Festmahl, das Palästinenser bis heute bei Hochzeiten bereiten. Einst war es eine Götterspeise: Zicklein in der Milch seiner Mutter. Der Bibelvers dazu ist die Ursache für das strikte Verbot für Juden, Milch und Fleisch zu vermengen. Das Rezept für „Mansaf“, wie es heute heißt, fällt in koscheren arabischen Kochbüchern unter den Tisch.

Samaritanisches Kochbuch

Eine Weltsensation ist ein großformatiges Kochbuch des kleinsten Volkes der Welt mit 650 Seelen. Samaritaner leben nur noch in Holon südlich von Tel Aviv und im palästinensischen Nablus, dem biblischen Sichem. „Die Küche des guten Samariters“ nennt Pnina Zedaka ihr Kochbuch. Sie sammelte Bilder und Erzählungen zu fast so vielen Rezepten, wie es Mitglieder des einstigen Millionenvolkes der Zeit Jesu gibt. Die Samariter betrachten sich als Urjuden und verwenden noch die alt-hebräische Schrift wie in der Zeit Davids und Salomons. Sie verwerfen die Propheten der Bibel und alle späteren jüdischen Schriften. Juden verachteten die Samaritaner als Feinde, ähnlich wie heute die Palästinenser. Jesu Begegnungen mit Samaritanern sind nur auf diesem Hintergrund zu verstehen. Seine Kontakte mit dem schlimmsten Feind waren eine Rebellion gegen die Ansichten des damaligen jüdischen Establishments.

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