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„Geigen der Hoffnung“

Amnon Weinstein hat eine Lebensaufgabe: Der israelische Geigenbauer restauriert Musikinstrumente von Holocaustüberlebenden und Opfern der Scho‘ah und gibt den Instrumenten wieder eine Stimme. Die Autoren Christa Roth und Titus Müller haben am Dienstag dazu in Berlin einen Roman unter dem Titel „Geigen der Hoffnung“ vorgestellt.
Moderatorin Tina Mendelsohn (links), Autor Titus Müller (verdeckt), Co-Autorin Christa Roth (Mitte) und Schauspielerin Iris Berben (rechts) bei der Vorstellung des Buches in der Karl-Marx-Buchhandlung in Berlin

Amnon Weinstein ist Geigenbauer, wie sein Vater Mosche Weinstein. Der kam 1938 von Polen ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina. In Tel Aviv gründete er seine Geigenbauerwerkstatt. Der Vater erhielt Instrumente von überlebenden Juden der Scho‘ah, die nach 1945 unter dem Eindruck des Erlebten nicht mehr auf den deutschen Geigen spielen wollten. Er restaurierte und sammelte die Instrumente. Auch sein Sohn, Amnon, sammelt weiter die Geigen und die mit ihnen verbundenen Geschichten des Holocausts. Amnon Weinstein nennt die Instrumentensammlung „Geigen der Hoffnung“ – „Violins of Hope“. Die historischen Instrumente erinnern in Konzerten und in Ausstellungen an die Leiden ihrer einstigen Besitzer.
Exemplarisch für die Schicksale vieler haben Titus Müller und Christa Roth die Geschichte von Amnon Weinstein mit einer fiktionalen Erzählung über die Brüder Marek und Stani nebeneinander gestellt. Am Dienstag haben die Autoren ihren Roman unter dem Titel „Geigen der Hoffnung“ in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt. Begleitet wurde die Vorstellung des Buches mit einer Lesung der Schauspielerin Iris Berben, die sich gegen Rassismus und für Israel engagiert. Berben ist 1968 erstmals nach Israel gereist, in einer Zeit, in der viele der Zeitzeugen noch lebten, und ist seitdem immer wieder in dem Land gewesen. Sie habe erlebt, dass deutsche Kultur und Musik teilweise zutiefst schmerzhaft für diese Menschen gewesen sei, sagte die Künstlerin.
Während ihrer Schulzeit habe über den Holocaust eine „Sprachlosigkeit“ geherrscht. „Die Gespräche und Erlebnisse mit den Holocaustüberlebenden, die ich dort erlebt habe, ist mein Geschichtsunterricht gewesen, den ich dort bekommen habe und der mich begleitet“, sagte Berben. Sie habe in Israel gelernt, dass es Menschen gebe, die bereit seien zu differenzieren und zu verzeihen. „Ich empfinde es als ein großes Glück, dass ich diese Menschen treffen konnte und dadurch ein Bild habe, eine Verantwortung, von der ich finde, dass sie sehr natürlich ist, dass man sie haben sollte.“
Die Dokumentation aus der Feder von Christa Roth über das Leben von Amnon Weinstein und seiner Familie hebt sich typografisch von der Erzählung über die Brüder Marek und Stani von Autor Titus Müller ab. Die Geschichte der Brüder, die in der Geschichte ins KZ Dachau deportiert werden und die Hölle überleben, auch weil sie Musiker sind, nimmt rund zwei Drittel des Buches ein und beruht größtenteils auf Tatsachen: „Den Häftling Nummer 95101 gab es wirklich. Der hieß aber eigentlich Abraham Mertschinski und hatte nicht einen Bruder, sondern zwei, mit denen er von Lodz nach Dachau kam“, erklärte Müller auf Anfrage von Israelnetz. „Es gibt diese Geige von ihm, die wird von Amnon Weinstein restauriert, und es gibt ihn und er war wirklich in Dachau. Ein Freund, dem er nach dem Krieg die Geige geschenkt hat, sagt, er habe die Geige wirklich im Lager gespielt.“

Authentische Handlung

Was im Buch erzählt wird an Lagergegebenheiten, darüber, welche Musik gespielt wird, wie der Tagesablauf war, einzelne Musiker, die Müller in Szenen in die Geschichte einbindet, sind den Überlieferungen und Recherchen zufolge authentisch. Weil der Autor jedoch für die verschiendenen Begebenheiten nicht garantieren kann, hat er die Namen der beiden Hauptprotagonisten verändert. „Dadurch kann ich auch erzählen und die kargen Fakten mit Leben füllen“, sagt Müller. „Ich musste meistens die Emotionen ergänzen und mich hinein fühlen.“ Der Historiker hat dazu in Dachau und in Archiven recherchiert, Tagebuchaufzeichungen anderer KZ-Häftlinge und Berichte von Überlebenden ausgewertet. „Ich habe soviel gelesen, dass ich nachts geträumt habe, ich wäre im KZ und würde versuchen, zu entkommen. Das war eine bedrückende Zeit für mich.“
Für den dokumentarischen Teil war Co-Autorin Christa Roth mehrfach bei Amnon Weinstein in Tel Aviv und ging vor Ort den Geschichten der Geigen nach. Roth hat in Israel gelebt und dort als Journalistin gearbeitet.
Müller ist der Auffassung, dass Musik für die Völkerverständigung einen Beitrag leisten kann. Das gelte für das Verhältnis zwischen Deutschen und Israelis genau wie für Israelis und Palästinernser. „Ich glaube, dass Musiker besser über Grenzen hinwegschauen können, weil die Musik eine Sprache ist, die alle sprechen. Die gleichen Töne rühren alle Menschen an, unabhängig von der Sprache, die sprechen.“
„Versöhnung ist das, nach dem wir alle lechtzen“, sagt Müller, dessen Buch in Deutschland vorgestellt wurde, während in Israel Jom Kippur gefeiert wurde. „Es ist das, was diese Erde und wir untereinander als Menschen dringend brauchen. Untereinander, aber auch mit Gott.“ (nob)

Titus Müller, Christa Roth: „Geigen der Hoffnung“, adeo, 208 Seiten, 17,99 EUR, ISBN 9783863341176

„Violinen der Hoffnung“ in Berlin (inn)
Der instrumentale Klang des Holocaust (inn)
Iris Berben: Jerusalem als Gefühl (inn)

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