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Gedanken am Rande

Die Rückfahrt von Berlin ist entspannt. Das Thema ist „im Kasten“, wie es locker in der Journalistensprache heißt. Ein Exklusiv-Interview mit dem Botschafter Yaakov Hadas-Handelsman, dem Vertreter des Staates Israel in Deutschland. Es war ein angenehmes Gespräch in offener Atmosphäre, so würde es im diplomatischen Protokoll lauten.
Israels Botschaft in der Auguste-Viktoria-Straße in Berlin

Es war wirklich eine wertvolle Begegnung mit interessanten Antworten und tiefgehenden Anmerkungen des Botschafters. Spannend, was er zur aktuellen Lage im Nahen Osten sagte. Des Nachdenkens wert, was er zum Verhältnis Deutschland-Israel erklärte.
Ich gebe meinen Gedanken Raum, jetzt bei der Rückfahrt im Auto. Wir schreiben Mai 2013. Der Staat Israel wurde vor 65 Jahren, im Mai 1948, gegründet. Ein Jahr darauf, im Mai 1949, entstand aus den drei Westzonen die Bundesrepublik Deutschland. Im Oktober 1949 gründete sich in der Ostzone die Deutsche Demokratische Republik. In der deutschen Hauptstadt Berlin zeichnete sich damals schon die Teilung ab, die 1961 endgültig im wahrsten Sinne des Wortes zementiert wurde. Westberlin nannte sich fortan selbstbewusst der „freie Teil Berlins“; aus Ostberlin war die „Hauptstadt der DDR“ geworden.

Botschaft Israels in der alten Reichshauptstadt

Die trennende Mauer ist längst gefallen. Berlin ist die Hauptstadt eines wieder vereinten Deutschlands und in diesem Berlin gibt es eine israelische Botschaft. Das ist irgendwie normal. Viele Staaten haben eine Botschaft an der Spree. Und doch: Eine offizielle israelische Vertretung in der deutschen Hauptstadt. Hier war der Plan einer „Endlösung der Judenfrage“ entstanden. Noch mehr: Von Berlin aus wurde der Mordplan in die Tat umgesetzt: die Vernichtung des jüdischen Volkes. Gerade vor 70 Jahren lief die Mordmaschinerie auf Hochtouren, rollten die Züge aus vielen Städten Europas in die Lager. Mich schaudert. Vor meinem Auge wollen Bilder und Filmfetzen hochkommen: Schoah – das Grauen! Der Botschafter hatte im Gespräch mehrmals darauf Bezug genommen. Nicht als Vorbehalt, nicht als Keule, wohl aber als Bleibendes zwischen dem deutschen und dem jüdischen Volk und als Mahnung für alle Zeiten. Ja, jede neue Generation steht in einer Tradition. Jede Gegenwart kommt aus einer Geschichte, aus Zusammenhängen, für die wir heute nicht verantwortlich sind und die wir doch nicht ausblenden können. Jetzt residiert ein israelischer Botschafter nur wenige Kilometer von jener Wannsee-Villa entfernt, wo die deutschen Schreibtisch-Mörder ihren Vernichtungsplan beschlossen.
Freilich, auch das kommt mir noch in den Sinn: Berlin war die Hauptstadt Preußens. Lange Zeit herrschte gerade in Preußen der Geist der Aufklärung. Aus Berlin stammen Edikte über Toleranz, die hugenottischen und jüdischen Flüchtlingen Niederlassungsrechte und Freiheiten einräumten. Berlin war ein Ort friedlichen und gedeihlichen Zusammenlebens verschiedener Kulturen, Religionen und Völkerschaften, wo jeder „nach seiner Façon selig werden“ konnte. Eigentlich fehlt für diese Zeit der Berliner Geschichte ein Denkmal, fällt mir ein.

Ostberlin ging und Israels Vertretung kam

Und auch diese Gedanken blitzen auf. So selbstverständlich wie heute eine Botschaft Israels in Berlin steht, war das für das damalige Ostberlin nicht. Jene „Deutsche Demokratie“ die von Staats wegen den Hitlerkrieg und den Holocaust allein im Westen verortete, war keineswegs an der Seite Israels zu finden. Im vorauseilenden Gehorsam gegenüber Moskau und mit deutscher Gründlichkeit widmeten sich die Ostberliner Genossen dem Antizionismus. Als einer, der dort aufgewachsen ist, in diesem Staat die allgegenwärtige Propaganda vor Augen hatte, kenne ich die hasserfüllten Parolen. Der systemkritische Filmemacher Konrad Weiß schrieb im Rückblick: „Damals begriff ich, dass der Antizionismus der Realsozialisten in Wahrheit Antisemitismus war. Schlimmer noch, ich musste erkennen, dass sich die DDR durch ihr Schweigen über alles Jüdische und durch ihren Hass gegen Israel zum Vollender des Holocausts machte: Ein jüdisches Volk, einen jüdischen Staat, jüdische Tradition und Kultur, jüdisches Leben sollte es nach dem Willen der Realsozialisten nicht geben.“ Ein DDR-Gedicht aus dem Jahre 1967: „O Israel! Du hast das Schwert geschliffen und deine Söhne Raub und Mord gelehrt, und dreist von fremdem Land Besitz ergriffen und fremde Taschen wie ein Dieb geleert. Die Völker dulden keine Sklavenketten. O hüte dich vor neuem Friedensbruch, denn kein Jehova wird dich dann erretten vor der Vergeltung strengem Richterspruch!“
In christlichen Kreisen regten sich Aufbegehren und Widerspruch. Geprägt von Bibelworten und Bibellehrern kamen auch mir Fragen und wuchsen Antworten, andere Antworten als die vom Staat vorgegebenen. In kleinen Kreisen hielt ich in den siebziger Jahren erste „Israel-Vorträge“. Wer hätte sich eine israelische Botschaft in Berlin vorstellen können? In einem „Arbeitskreis Stern und Taube“ fanden sich damals in Sachsen eher konspirativ eine Handvoll Israelfreunde. Geheim blieb nichts. Meine Stasi-Akte hat alles sorgfältig bewahrt. In Berlin steht eine Botschaft des Staates Israel. Berlin ist eines der beliebtesten europäischen Reiseziele vor allem junger Israelis. Das alles ist normal – und gut. Es ist die Aufgabe der heutigen Generation, dass vor dem Hintergrund der dramatischen Geschichte und neuer Feindschaft gegen Israel die Normalität verteidigt und verstärkt wird.
Längst stehe ich auf einem Parkplatz und spreche die ersten Sätze dieser Gedanken in mein Aufnahmegerät. Eigentlich könnten die für den Israelreport bearbeitet, ergänzt und da abgedruckt werden.
Das Interview mit Israels Botschafter Yaakov Hadas-Handelsman finden Sie hier: http://www.israelnetz.com/aussenpolitik/detailansicht/aktuell/nur-die-starken-ueberleben/#.Ue53TmTAW3p und im aktuellen Israelreport. Kostenlos zu bestellen unter http://www.israelnetz.com/israelreport/israelreport-bestellen/#.Ue53dWTAW3o

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