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Gaza nach dem Rückzug: „Wie Bagdad nach dem Sturz von Saddam“

„Können Sie mir sagen, was nach dem Rückzug aus Gaza geschehen wird?“ Diese Frage wurde Ex-US-Botschafter Martin Indyk nicht nur von Journalisten gestellt, sondern auch von hohen Entscheidungsträgern der israelischen Regierung. Seine kurze, umfassende und alles sagende Antwort: „Darauf hat niemand eine Antwort!“ – Was natürlich niemanden davon abhält, darüber zu spekulieren. Und deshalb ist eben doch nicht alles gesagt zu dieser Frage.

Als einer der führenden amerikanischen Experten für den arabisch-israelischen Konflikt bemüht sich der „Think Tank“-Direktor um eine Analyse und fasst zusammen, was aus seiner Sicht klar erscheint: Die radikal-islamische, militante Hamas-Bewegung wird einen Sieg feiern. Den Beteuerungen des Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas, Chaos, Anarchie und Plünderungen mit Weisheit und Entschlossenheit verhindern zu wollen, begegnet Indyk skeptisch: „Die PA hat überhaupt nicht die Fähigkeit, die Lage zu kontrollieren. Vermutlich wird eine Situation wie in Bagdad nach dem Sturz von Saddam Hussein entstehen.“

„Sind die Amerikaner verrückt?!“, erwidert darauf Siedlerführer Eljakim HaEtzni aus Kirijat Arba bei Hebron. „Warum wollen sie eine Situation wie in Bagdad, mit 20 bis 50 Toten täglich, im Land Israel? Die Amerikaner sollten sich eher fragen, wie sie aus dem Chaos herauskommen!“ HaEtzni hält den israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen, den Indyk zur politischen Notwendigkeit erklärt, für einen Fehler, der Israel teuer zu stehen kommen wird.

„Die Palästinenser scheinen das organisierte Chaos zu lieben“, sinniert Martin Indyk und greift zu einem Bild, das vielen Beobachtern noch lebhaft vor Augen steht: „Es wird wie bei Arafats Beerdigung sein. Jeder fragte sich, wie soll das nur gehen. Aber letztendlich war er dann doch unter der Erde.“ – „Fragt sich nur, wer bei diesem Prozess letztendlich unter die Erde kommt“, kommentiert der alte Jecke HaEtzni bitter.

In den Palästinensergebieten haben heute bewaffnete Schmugglerbanden, Warlords und Sicherheitschefs mehr Macht als die Palästinensische Autonomiebehörde. Darin sind sich alle Beobachter einig. Deshalb warnt der Leiter des militärischen Nachrichtendienstes der israelischen Armee, Generalmajor Aharon Se´evi Farkasch, dass der Terror bald nach dem Rückzug wieder zunehmen werde, „wenn der Friedensprozess nicht weitergeht“. Der Ex-Diplomat Indyk und Siedlerführer HaEtzni stimmen darin überein: Der Rückzug aus dem Gazastreifen ist nur ein Präzedenzfall, ein Vorspiel. Das eigentliche Schauspiel sollte ein vollkommener Rückzug Israels aus allen 1967 eroberten Gebieten sein.

Der israelische Premierminister Ariel Scharon wird indes nicht müde, zu betonen, dass es nach dem Rückzug keinen weiteren politischen Prozess geben werde, sollten die Palästinenser nicht ihren Sicherheitsverpflichtungen nachkommen. Bislang haben die Palästinenser nichts unternommen, die Organisationen, die sich die Vernichtung des Staates Israel auf die Fahnen geschrieben haben, zu zerschlagen oder wenigstens zu entwaffnen – ob aus Unwillen oder Unvermögen sei dahingestellt.

Wenn sich das auf palästinensischer Seite nicht ändert und Scharon zu seinem Wort steht, ist es nur eine Frage der Zeit, wann der israelisch-palästinensische Zermürbungskrieg von neuem beginnt. Mit einem Rückzug der israelischen Armee aus Gaza wurden die Karten zweifellos neu gemischt, neue Vorzeichen für den weiteren Verlauf der israelisch-palästinensischen Beziehungen geschaffen. Wie sich das konkret auf einen bewaffneten Konflikt auswirken wird, bleibt abzuwarten.

(Foto: Johannes Gerloff)

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