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Fundstück: Henryk M. Broder über das „Zaubern mit Goethe“

Das Goethe-Institut betreibt nach eigenen Angaben 141 Filialen in 77 Ländern, davon befinden sich 125 Institute im Ausland und 16 in Deutschland – so weit, so gut. Nur ein Blick auf die Internetseite des Goethe-Instituts offenbart: Tel Aviv und Jerusalem gehören nicht zur Region „Naher Osten“ – im Gegensatz zur Autonomiestadt Ramallah. Das schreibt der bekannte Journalist und Autor Henryk M. Broder auf seiner Internetseite.

„Erkunden Sie unser Netzwerk aus 125 Instituten in 76 Ländern“, lautet ein Button auf der Internetseite des Goethe-Instituts. Dann werden die ausländischen Vertretungen und Büros in „Regionen“ und „Städten“ aufgelistet. Ein Klick auf „Regionen“, und schon findet sich auch der „Nahe Osten“. Der Klick jedoch offenbart: In der Region „Naher Osten liegen die Goethe-Anstalten der Städte Amman, Beirut, Damaskus, Kairo, Alexandria – und Ramallah.

Doch: Gibt es nicht auch Dichter und Denker-Institute in Tel Aviv und Jerusalem? Und liegen denn beide Städte nicht im „Nahen Osten“? Nein, nicht, wenn es nach dem Goethe-Institut geht. Denn erst der Klick auf den Button „Östliches Mittelmeer“ offenbart: Die israelischen Städte Jerusalem und Tel Aviv befinden sich nicht in der Region, in der auch Ramallah liegt, sondern zusammen mit Ankara, Athen, Istanbul, Izmir und Thessaloniki eben östlich vom Mittelmeer.

Henryk M. Broder hat eine kluge Begründung für die eigenwillige Regionen-Einteilung der Goethe-Institute: „So hat Goethe Israel aus dem Nahen Osten weggezaubert, wie ein albanischer Hütchenspieler die Kugel verschwinden läßt. Eben war sie noch da, schon ist sie weg. Dabei hat Goethe nichts gegen Israel an sich, nur den lieben arabischen Freunden zuliebe hat man sich was einfallen lassen.

Denn die fühlen sich durch das ‚zionistische Gebilde‘ noch immer furchtbar provoziert. Man muß sich das so vorstellen: Ein Fellache im Nildelta wacht morgens auf, geht als erstes an seinen Computer, um zu sehen, was es in seiner Region Neues gibt und landet versehentlich statt bei Goethe in Alexandria bei Goethe in Tel Aviv. Und schon ist ihm der Tag verdorben, denn er wurde wieder daran erinnert, daß die Zionisten Palästina noch immer besetzt halten. Daraufhin wird er furchtbar wütend, schmeißt alles hin und geht auf die Straße, um zu demonstrieren. Und das wäre nicht gut, denn es würde den Gedanken der Völkerfreundschaft, für den Goethe markenartikelmäßig da steht, gefährden.

Also ist es besser, wenn der Fellache morgens nicht wütend wird, keine Demonstration anfängt und statt dessen abends zu einem Vortrag bei Goethe kommt, über den Begriff der Toleranz in Lessings Werk oder die deutsch-jüdische Symbiose im 19. Jahrhundert. Das ist gut für ihn, gut für Goethe und irgendwie auch gut für Israel, das schon genug Ärger mit seinen palästinensischen Nachbarn hat.

So verbindet Goethe den Gedanken der traditionellen deutsch-arabischen Freundschaft mit dem Auftrag der besonderen deutschen Verantwortung für Israel. Die eine währt schon ewig und die andere bewährt sich täglich neu.“

Link: www.henryk-broder.com

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