Für die Toten in Israel wird es eng

JERUSALEM (inn) - In Tel Aviv zu sterben, ist kein Problem. Aber begraben lassen kann man sich nur in Holon, einer Stadt südlich der Metropole. Wenn man in Jerusalem stirbt, kann man sich wenigstens noch in einer Wand zur Ruhe betten lassen, vorausgesetzt man ist aschkenasischer Herkunft und kein Sepharde. Mit diesen Worten beschrieb ein israelischer Dichter die akute Platznot auf israelischen Friedhöfen.

Wie die Zeitung „Ha´aretz“ berichtet, haben sich aschkenasische Mitarbeiter der „Heiligen Gesellschaft“ – wie jüdische Begräbnisinstitute genannt werden – auf „moderne“ Begräbnismethoden besonnen, um Platz zu sparen. Sie stoßen jedoch oft auf Befremden bei den Angehörigen.

Vor allem auf den Friedhöfen für die aus Europa stammenden aschkenasischen Juden wird es so eng, dass sie sich auf gestapelte Begräbnisse in kleinen Hochhäusern besannen. Auf den Friedhöfen für die Sepharden, den ursprünglich 1492 aus Spanien vertriebenen und sonstigen orientalischen Juden, gibt es hingegen noch ausreichend Platz, um in die Erde gebettet zu werden.

Anders als bei Christen in Europa gibt es bei den Juden weder eine Feuerbestattung, noch dürfen Gräber jemals wieder angerührt und erneut benutzt werden. Ein jüdisches Grab muss bis in die Ewigkeit bestehen bleiben.

Bei einer Jerusalemer Begräbnisgesellschaft heißt es, dass die Aschkenasen trotz Platzmangel nicht diskriminiert würden. Wenn die Angehörigen auf einem normalen Begräbnis in der Erde bestehen, dann müssten sie allerdings akzeptieren, dass der Tote gemäß dem etwas anderen Ritus der Sepharden zur letzten Ruhe getragen wird. Eine Familie aus der Ukraine verweigerte das Begräbnis ihrer Großmutter in einer Wand, „die wie die Totenkammer eines Krankenhauses aussieht“, und war erstaunt über den ihr bisher unbekannten „einfühlsamen und emotionalen Ritus“ der Sepharden.

Wie „Ha´aretz“ berichtet, werde es in etwa anderthalb Jahren auch für die Sepharden in Jerusalem eng. Frühestens in zwei Jahren werde dem „Berg der Ruhe“ weiterer Boden hinzugefügt. Die Genehmigungsverfahren laufen noch. Künftig werden Gräber nur noch in die Höhe oder Tiefe angelegt werden können, sagte der Leiter von einer der 16 jüdischen Begräbnisanstalten in Jerusalem. „Der knappe Boden in Israel sollte eher den Lebendigen dienen und nicht nur den Toten.“

Uri Miller von der aschkenasischen „Beerdigungsgesellschaft Jerusalem“ erklärte den Unterschied zwischen einem aschkenasischen und einem sephardischen Begräbnis. Verschieden sei unter anderem der Gesang des Chasan, des Vorbeters, in den Melodien. Sepharden und Aschkenasen wählten zudem unterschiedliche Psalmverse aus, die während des ansonsten „identischen Begräbnisses im gleichen Grab und bei gleichen Gebräuchen“ ausgewählt werden, sagt Miller.

Einen weiteren Unterschied gebe es bei den „Stillhaltepunkten“ (Mamadot). Damit es nicht so aussieht, als wolle man den Toten in aller Eile unter die Erde bringen, hält die sephardische Totengesellschaft dreimal inne, um Gebete zu sprechen, während die Aschkenasen sieben Mal den Beerdigungszug unterbrechen.

Ganz entscheidend unterschiedlich sei jedoch das Verhalten der Trauernden, so Miller. Die Aschkenasen seien „sehr zurückhaltend, und bewahren ihren Schmerz im Bauch“. Die Sepharden jedoch „heulen laut und schreien“. Bei den Marokkanern sei es sogar üblich, professionelle Klagefrauen anzuheuern, die dann mit ihrem lauten Weinen und Jaulen die ganze Trauergesellschaft mitreißen.

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