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Friedenstaube geht ins Netz

„Israel loves Iran“ – Israel liebt den Iran. Das ist der Name einer Friedenskampagne im Internet. Initiiert hat diese Aktion im sozialen Netzwerk „Facebook“ der Tel Aviver Ronny Edry. Das Credo der Bewegung ist: „Iraner, wir werden niemals euer Land bombardieren. Wir lieben euch.“ Das war im März. Mittlerweile schließen sich immer mehr Facebook-Mitglieder der Friedensgruppe an und gründen selbst neue. Im Gespräch mit Israelnetz erklärt Edry, was hinter seiner Initiative steckt.
Mit diesem Foto begann alles: Ronny Edry und seine Tochter stehen für Frieden.

„Im Nahen Osten sprechen wir immer über Gewalt und Krieg. Man sollte taff sein, stark und bereit. Ich wollte einmal etwas anderes probieren“, erklärt der 41-jährige Ronny Edry. „‚Israel liebt den Iran’ sind keine einfachen Worte im Nahen Osten. Wir sprechen nicht über diese Art von Liebe, es gilt als dumm, kindisch.“
Alles begann Mitte März – zu der Zeit, als die Debatte über einen angeblich geplanten israelischen Angriff auf den Iran wieder laut wurde. Damals rief der Grafikdesigner Edry die Seite ins Leben und lud ein Foto von sich mit seiner Tochter auf dem Arm bei Facebook hoch. Darauf stand: „Iraner, wir werden niemals euer Land bombardieren. Wir lieben euch.“ Die Seite hat mittlerweile fast 90.000 Fans. „Jetzt bin ich wahrscheinlich der israelische Kerl mit den meisten iranischen Freunden auf Facebook“, lacht er.
Edry will die festgefahrenen Gedanken über diesen Konflikt verändern. „Der größte Teil der Inhalte in den Medien über den Nahen Osten sind schlechte Nachrichten, negative Bilder. Das einzige Bild, das ich in Tel Aviv vom Iran hatte, war ein Bild von Ahmadinedschad, der die Bombe baut. Das ist ein Bild des Krieges.“ Er vermutete, dass es den Menschen im Iran und weltweit ähnlich geht, wenn sie an Israel denken. „Sie assoziieren mit dem Land Soldaten, Panzer und Flugzeuge. Sie sehen nur die schlechten Bilder. Dann gibt es Krieg.“ Es passierten jedoch Tausende schöne Geschichten im Nahen Osten, von denen keiner wisse. „Für uns alle heißt das, um Frieden zu schaffen, müssen wir diese negativen Bilder mit positiven Bildern bekämpfen.“ Das klingt nach einem einfachen Konzept: Die Gesichter eines Landes, Familien und deren persönliche Geschichten präsentieren. Das ist ein anderer Kanon als der der Politik. „Die Regierung will nämlich, dass wir Israelis und die Iraner Feinde sind. ‚Israelis mögen keine Iranis’ – das ist deren Botschaft“, sagt der Vater von zwei Kindern. Grund dafür sei: „Sie wollen, dass wir Angst haben, denn dann fragen wir nicht nach anderen Problemen, die wir in Israel haben: soziale und wirtschaftliche Probleme. Diese Probleme machen mir nämlich wirklich Angst.“
Ist Friede über das Internet möglich?
Es ist kein einfaches Vorhaben, Frieden über das Internet zu erreichen – gerade in einem Gebiet, das keine Ruhe findet. Das maßt sich Edry auch nicht an: „Wir in Israel können in die meisten arabischen Länder nicht reisen. Uns ist es nicht erlaubt, nach Syrien, in den Libanon oder in den Iran zu fliegen. Jedoch kann ich mich über das Internet mit den Leuten treffen, mit ihnen reden und mit ihnen befreundet sein. Das ist ein guter Weg, um mit dem Frieden zu beginnen. Es bricht das Eis und schafft Kommunikation. Von diesem Standpunkt aus können wir etwas Größeres und Stärkeres gestalten und dies auch in der Wirklichkeit voran bringen.“
Das macht er auch. Er stellt sein Projekt auf internationalen Tagungen vor. In den ersten drei Oktoberwochen fuhren zudem 70 Busse durch Tel Aviv, die den Slogan „Wir lieben euch“ als Plakat trugen. So lernen auch Menschen die Botschaft kennen, die kein Facebook nutzen. Das Geld für diese Aktion wurde in einer Online-Spendenaktion gesammelt.
Auf der Facebook-Seite kann jeder Nutzer in den Dialog mit Leuten auf der ganzen Welt treten, politisch diskutieren, Fotos von sich hochladen und Kommentare schreiben. Das kann Hoffnung machen, inspirieren und Vorurteile abbauen. Es gibt aber auch negative Resonanz. Der Initiator erklärt: „Das kommt ganz automatisch, wenn es um diese Region geht. Dort sind Menschen, die über Frieden reden, und es gibt Leute, die davon nichts hören wollen.“ Konkret sehen die Angriffe so aus: „Oft kommen Leute auf die Seite, die versuchen, die Worte zu sabotieren, sie äußern sich antisemitisch oder rassistisch, veröffentlichen Bilder von toten Menschen. Da diskutiere ich nicht. Die richtig schlimmen Beiträge löschen wir sofort.“ Edry sieht in diesen Vorstößen auch etwas Positives: „Wenn sie sich die Zeit dafür nehmen, dorthin zu kommen, wo Leute über Frieden und Krieg reden, ist das ein Zeichen, dass die Aktion funktioniert.“
Es gibt Personen, die Edry als naiv oder dumm bezeichnen. Dazu sagt er: „Ich war in der Armee als Fallschirmjäger. Ich kenne Militär-Szenarien. Für mich ist der friedliche Weg der, den wir gehen müssen. Weil ich weiß, wie die andere Option, die der Gewalt, aussieht.“ Er wäre froh, wenn diese nicht passiert. „Wenn der Preis dafür ist, naiv genannt zu werden, dann ist das in Ordnung für mich.“
Mittlerweile läuft im Internet eine Petition zur Nominierung von Edry und seiner Frau, Michal Tamir, für den Friedensnobelpreis. Gestartet hat diese Aktion die im Ausland lebende Iranerin Roya Mobasheri.
„Palästina liebt Israel“
Im Rahmen dieser virtuellen Friedensbewegung starten weitere Seiten. Die Begründerin des palästinensischen Pendants – „Palestine loves Israel“ (Palästina liebt Israel) – nennt sich Joujou, ist Deutsch-Palästinenserin und 30 Jahre alt. Sie wohnt in München. Ihre Familie stammt aus Haifa und ist 1948 in den Libanon geflohen. Joujou will anonym bleiben, weil sie von Anfang an viele Droh-Nachrichten auf Facebook bekommen hat. „95 Prozent der Zuschriften sind positives Feedback. Die fünf Prozent negatives, die sind richtig heftig. Ich hätte allerdings mit mehr Gegenwind gerechnet“, erklärt sie gegenüber Israelnetz. Auf die Frage, ob sie in Deutschland nicht zu weit weg ist, um die Geschehnisse im Nahen Osten beurteilen zu können, sagt sie: „Gerade der räumliche und auch der mediale Abstand zu der ganzen Region bietet ein objektiveres Bild.“
Die Deutsch-Palästinenserin initiierte ihre Seite nur wenige Tage, nachdem Edry mit „Israel loves Iran“ an den Start ging. „Dieser Konflikt zwischen Israel und dem Iran hängt in weiten Teilen mit dem Palästina-Konflikt zusammen. Meiner Meinung nach ist der Dreh- und Angelpunkt des Ganzen der israelisch-arabische Konflikt.“
Joujou veröffentlicht Bilder und Texte mit dem Fokus auf Freundschaft und eine positive Grundhaltung. „Ich weiß genau, dass eine Freundschaft zwischen Israelis und Palästinensern möglich ist und tatsächlich auch stattfindet“, sagt sie und führt als Beispiel das Dorf Neveh Schalom beziehungsweise Wahat el-Salam, die „Oase des Friedens“, an, das zwischen Jerusalem und Tel Aviv liegt. Dort leben beide Parteien gemeinsam in Frieden.
Das Trauma des Anderen verstehen – ohne Schuldzuweisungen
Die Initiatorin weiß: „Viele Menschen haben durch diese Kampagnen großen Mut geschöpft. Dieser Mut ist der erste Schritt. Der nächste Schritt ist, dass wir ins Gespräch kommen. Dazu ist es aber notwendig, dass die Menschen einander wirklich zuhören und offen sind für die Nöte und Ängste des Anderen, die Wurzel dieses Konflikts. Das heißt, dass Araber verstehen, worin das israelische Trauma besteht und auch die Ängste Israels verstehen und dass die Israelis verstehen, worin das arabische Trauma liegt – und zwar ohne Schuldzuweisungen und ‚Wir haben mehr gelitten‘ und ‚Ihr seid die Bösen‘. Das hat uns 60 Jahre lang nicht weitergebracht!“
Diese positiven Erfahrungen hat die Deutsch-Palästinenserin selbst gemacht. Sie führte und führt einen intensiven Dialog mit der Israelin Michal Tamir, der Frau von Ronny Edry. Diesen hat sie auch auf der Seite veröffentlicht. „Ich habe selbst so viel über mich gelernt, über den ganzen Konflikt, über Israel, auch Dinge, die mir als Nicht-Jüdin überhaupt nicht so klar waren.“ Sie betrachtet diese Gespräche als „eines der wichtigsten Dinge“, die ihr in letzter Zeit passiert sind.
Schon oft sei es vorgekommen, dass Menschen durch diese Aktion ihre Meinung geändert und begriffen haben, worum es auf der Seite geht, erläutert Joujou. „Es gab einen Iraker, der wirklich extrem hasserfüllt rüberkam, sich vollkommen israelfeindlich geäußert hat. Es waren unglaublich herzliche User auf der Seite, auch viele Israelis, die ihn sehr liebevoll angenommen haben und ihm erklärt haben: ‚Hey, es tut uns so leid, dass du diese Angst hast, dass es dir so schlecht geht.‘ Sie haben ihm sehr viel Liebe entgegen gebracht, ihn virtuell in die Arme genommen und großes Verständnis gezeigt.“ Am Ende sagte er nach Joujous Angaben: „Gegen Juden habe ich ja gar nichts und vielleicht kann ich auch irgendwann mal an den Punkt kommen und sagen ‚I love Israel‘.“
Den Bericht „Friedenstaube geht ins Netz“ finden Sie auch in der Ausgabe 5/2012 des „Israelreport“. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915151 oder via E-Mail an info@israelnetz.com oder online unter www.israelnetz.com.

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