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Foppte Al-Qaida den Vatikan?

Der gewaltsame Tod des Franziskaners François Murad (49) im Norden Syriens hat weltweite Erschütterung ausgelöst, seitdem im Internet ein Video mit grausamen Nahaufnahmen seiner vermeintlichen Enthauptung mit einem Küchenmesser verbreitet worden ist. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass nicht nur der Vatikan, sondern auch angesehene Zeitungen von Al-Qaida oder vom Propaganda-Apparat der syrischen Regierung gefoppt worden sind.
Der Vatikan ist offenbar der Propaganda des Terrornetzwerks Al-Qaida auf den Leim gegangen.

Soweit sich das durch weitergehende Recherchen belegen lässt, können folgende Fakten festgestellt werden:
Bei YouTube wurde am 28. Juni ein Video mit Szenen einer grausamen Hinrichtung hochgeladen. Es ist in schlechter Qualität mit einem Handy aufgenommen worden. Zu sehen ist ein bärtiger Mann, wie er im Beisein jubelnder Männer mit einem Messer zwei gefesselten im Gras knienden Männern die Köpfe abschneidet. Viele der Anwesenden filmen das Geschehen und rufen „Allah ist der Größte“. Die beiden Hingerichteten seien ein katholischer Priester und ein Bischof, heißt es im beigefügten Text. Die Szene sei in der Gegend von Idlib aufgenommen worden und zeige den Tod des Priesters Murad, der mit der syrischen Armee und Regierung kooperiert habe.
Der Film wurde von „Fides“, einer Nachrichtenagentur des Vatikans, verlinkt, mitsamt einer Bestätigung des Heiligen Stuhls.
Entsprechend haben der „Münchner Merkur“, die „Bild“-Zeitung und internationale Medien die Nachricht der Enthauptung verbreitet – mit Titeln wie „Dieser Mann wurde geköpft, weil er Christ war“ oder „Wenn Kopf abhacken zum Geschäft von NATO Staaten gehört: Der Mord an dem Bischof François Murad in Syrien“. Amerikanische Kongressabgeordnete nutzten den Film bereits zu Kritik an US-Präsident Barack Obama wegen seiner Unterstützung der Rebellen in Syrien.

Menschenrechtler äußern Zweifel

Bei der amerikanischen Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ (HRW) kamen trotz der Bestätigung des Vatikans Zweifel an der Echtheit des Films auf. Eine Analyse habe ergeben, dass die Landschaft im Hintergrund keinesfalls zu der Gegend von Ghassanijah passe, wo nach Angaben des Vatikans Kämpfer der radikalen Dschubhat al-Nusra-Front am 23. Juni ein Kloster attackiert und geplündert hätten. In dem Konvent habe Murad mit anderen Priestern und Nonnen Zuflucht gefunden. Er sei getötet worden, wobei „die Umstände seines Todes nicht vollständig verstanden worden“ seien, heißt es in einer Mitteilung des Vatikans.
Nach Angaben von HRW entsprächen die Topografie und die im Film sichtbaren Gebäude eher dem Dorf Maschdad Ruhin, 120 Kilometer von Ghassanijah entfernt. Auffällig sei ein viereckiger Wasserturm, der nur in Maschdad Ruhin stehe. Weiter bemerkten die Forscher von HRW, dass die Männer dicke Jacken trügen und dass die Vegetation grün sei. Das passe nicht zu den sommerlichen Temperaturen Ende Juni, sondern deute eher auf den Frühling. Obgleich das Video erst jetzt veröffentlicht worden ist, zeige es wohl eher die Hinrichtung von Waffenschmugglern. Die Täter seien in Maschdad Ruhin stationierte ausländische Kämpfer, vermutlich aus Tschetschenien oder Dagestan. Die arabische Presse habe im April über eine Hinrichtung in Maschdad Ruhin berichtet.
Weiter heißt es, man könne russische Worte in dem Film hören. Peter N. Bouckaert, „Notfall-Direktor“ bei HRW, sagte zur britischen Zeitung „International Business Times“: „Die Mörder sind Teil der Al-Muhadschireen-al-Ansar-Brigade unter dem Befehl des Tschetschenen Abu Omar al-Schescheni.“ Manche Quellen hätten zudem den Mann mit dem mächtigen Bart, der das Todesurteil verkündet und die Hinrichtung mit einem armlangen Küchenmesser durchführt habe, als einen Extremisten aus Dagestan namens Abu al-Bannat (Arabisch für „Vater der Töchter“) identifiziert. In der Menge könnte auch der bekannte tschetschenische Kommandeur Abu Omar al-Schescheni gestanden haben. Er sei der Befehlshaber der Kämpfertruppe Al-Muhadschireen al-Ansar, der überwiegend Ausländer angehören.

Franziskaner dementieren

Während der Vatikan in seinen Berichten daran festhält, dass der Priester Murad von syrischen Rebellen oder Kämpfern der Al-Qaida grausam geköpft worden sei, veröffentlichte der franziskanische Kustos im Heiligen Land, Pierbattista Pizzaballa, ein „energisches Dementi“. Murad sei erschossen worden, als Rebellen ein Kloster der Kustodie gestürmt hätten. „Sein Leichnam ist intakt“, heißt es in einer Mitteilung der Kustodie in Jerusalem, der auch Murad unterstanden habe. Pizzaballa rief bei der Gelegenheit zum Gebet für ein „baldiges Ende dieses absurden und beschämenden Krieges“ auf, in dem die USA und andere Länder die Rebellen gegen den syrischen Präsidenten Baschar Assad unterstützen. Der Kustos sagte: „Leider ist Syrien zu einem Schlachtfeld nicht nur zwischen syrischen Streitkräften, sondern auch zwischen arabischen Staaten und der internationalen Gemeinschaft geworden.”
Nicht zum ersten Mal solidarisieren sich Sprecher des Vatikans, syrische Bischöfe und jetzt auch der franziskanische Hüter der christlichen Stätten im Heiligen Land mit dem syrischen Präsidenten Baschar Assad.
Widersprüchlich und wohl politisch motiviert sind auch die Angaben zur Identität jener, die das grausige Video im Internet veröffentlicht haben. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa behauptet, dass Al-Qaida den Film bei YouTube hochgeladen habe, „um die Christen zu terrorisieren“. HRW hingegen ist sich gewiss, dass der syrische Propaganda-Apparat das Filmmaterial benutzt habe, um Stimmung gegen die vom Westen unterstützten Rebellen zu machen.
Der einzige gesicherte Fakt ist offenbar nur, dass Rebellen in Syrien einen katholischen Priester ermordet haben, der am Montag in Aleppo begraben worden sei.

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