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Festfreude und bittere Armut

„Du sollst fröhlich sein vor dem Herrn, deinem Gott!“ – Das ist weder Feststellung noch Empfehlung, sondern ein Auftrag, den Gott seinem Volk zum Laubhüttenfest (3. Mose 23,40) gegeben hat. Neben dem Bau der Laubhütten und dem „Blumenstrauß“ aus Palmzweig, Weidenzweig, Myrtenzweig und Zitrusfrucht ist die Freude das Gebot dieser Festtage, das nach jüdischer Tradition unbedingt befolgt werden muss.

Aber wie soll man sich freuen, wenn alles dagegen spricht? – Im israelischen Sozialministerium spricht man von einer Million Familien unter der Armutsgrenze und 650.000 Kindern, die Hunger kennen, der nicht gestillt werden kann. Ähnliche Zahlen kursieren im Blick auf die israelischen Rentner. Oft ist es nicht die Angst vor Anschlägen, die Menschen in Israel plagt, sondern die Sorge, wie die nächste Miete, die kommende Strom-, Gas- oder Wasserrechnung zu bezahlen ist, manchmal auch um das tägliche Brot.

„Du sollst fröhlich sein an deinem Fest, du und dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, der Levit, der Fremdling, die Waise und die Witwe, die in deiner Stadt leben!“ (5. Mose 16,14). „Was alle diese Personen miteinander verbindet“, erklärt mir Rabbi Ja´akov Joulus, „ist die Tatsache, dass sie auf ‚dich‘ angewiesen sind. Ich bin mit verantwortlich dafür, dass sich jeder an Sukkot wirklich freuen kann.“

Deshalb engagiert sich der Pensionär, der aus einer alten Rabbinerfamilie stammt, in der Hilfsorganisation „Hineni“ für Terror-Opfer und Drogenabhängige. „Hineni“ bietet in einer Suppenküche nicht nur Nahrung für den Leib, sondern durch biblischen Unterricht Nahrung für den Geist. „Hineni“ heißt übersetzt „Hier bin ich!“ Um mir zu erklären, was das konkret bedeutet, verfällt „Reb Jenkele“ aus dem Hebräischen in seine Muttersprache Jiddisch: „Ich steh oif meine Spitzfinger, bereit zu ton alles for dir, mein Gott!“

Rabbi Ascher Freund hatte die Armut seiner Volksgenossen ebenfalls als persönliche Herausforderung begriffen. Vor 60 Jahren zog er am Ende eines jeden Tages von Kaufladen zu Kaufladen und hat um die verderblichen Reste gebeten, die im Laufe des Tages nicht verkauft werden konnten. Das Erbettelte verteilte er dann noch am Abend persönlich an bedürftige Familien. Vor einem Jahr ist er im hohen Alter von 93 Jahren gestorben.

Heute gehört Lea Farkasch zu denen, die im Rahmen der Organisation „Jad Esra“ („eine Hand zur Hilfe“) ausstrecken und das Vermächtnis von Rabbi Ascher verwalten. „Jad Esra“ unterhält eine Sonderschule, mehrere Zahnkliniken und bietet Behinderten und Armen Unterkunft und Arbeit. Die Organisation lädt Hungrige in ihre Suppenküchen ein, richtet 500 Hochzeiten pro Jahr aus, ermöglicht Tausenden von Müttern eine Kur und Witwen und Waisen zinsfreie Kredite.

„Lebensfreude ist eines der grundlegenden Ziele Gottes für unser Leben“, erklärt mir die ultra-orthodoxe Lea, die schwarz gekleidet die Hitze des orientalischen Spätsommers erträgt. Die Laubhütte ist ein Zeichen dafür, dass Gott sein Volk wie einst in der Wüste mit allem versorgt, was es braucht. Orthodoxe Juden haben begriffen, dass das göttliche Gebot der Festfreude eine konkrete Herausforderung zur Nächstenliebe bedeutet.

Das Laubhüttenfest beginnt in diesem Jahr am Abend des 29. September.

(Bild: Johannes Gerloff)

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