Suche
Close this search box.

Ex-Botschafter Dressler kritisiert Gabriel

HEBRON (inn) - Die Äußerungen des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel über Hebron stoßen nun auch in seiner eigenen Partei auf Kritik. Der frühere deutsche Botschafter in Israel, Rudolf Dressler, rügte den Vergleich zwischen dem südafrikanischen Apartheid-Regime und dem Staat Israel.

Der SPD-Politiker Dressler sagte der Tageszeitung "Die Welt": "Es geht nicht, als Deutscher das Apartheid-Regime in Südafrika gegenüber Israel in einen Vergleich zu zwingen." Gabriel hatte nach einem Besuch in Hebron auf seiner Facebook-Seite geschrieben: "Ich war gerade in Hebron. Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt."

Infolge der scharfen Kritik hatte der SPD-Vorsitzende seine Bemerkung erläutert: "Die Situation für die Palästinenser in Hebron ist in der Tat schrecklich. Faktisch werden ihnen elementare Bürgerrechte vorenthalten. Ich kann wirklich nur jedem empfehlen, dort mal hinzufahren und sich von den internationalen Beobachtern führen zu lassen. Auch Soldaten der israelischen Armee, die wir dort getroffen haben, finden die Verhältnisse unerträglich."

Aus Dresslers Sicht hat der Parteivorsitzende die Bemerkung dadurch zurückgenommen: "Wenn Gabriel seine Äußerungen so gemeint hat, wie er sie anschließend erklärt hat, dann ist das in Ordnung, aber er hätte seine Gedanken von vornherein so formulieren sollen. Weil er es nicht getan hat, wird er mit der Kritik daran leben müssen – in der Hoffnung, dass ihm ein solcher Fehler nicht noch einmal passiert." Dressler war von 2000 bis 2005 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Tel Aviv.

Zentralrat mit Klarstellung nicht zufrieden

Kritik am SPD-Vorsitzenden kam auch aus dem Zentralrat der Juden in Deutschland. Deren Präsident Dieter Graumann sagte laut der Nachrichtenagentur dpa: "Was Gabriel hier geäußert hat, ist vollkommen verunglückt. Es sei ein moralisches Ungleichgewicht, einerseits Verhandlungen mit der radikal-islamischen Hamas zu fordern, die die Juden ausdrücklich weltweit vernichten wolle, und
gleichzeitig Israel als ‚Apartheid-Regime‘ zu verunglimpfen."

Gabriels Klarstellung auf Facebook ist aus Graumanns Sicht keine Korrektur, sondern eine "Verschlimmbesserung". Er fügte hinzu: "Wir empfinden Empathie mit dem Leid von allen Menschen in der Region. Herr Gabriel ist ein Mann mit großem Engagement, mit einem großen Herzen und großen Gefühlen. Gerade dafür schätze ich ihn sehr. Wenn er nach Hause kommt, sollte er aber mit kühlem Kopf seine unhaltbaren Äußerungen doch wieder klar zurecht rücken."

"Tagesspiegel"-Autorin widerspricht Gabriel

Unterdessen veröffentlichte der "Tagesspiegel" eine "Replik auf Sigmar Gabriel". Die Kölner Rechtsanwältin Stefanie Galla schildert in dem persönlichen Reisebericht ihre Eindrücke von einem Besuch in Hebron am 31. Dezember 2011. "Es ist sehr schwer, in Hebron einen neutralen Blick zu bewahren", ist sie sich der Komplexität der Lage in der Region bewusst. Doch die Situation in der von Juden und Arabern bewohnten Stadt im Westjordanland sei nicht so einseitig, wie der SPD-Vorsitzende sie darstelle.

Galla schreibt, dass sie sich das jüdische Wohngebiet von Hebron anhand der Medienberichterstattung viel größer vorgestellt habe. Konkret geht es in dem Artikel um Fangnetze, die arabische Bewohner der Altstadt gegen den Müll der jüdischen Nachbarn angebracht haben. Ein ortsansässiger Händler zeigte sie ihr. "Ich war erstaunt, wie kurz nur die Strecke ist, an der die Fangnetze angebracht sind. Ich dachte anhand der Berichte aus den Medien hier, das müssten mindestens fünf Kilometer sein. Es waren aber vermutlich nicht einmal hundert Meter. Vereinzelt lag Müll im Netz. Eine Dose, einige Tüten und das war es."

Weiter heißt es in dem Reisebericht der deutschen Juristin: "Weil die Grenze zwischen arabischem und jüdischem Viertel in der Altstadt so überschaubar ist, fragte ich mich, wie groß oder klein das jüdische Viertel überhaupt ist. Kurz vor der Altstadt hatte ich ein militärisch gesichertes Gebäude gesehen, das von beeindruckender Größe war. Hier begann das jüdische Viertel. Das waren nur einige hundert Meter von dem Punkt, an dem ich in der Altstadtgasse stand. Und nicht einmal genau so weit in die andere Richtung endet auch schon das Viertel der Israelis. Es erschien mir wie ein sehr kleines Areal."

Über ihre Erlebnisse im von Israelis bewohnten Stadtgebiet schreibt Galla: "Dort empfand ich es als sehr deprimierend. Die Straßen, welche aus dem Viertel führten, waren versperrt mit Mauern. Die ganze Grenze zum arabischen Teil ist abgesichert mit Mauern und Stacheldraht. An den wenigen Mauern, an denen es Durchgänge zum arabischen Teil der Stadt gab, hingen Schilder mit der Aufschrift: ‚Juden ist der Durchgang verboten.‘ Ghetto ist hier der falsche Begriff. Ein Ghetto schließt aus. Hier aber haben sich Juden eingeschlossen. Dennoch fällt mir kein anderer Begriff ein, der die Situation der Juden dort beschreiben könnte. Zumal der Einschluss nur bedingt freiwillig ist, da es in der Tat gefährlich für Juden ist, ihr Viertel zu verlassen."

Zum Abschluss ihrer Darstellung weist die Touristin darauf hin, dass Benjamin Netanjahu in seiner ersten Amtszeit als israelischer Premierminister die Stadt Hebron an die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben habe: "Für das jüdische Viertel sind die Israelis weiter zuständig. Die arabischen Teile von Hebron sind nicht mehr unter israelischer Kontrolle."

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen