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Erster Präsident der Islamischen Republik gestorben

In einem Pariser Krankenhaus stirbt relativ unbeachtet der erste Präsident der Islamischen Republik Iran. Der beliebte Interviewpartner westlicher Medien ist auch bei iranischen Oppositionellen sehr umstritten.
Bei einer Umfrage zu iranischen Führungspersönlichkeiten vor drei Jahren kam Banisadr gar nicht vor

PARIS (inn) – Abolhassan Banisadr war der erste Präsident des Iran nach der Islamischen Revolution 1979. Nun ist er im Alter von 88 Jahren im Krankenhaus Salpêtrière in Paris gestorben.

Banisadr wurde 1933 in der Provinz Hamadan im Westen des Iran geboren. Seine Familie war mit Ruhollah Chomeini befreundet, der die Revolution anführte und nach dem Sturz des Schahs oberster geistlicher Führer der Islamischen Republik wurde.

Schah-Gegner und Chomeini-Vertrauter

Als junger Mann nahm Banisadr an Demonstrationen gegen das Schah-Regime teil und kam mehrmals ins Gefängnis. Anfang der Sechzigerjahre verließ er den Iran und schloss sich in Frankreich der Exilopposition um Ajatollah Chomeini an. Als dieser 1979 in den Iran zurückkehrte und die Herrschaft antrat, war Banisadr eng an seiner Seite. 1980 machte Chomeini ihn zum ersten Präsidenten der neugegründeten Islamischen Republik Iran.

Aber bereits 1981 wurde er seines Amtes wieder enthoben. Die offizielle Begründung lautete schlichtweg „Unfähigkeit“. Banisadr selbst betont in seinen Darstellungen im Nachhinein seine wachsende Opposition zu Ajatollah Chomeini. „Ich war wie ein Kind, das seinen Vater dabei beobachtet, wie er langsam zum Alkoholiker wird“, sagte er einmal in einem Interview. „Die Droge war in diesem Fall die Macht.“ Er habe daran geglaubt, dass die Revolution dem Iran Freiheit und Demokratie bringen würde, und sei eines Besseren belehrt worden.

Ein Architekt des Mullah-Regimes

Richtig ist, dass Chomeini seinen Anhängern Freiheit versprochen hatte. Zuallererst Freiheit vom Schah. Als Sprössling einer klerikalen Familie teilte Banisadr die strengen religiösen Vorstellungen Chomeinis. Seine westlichen Anzüge können leicht darüber hinwegtäuschen, dass er das heutige Mullah-Regime seit der Planungsphase aktiv mitgestaltet hat. Unter anderem warf ihm das iranische Parlament seine enge Verbindung zu den oppositionellen, aber nicht weniger radikal-islamischen Volksmudschaheddin und ihrem Anführer Masud Radschawi vor.

Gemeinsam mit Radschawi floh Banisadr 1981 nach Frankreich. Dazu rasierte er sich seinen für ihn typischen Schnurbart ab. Iranische Medien verbreiteten die Nachricht, er sei als Frau verkleidet entkommen – also auf besonders unehrenhafte Weise. Über seinen Tod berichtet beispielsweise die iranische Nachrichtenseite „Farsnews“ kurz angebunden: Der erste Präsident des Iran sei wohl im Krankenhaus in Paris gestorben. Nachdem das Parlament ihn aufgrund seiner Inkompetenz abgesetzt habe, sei er nach Frankreich geflohen und habe in den letzten 40 Jahren gegen das iranische Volk gearbeitet.

Schwere Vorwürfe auch aus der Opposition

Aber auch viele Regimegegner haben wenig Lob für Banisadr übrig. Er gilt als Verräter – am Schah, an Chomeini und am iranischen Volk. Den Schah sieht ein Großteil der später geborenen Generation in einem verklärten Licht. Sein Umgang mit politischen Gegnern hat angesichts der Mullah-Herrschaft an Schrecken verloren. Die Religionsfreiheit und der wirtschaftliche Aufschwung unter dem letzten Schah erscheinen aus heutiger Sicht geradezu paradiesisch.

Chomeini mag zwar niemand leiden. Trotzdem gilt ein Bündnis mit Radschawi als Verrat – und Verrat unter Freunden als höchst verwerflich. Und das iranische Volk habe Banisadr verraten, als er im Iran-Irak-Krieg als oberster Befehlshaber keine Verstärkung in eine der schlimmsten Schlachten des Krieges schickte. Ihm wird zur Last gelegt, dass die beiden großen Grenzstädte Chorramschahr und Abadan unter hohen Verlusten an den Irak gefallen sind. Erst nach Banisadrs Absetzung hat der Iran sie zurückerobert. Manche sagen, er habe damit die Herrschaft Chomeinis schwächen wollen, andere werfen ihm Unfähigkeit vor. In jedem Fall sei es richtig gewesen, ihm die Präsidentschaft zu entziehen. Auch seine Flucht deuten noch manche als Verrat.

Mit unzähligen Interviews und regimekritischen Schriften aus dem französischen Exil konnte Banisadr seinen Ruf bei den Iranern nicht mehr retten. Der Mann, der sich anfangs noch als Exilpräsident betrachtete und auf Unterstützung hoffte, geriet in Vergessenheit. Bei einer Umfrage zu beliebten iranischen Führungspersönlichkeiten unter rund 18.000 Iranern innerhalb und außerhalb des Landes tauchte sein Name 2018 nicht einmal auf. Im Gegensatz dazu kommt Reza Schah, der Sohn des letzten iranischen Schahs, auf fast 40 Prozent.

Von: Carmen Shamsianpur

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