JERUSALEM (inn) – Kurz vor 10.15 Uhr Ortszeit hat am Mittwochvormittag ein Erdbeben der Stärke 5,5 auf der Richterskala Israel und seine Nachbarstaaten erschüttert. Das Epizentrum des Bebens, das 20 Sekunden lang im ganzen Land zu spüren war, lag am Nordende des Toten Meeres.
In Panik verließen viele Menschen ihre Häuser. Nicht nur Mitglieder der Knesset dachten im ersten Augenblick eher an eine starke Explosion in ihrer Nähe, als an ein Erdbeben. In manchen Landesteilen brach kurzzeitig das Mobiltelefonnetz zusammen.
Die Rettungsorganisation Magen David Adom (Roter Davidsstern) berichtete von 17 Menschen landesweit, die wegen Schocks behandelt wurden. In der palästinensischen Autonomiestadt Bethlehem wurde ein Mädchen durch den Einsturz einer Wand leicht verletzt. In Netanja fiel ein Bauarbeiter von einer Leiter und wurde mit mittelschweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert.
In der nordisraelischen Hafenstadt Akko stürzten Teile eines im Bau befindlichen Hauses ein. Im israelischen Parlamentsgebäude in Jerusalem, der Knesset, zeigten sich leichte Risse. Eine Plenarsitzung der Knesset wurde kurzfristig abgesagt.
Der Kommandeur der Heimatfront und das Bildungsministerium ordneten eine Evakuierung der Schulen bis zur Mittagszeit an, aus Sorge vor Nachbeben und um den Zustand der Schulgebäude überprüfen zu können. Kurzzeitig war von einer Evakuierung der Aviv-Türme in Ramat Gan die Rede. Das seismologische Institut in Israel warnt vor möglichen Nachbeben, die in den kommenden Tagen im ganzen Land gespürt werden können.
Geologisch gehört das Jordantal zum syrisch-afrikanischen Graben, der sich über 4.800 Kilometer vom afrikanischen Mozambique bis nach Syrien erstreckt. Ein weiterer geologischer Bruch durchzieht das Land in west-östlicher Richtung, durch die Bucht von Haifa über die palästinensischen Städte Dschenin und Nablus/Sichem bis zum Jordangraben.
Das Land Israel hat eine lange Geschichte von schweren Erdbeben. 1967 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,2 die südisraelische Stadt Eilat. 1927 zerstörte ein Beben der Stärke 6,2 mehr als 1.000 Gebäude. 300 Menschen verloren ihr Leben. Das jüdische Viertel der galiläischen Stadt Safed wurde damals vollständig zerstört. 1847 wurde die Küstenebene von einem starken Beben heimgesucht. Damals erlitt lediglich die arabische Stadt Ramle nennenswerten Schaden. Das letzte Erdbeben war am 31. Dezember 2003 mit einer Stärke von 3,7 auf der Richterskala in der Gegend von Ein Gedi am Toten Meer gemessen worden.
Eine geologische Untersuchung der Jerusalemer Stadtverwaltung, deren Ergebnisse Anfang Januar veröffentlicht wurden, erwähnen den Tempelberg und die Altstadt als besonders erdbebengefährdet. Die umgerechnet 70.000 Euro teure Forschungsarbeit soll den Stadtplanern beim Bau einer Infrastruktur helfen, die den Gefahren eines Erdbebens besser gewachsen ist.
Die links-liberale Tageszeitung „Ha’aretz“ erwähnt in ihrem aktuellen Internetdienst, dass die Propheten der Bibel Erdbeben als Vorzeichen für das Kommen des Messias erwähnen. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass der Prophet Sacharja davon spricht, dass sich der Ölberg spalten werde, und dass das neutestamentliche Buch der Offenbarung des Johannes von einem Erdbeben spricht, wie es seit Menschengedenken nicht vorgekommen ist.
Israelische Seismologen und Geologen suchen fieberhaft nach Möglichkeiten, um Erdbeben voraussagen zu können. In den nächsten 100 bis 150 Jahren erwarten sie ein Beben der Stärke 7, stärker als das Erdeben, das Ende Dezember 2003 die iranische Stadt Bam verwüstet hat.