Entsalztes Meerwasser für den Pegel

Israel beobachtet seit Jahren mit Besorgnis den sinkenden Wasserstand des Sees Genezareth. Seit Oktober fließen nun tausende Kubikmeter entsalztes Meerwasser am Tag in das größte natürliche Süßwasserreservoir des Landes.
Von Israelnetz

Ein weltweit einzigartiges Projekt hat Israel Ende Oktober gestartet: Täglich leitet die Wasserbehörde tausende Kubikmeter entsalztes Meerwasser in den See Genezareth, um dessen Wasserspiegel monatlich um 0,5 Zentimeter anzuheben. Die Vorbereitungen dauerten knapp ein Jahrzehnt.

Dürreperioden und ein kontinuierliches Abpumpen des Seewassers hatten den Wasserspiegel des galiläischen Gewässers seit den Zweitausenderjahren immer wieder besorgniserregend sinken lassen. Erst Mitte Oktober unterschritt der Wasserspiegel des unterhalb des Meeresspiegels liegenden Süßwassersees die untere „rote Linie“ erneut. Dieser Richtwert besagt: Wenn der Wasserspiegel auf weniger als 213,2 Meter unterhalb des Meeresspiegels sinkt, gilt die weitere Nutzung des Seewassers als schädlich für das Ökosystem. Der Wasserstand am 18. November lag bei 213,3 Metern unter Meeresniveau.

Firas Talhami leitet die Region Nord der Wasserbehörde. Nach seiner Aussage soll vorerst mindestens bis Mitte 2026 die Zufuhr des entsalzten Meerwassers aufrechterhalten bleiben. Mitte November flossen 1.000 Kubikmeter Wasser pro Stunde in den See. Bis auf 5.000 Kubikmeter soll der Zufluss je nach Bedarf erweitert werden.

Projekt könnte Auswirkungen auf Ökologie haben

Jossi Jakobi, stellvertretender Geschäftsführer der staatlichen Wassergesellschaft Mekorot, zeichnet eine Zukunftsperspektive: Das langfristige Ziel seien 15.000 Kubikmeter pro Stunde. Durch den Pioniercharakter ist der exakte Verlauf des Projektes allerdings ungewiss. Wissenschaftliche Vortests legen zwar nahe, dass keine bemerkenswerten negativen Auswirkungen auf das Ökosystem zu erwarten sind und Mekorot das Vorhaben problemlos durchführen kann.

Bedenken im Vorfeld gab es dennoch. Die Befürchtung: Das entsalzte Wasser könnte die Ökologie des Sees schädigen, indem es den relativ hohen Salzgehalt des natürlichen Süßwasserspeichers verdünne.

Israel hat durch seine geografische Lage und die damit gegebenen klimatischen Bedingungen einen naturbedingten Süßwassermangel. Das Land liegt in einer semi-ariden Zone. Das bedeutet: Es regnet durchschnittlich nur an 50 Tagen im Jahr, und mehr als die Hälfte des Landes ist Wüste. Vor allem der Süden des Landes, der die Negev-Wüste beheimatet, ist von anhaltender Trockenheit geprägt.

Entsalzungsanlagen im Kampf gegen die Trockenheit

Schon vor der Staatsgründung im Jahr 1948 erkannten jüdische Siedler das Problem und suchten nach Lösungen. Der nördlich gelegene See Genezareth spielte dabei lange eine zentrale Rolle. Er ist das größte natürliche Süßwasserreservoir des Landes. So kam es, dass Israel im Jahr 1964 die „Nationale Wasser­-Versorgung“ in Betrieb nahm – eine große Anlage, die das Wasser des Sees von Galiläa durch massive Rohre in den Süden des Landes transportierte.

Seit 1999 fokussiert sich Israel auch auf die Entwicklung und den Bau von Entsalzungsanlagen. Die fünf Anlagen an der Mittelmeerküste bereiten das Wasser auf, das für den See Genezareth benötigt wird.

Das Projekt kostete umgerechnet mehr als 200 Millionen Euro. Pumpstationen mussten modernisiert und neue Wasserleitsysteme von der Küste in das Landesinnere gebaut werden. Entgegen der ursprünglichen Laufrichtung der „Nationalen Wasser­-Versorgung“ kann nun auch Süßwasser von Süden nach Norden transportiert werden. Bis zu 150 Kilometer legt das aufbereitete Wasser zurück, bis es schließlich in den Zalmon-Bach mündet – einen kleinen Wasserlauf, der anschließend in den galiläischen See fließt.

Nachbarstaat Jordanien profitiert von israelischem Know-how

Israel ist im internationalen Vergleich bei der Gewinnung, Speicherung und Erhaltung von Süßwasser führend. Trotz der widrigen klimatischen Verhältnisse exportiert das Land mittlerweile dank des raffinierten Umgangs mit Wasser Obst und Gemüse in die gesamte Welt. Vor allem die Entsalzungsanlagen, die das Meerwasser für die Landwirtschaft nutzbar machen, sind dafür verantwortlich. 200 Kilometer Küstenlinie stehen zur Verfügung.

Die Problematik der Wasserknappheit konnte dadurch weitestgehend gelöst werden. Der See Genezareth dient heutzutage hauptsächlich als Süßwasser-Notreservoir, falls die Entsalzungsanlagen durch Erdbeben oder Krieg ausfallen. Seit 1994, nach einem Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien, versorgt er allerdings auch den Nachbarstaat mit Wasser.

Der See in Galiläa hatte schon zur Zeit von Jesus Christus eine wichtige gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Bedeutung. So diente er unter anderem dem Fischfang. Auch heute noch spielt der See nicht nur für die Wasserversorgung Israels und Jordaniens eine große Rolle. Speziell die Tourismus- und Fischereibranche litt in den vergangenen Jahren unter dem sinkenden Wasserstand. Die Wasserbehörde hofft, dass das Projekt auf Dauer eine Verbesserung bringen wird.

Von: Christian Biefel

Israelnetz Magazin

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3 Antworten

  1. Ich hoffe, dass die Zuleitung von entsalztem Meerwasser dem See Genezareth in der Zukunft zu einem höheren Wasservolumen verhilft. Ein Teil des Aralsees konnte durch einen Dammbau gerettet werden.

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  2. Was den natürlichen Salzgehalt des Kinneret angeht, ist es doch ganz einfach: zwischenzeitlich mal pures Meerwasser mit einpumpen, damit die Bilanz erhalten bleibt und keine negativen Einflüsse auf das Ökosystem des Sees entstehen. Die Wissenschaftler und Ingenieure können den richtigen Wert sicher errechnen. Oder die Anlagen von vornherein auf den zuträglichen Wert kalibrieren.
    Auch das dürfte wohl kein Problemsein.
    SHALOM HA CHANUKKA

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  3. „Israel ist im internationalen Vergleich bei der Gewinnung, Speicherung und Erhaltung von Süßwasser führend.“
    Ja, das ist es. Und von Israel könnten sich viele andere Länder etwas abschauen, wenn sie denn wollten. Die Gazaner hätten statt Tunnelbau so etwas für ihr Land tun können. Und wenn der Iran aus gutem Grund nicht sanktioniert würde, hätte es dafür auch gute Gründe. Die Israelis sind seit ihrer Staatsgründung das cleverste Volk ever. Ich hab den See Genezareth schon relativ voll erlebt. Allerdings gab es auch in dem Kibuzz wo ich war, einen „leeren Strand“ zum baden.

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