JERUSALEM (inn) – Der Vorsitzende der säkularen Schinui-Partei, Josef „Tommy“ Lapid, erwägt, eine neue Partei zu gründen. Der Grund: Bei der Wahl der Kandidaten für die Knesset-Liste verlor sein Genosse Avraham Poras am Donnerstag den zweiten Platz.
Lapid wurde wieder an die Spitze der Liste gewählt. Doch sein bisheriger Stellvertreter Poras bekam nach der ersten Abstimmung nur 56 Prozent der Stimmen. Zweiter wurde Ron Levinthal mit 79 Prozent – er hatte bisher die partei-interne Opposition gegen das Vorsitzenden-Duo angeführt.
Vor der zweiten Wahlrunde begann Lapid, unter den 170 Wahlberechtigten Stimmung für Poras zu machen: „Die Partnerschaft zwischen Avraham und mir ist die einzig wahre Partnerschaft in der israelischen Politik. Ich will jetzt keine Ankündigung machen, aber die Leute verstehen: wenn Avraham nicht gewählt wird, haben sie keine Partei mehr.“
Levinthal hingegen traf eine Abmachung mit zwei Abgeordneten, die ihre Anhänger aufforderten, für ihn zu stimmen. Daraufhin gewann der Opponent 93 Prozent der Stimmen, während nur 72 Prozent Poras wählten. Levinthals Anhänger riefen: „Revolution! Revolution! Wir wechseln die Generationen, wir erneuern die Liste. Gemeinsam werden wir Tommy Lapid helfen, die Schinui nach oben zu bringen.“
Laut der Tageszeitung „Ha´aretz“ stellte er jedoch schnell fest, dass er möglicherweise einen Pyrrhussieg errungen hatte: Lapid verließ unverzüglich den Sitzungssaal, wobei er einem Abgeordneten sagte, er gehe „in Urlaub“. Eine halbe Stunde später verkündete Poras, angesichts des Sieges von Levinthal werde er für keinen Platz auf der Schinui-Liste kandidieren. Ihm schlossen sich vier weitere Abgeordnete an. In der Vergangenheit hatte Lapid mehrfach gesagt, er werde nicht in der Partei bleiben, wenn Poras nicht wieder stellvertretender Vorsitzender werde.
Absturz nach „kometenhaftem“ Aufstieg
Damit scheint die Blütezeit der radikal-säkularen Schinui („Veränderung“) vorbei zu sein. Bei den Wahlen vor drei Jahren war sie mit 15 Mandaten drittstärkste politische Kraft in Israel geworden – nachdem sie im Jahr 1999 nur sechs Kandidaten gestellt hatte. Wahlforscher begründeten ihren Aufstieg vor allem mit der Enttäuschung der Wähler über die etablierten Parteien. Premier Ariel Scharon nahm sie in seine Koalition auf. Sie unterstützte seine Pläne, bezüglich des Rückzugs aus dem Gazastreifen.
Anfang Dezember 2004 traten die Schinui-Minister jedoch zurück. Anlass war Scharons Zusage, ultra-orthodoxen Einrichtungen hohe Beträge zukommen zu lassen, wenn religiöse Parteien für den Haushalt 2005 stimmten. Danach ging es mit der Partei bergab. Laut aktuellen Umfragen würde die Schinui bei einer Wahl derzeit vier Knesset-Sitze erhalten.