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Eine Wasserpfeife und Sündenböcke

"Es ist keine Schande, vom Ausland Hilfe zu erbitten." Das wiederholte Eingeständnis des Premierministers, den Naturgewalten eines Großfeuers auf dem Karmel-Gebirge bei Haifa im Norden Israels nicht gewachsen zu sein, klingt für viele Israelis wie ein Tabu-Bruch und offenbart typische Schlamperei. Zum Selbstverständnis Israels zählt seit dem Holocaust der Grundsatz, sich selber verteidigen zu können und nicht auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Deshalb ist Israel bis heute keinem Militärbündnis beigetreten.

Von insgesamt 496 Löschfahrzeugen in ganz Israel sind 100 über 20 Jahre alt. Es gibt nur 1.195 Feuerwehrmänner, einen auf 8.750 Einwohner. Seit zehn Jahren hat die Regierung kein Geld gefunden, wenigstens zwei ordentliche Löschflugzeuge zu erwerben. „Die schweren Jasur-Helikopter der Armee sind keine Alternative. Sie können im Meer mehrere Tonnen Wasser mit Spezialsäcken aufsammeln und über dem Feuerherd verstreuen. Aber die Fluggeräte verbiegen sich, weil sie dafür nicht gebaut wurden“, erklärt ein Pilot.

Winzige und wendige Piper-Propellermaschinen besprühen normalerweise Felder mit Pestiziden. Über dem brennenden Karmel versprühten sie gezielt feuerdämmende Chemikalien. Eine Flotte von 35 Löschflugzeugen aus Israel und zehn Ländern brachte nun die Erlösung. In der Nacht zum Montag kam die langerwartete echte Hilfe „von oben“: Regen. Da war der Brand allerdings schon unter Kontrolle.

Die Amerikaner schickten einen Evergreen-Supertanker vom Typ Boeing 747 mit Nachtsichtfähigkeit. Dieser kann 80 Kubikmeter Wasser auftanken. Doch dazu muss er vier Stunden lang auf einem Flughafen landen. Innerhalb von wenigen Sekunden kann ein amphibisches Düsenflugzeug aus Russland im Meer 12 Tonnen Wasser aufsaugen und sofort wieder zum Brandherd fliegen. Die Türkei, Griechenland und Zypern schickten Propellermaschinen. In wenigen Sekunden tanken sie über dem Meer schwebend 6 Tonnen Wasser. Die Griechen und Türken fliegen in geringem Abstand in einer Vierer-Formation. Am effektivsten scheint der russische „Wasserbomber“ Iljuschin 76 zu sein. Innerhalb von 45 Minuten kann er mit 40 Tonnen Wasser beladen werden.

Streit zwischen Piloten

Die Kooperation führte auch schon zu Streit. Zwei israelische Piloten, der eine in einem russischen Löschflugzeug, der andere in einem amerikanischen, wollten jeweils als Erster über einem Brandherd „Wasser lassen“. Israelis fliegen als Dolmetscher mit, während Amerikaner und Russen der Welt zeigen wollten, wer „den Größten“ hat.

Am Wochenende versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel die Entsendung von zwei Transporthubschraubern, weil die Bundesrepublik selber über keine Löschflugzeuge verfüge. „Es macht keinen Sinn, dass jedes Land alle Geräte für den Katastrophenfall anschafft“, sagte Premierminister Benjamin Netanjahu. In der Vergangenheit habe Israel Hilfe ins Ausland geschickt. So habe es den Türken nach einem Erdbeben geholfen, nach Haiti das erste Feldhospital geschickt und nach Thailand Experten zur Identifizierung von Tsunami-Opfern.

„Bei Naturkatastrophen muss die Weltgemeinschaft zusammenhalten“, sagte ein israelischer Experte. Er erwähnte Großbrände in Griechenland oder Russland, den Tsunami in Ostasien sowie Erdbeben und Vulkanausbrüche in aller Welt. Die gegenseitige Hilfe sollte freilich im Voraus ausgehandelt werden.

Die spontanen Angebote humanitärer Hilfe dienen auch dazu, Feindseligkeiten zu überbrücken. So bestieg Netanjahu ein türkisches Löschflugzeug und bedankte sich telefonisch beim türkischen Premierminister Recep Tayyip Erdogan.

Rund um die Uhr berichten seit Donnerstag die elektronischen Medien und geben Anweisungen an die Bewohner gefährdeter Straßen in Haifa und vom Feuer umzingelter Ortschaften. Sie berichteten auch über die Hilfe palästinensischer und jordanischer Feuerwehrleute. Ibrahim Ajasch aus Bethlehem hat sich mit 16 Männern und drei Feuerwehrwagen den Helfern angeschlossen, hält die Hilfe für „selbstverständlich“.

Suche nach den Schuldigen

Und schon werden Sündenböcke gesucht. Zwei minderjährige drusische Brüder aus Usfijeh, 14 und 16 alt, wurden unter dem Verdacht festgenommen, im Wald ein Feuerchen gemacht zu haben, um Nargila (Wasserpfeife) zu rauchen und sich einen Kaffee zu brauen. Ihnen wird Fahrlässigkeit vorgeworfen, das Feuer nicht ordentlich gelöscht zu haben. Amin Siman aus Usfijeh beschuldigt die Feuerwehr, ihm das Telefon zugeschlagen zu haben, als er den von ihm gesichteten Brand melden wollte. Erst Stunden später sei ein Feuerwehrwagen gekommen. „Der erste Brand hätte mit einem Glas Wasser gelöscht werden können“, sagte Siman.

Als alles brannte, legten Unbekannte zusätzliche Brände bei Jerusalem, Sachnin und in Fabriken. Ein Polizeisprecher erwähnte 8 Verhaftungen, ohne zu sagen, ob es sich um pathologische Brandstifter, „Ökoterroristen“ oder um politisch motivierte „Widerstandskämpfer“ handelte. Schon seit der ersten Intifada ab 1987 gehörte das Legen von Waldbränden zu den palästinensischen Kampfmethoden gegen Israel. Muslimische Gelehrte und Osama Bin Ladens Terrorstrategen propagieren einen „globalen Feuerball“, mit maximalem Schaden und minimalem Risiko für die mit einer Schachtel Streichhölzer ausgestatteten Kämpfern. Al-Qaida hat Moslems aufgerufen, den Feinden des Islam in den USA, Australien, Russland und Europa durch einen „Wälder-Dschihad“ wirtschaftlich zu schaden und deren Rettungsdienste zu strapazieren. Der Islam erlaube das Verbrennen von Bäumen als Kampfmethode, wie man Versen des Korans entnehmen könne. Seit September 2008 seien westliche Geheimdienste beunruhigt, schreibt der israelische Forscher Jonathan Fighel.

In Israel werden derweil Schuldige gesucht, bis hinauf zum Premierminister, wegen Bürokratie und politischer Kurzsichtigkeit, den Großbrand nicht vorhergesehen und die Feuerwehr sträflich vernachlässigt zu haben.

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