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Eine sehr unliturgische weihnachtliche Meditation

Im jüdischen Lande feiert man jüdische Feste und dazu gehört Weihnachten nicht. In Israel herrscht keine weihnachtliche Atmosphäre, es wird kein besonderer Hausputz gemacht und es werden keine Plätzchen gebacken. Weil in diesem Jahr Weihnachten und das jüdische Lichterfest Chanukka zusammenfallen, werden alle israelischen Kinder Schulferien haben. Sonst sind die Weihnachtstage ganz gewöhnliche Arbeits- und Schultage.

Juden, die aus der Diaspora in Amerika und Europa nach Israel zurückgekehrt sind, sind ganz froh darüber. Endlich sind sie den christlichen Druck aus ihrer Umgebung los. Sie haben frei an ihren eigenen Festtagen und sind nicht gezwungen, ihren Kindern zu erklären, warum „der bärtige Rabbi“ „Father Christmas“ nur Kindern aus christlichen Familien Geschenke bringt.

In Jerusalem feiern verschiedene kirchliche Gemeinden ihre Weihnachtsgottesdienste. Ein jüdischer Freund hatte uns einst überredet, mit ihm zusammen einen Weihnachtsgottesdienst zu besuchen. Zu später Stunde am Heiligabend gab es in der Jerusalemer Altstadt zwei Gottesdienste: der eine auf Englisch in der anglikanischen Christ Church, der andere auf Deutsch in der evangelisch-lutherischen Erlöserkirche. Die Christ Church war aber gerade im Umbau. Unser Freund steckte nur kurz seine Nase in den Gemeindesaal, wo sich die Gläubigen versammelt hatten, und rümpfte dieselbe dann: „Das ist keine Kirche.“ Als wir wenige Minuten später vor der evangelischen Kirche ankamen, stand davor eine Schlange von Israelis und die Eingangstür war geschlossen.

Unser erster Gedanke war, dass dort eine andere Veranstaltung stattfindet, und dass wir danach hineingelassen würden. Das war aber eine Täuschung. Die Kirche war überfüllt von israelischen Neugierigen. Der Torhüter, offensichtlich ein arabischer Christ, ließ immer wieder kleine Gruppen hinein, wenn einige Besucher das Gebäude verlassen hatten. Als wir uns endlich auch hineingedrängt hatten, gelang es uns sogar, ganz hinten einen Sitzplatz zu finden. Um uns herum saßen lauter Israelis, die sich unterhielten und genüsslich über die Schönheit der „Stillen Nacht“ und anderer Weihnachtslieder seufzten, die der Kirchenchor tapfer in das allgemeine Durcheinander hinein sang. Es war schwer, sich auf die auf Deutsch, Englisch und Hebräisch vorgelesenen Texte aus den Evangelien zu konzentrieren. Um die Bänke herum drängten sich Menschen, die keinerlei Ahnung davon hatten, was liturgische Stille bedeutet. Schließlich gaben wir auf. Am Ausgang verteilten Gemeindeglieder das Johannes-Evangelium in hebräischer Sprache.

Auf dem Weg durch die sonst um diese Zeit menschenleere arabische Altstadt trafen wir immer wieder auf Israelis, die ihre Erfahrungen austauschten: „Nirgends ist was los, nur bei dem ‚Redeemer‘.“ Damit war die Erlöserkirche gemeint. Ganze Gruppen von Israelis waren auf der Suche nach etwas – oder gar auf der Suche nach jemandem?

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