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Eine neue palästinensische Regierung

Am Wahltag zur 17. Knesset in Israel sprach der Palästinensische Legislativrat (PLC) Premierminister Ismail Hanije mit 71 zu 36 Stimmen bei zwei Enthaltungen das Vertrauen aus. Freudestrahlend quittierten Hamas-Mitglieder im Palästinenserparlament ihren ersten Abstimmungssieg mit „Allahu Akbar“ – „Allah ist größer“.

Im neuen Kabinett sitzen im Westen ausgebildete Ärzte, Ingenieure, Juristen, Religionswissenschaftler und vor allem eine Reihe von islamischen Geistlichen. Die Führung der radikal-islamischen Palästinenser gehört der Intelligenz an. „Mehr als 60 Prozent aller Märtyrer – wie die Selbstmordattentäter auf der Straße Palästinas genannt werden – haben eine akademische Ausbildung“, bemerkt ein Hamas-Mann aus Ostjerusalem voller Stolz.

Die Namen der Kabinettsmitglieder sind westlichen Beobachtern nur wenig bekannt, außer sie wurden einmal als Kandidaten auf den Abschusslisten der israelischen Armee gehandelt, wie etwa Außenminister Mahmud a-Sahar. Die Mehrheit der Hamas-Minister kennt israelische Haftanstalten von innen. Bildungsminister Dr. Nasser Adin Scha´er, der gleichzeitig stellvertretender Premierminister ist, wurde erst vor zwei Wochen entlassen.

Unter den 24 Ministern der ersten frei gewählten Islamistenregierung im Nahen Osten sind vier Minister, die nicht der Hamas angehören. Als einzige Frau wird Mariam Saleh (Hamas) das Frauenministerium leiten. Ursprünglich hätte der Christ Tanas Abu Aita als Tourismusminister dem Kabinett angehören sollen. Weniger als eine Woche nach seiner Ernennung zog der Hotelbesitzer aus Bethlehem sich allerdings wieder von seinem Posten zurück. Als Gründe dafür gaben Sprecher seiner Familie an, dass ihm Reiseveranstalter gedroht hätten, seine Hotels nicht mehr zu besuchen, und außerdem fürchte um sein US-Visum.

Bei der Vorstellung seines Regierungsprogramms erklärte Ismail Hanije, sein Ziel sei Friede, Sicherheit und Stabilität in der Region. Er werde keine Anstrengung scheuen, einen gerechten Frieden, ein Ende der Besatzung und eine Wiederherstellung der palästinensischen Rechte zu erreichen. Zu den Rechten der Palästinenser zählt Hanije den „Widerstand gegen die Besatzung, die Siedlungen und den rassistischen Zaun“. Er werde weiterhin für einen lebensfähigen, unabhängigen palästinensischen Staat mit vollständiger Souveränität und der Hauptstadt Jerusalem kämpfen. Dabei lehnt seine Regierung jede Teillösung, zeitweilige Grenzen oder Diktate ab.

Standhaft weigern sich die Vertreter der Hamas, dem finanziellen Druck der westlichen Welt nachzugeben und das Existenzrecht des Staates Israel anzuerkennen, sich an abgeschlossene Verträge zu binden und dem Terror abzusagen. Sie stellen damit 80 Prozent von insgesamt 500 Millionen Euro aufs Spiel, die pro Jahr von der EU in die PA fließen.

Während die bisherige PA offiziell vom Frieden redete, inoffiziell aber Terror gegen Israel finanziell förderte, bleibt die Hamas unbeugsam. Gleichzeitig wurde aber der nach dem Gipfel von Scharm el-Scheich im Februar 2005 von der Hamas verkündete Waffenstillstand gegenüber Israel bislang weitgehend eingehalten. So reden Israelis heute davon, dass sie in der Hamas einen „Nicht-Partner“ haben, auf den man sich verlassen kann. Selbst Israels Generalstabschef Dan Chalutz schließt nicht aus, dass sich die Hamas in nächster Zeit mit Terroraktivitäten zurückhalten werde, um zu beweisen, dass ihr landläufiges Image ungerechtfertigt ist.

Die Zukunft der neuen palästinensischen Regierung bleibt indes unsicher. Eine Unzahl von rechtlichen Problemen begleitet sie. Die Palästinensische Befreiungsbewegung (PLO) ist als einzig legitime Vertretung des palästinensischen Volkes international anerkannt. Alle Verträge wurden mit der PLO, nicht aber mit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) abgeschlossen. Die Hamas gehört der PLO nicht an und gilt in westlichen Ländern als Terror-Organisation.

Bestimmt wird die Politik vom PA-Vorsitzenden und PLO-Chef Mahmud Abbas. Die Regierung ist lediglich Exekutive des Präsidenten, ähnlich wie in Frankreich. Abbas hat in einem Brief an den designierten Premierminister in der Woche vor der Regierungsbestätigung gedroht, er werde von seinem Recht, die Regierung aufzulösen, Gebrauch machen, sollte diese Positionen vertreten, die den Interessen des palästinensischen Volkes schaden.

Laut der englischen Zeitung „The Guardian“ wünscht Abbas kein Scheitern, sondern eine Veränderung der Hamas. Wenn das in der Weise geschehen sollte, wie die PLO sich im vergangenen Jahrzehnt verändert hat, genügte ein bloßes Lippenbekenntnis zu den Prinzipien des Westens, ohne dass die grundlegenden Dokumente der Bewegung verändert werden müssten. Auch die PLO-Charta verlangt bis heute die Vernichtung des jüdischen Staates Israel.

Seit einiger Zeit wird die Möglichkeit einer Auflösung der PA diskutiert, was einem Putsch mit juristischen Mitteln gleich käme. Damit fiele alle Macht an die PLO zurück. Die islamistische Regierung würde rechtlich irrelevant. Eine offene Frage ist auch, was geschähe, wenn Abbas von seinem Amt zurückträte. Das Parlament kann er nicht auflösen. Der PLC kann sich nur mit absoluter Mehrheit selbst entlassen.

Trotzdem verkündigte Mahmud Abbas in einem Interview mit der israelischen Tageszeitung „Ha´aretz“, ein Friedensabkommen zwischen Israelis und Palästinensern sei innerhalb eines Jahres möglich. Derlei Ankündigungen nimmt man in Israel ohne große emotionale Erregung entgegen. Was in Israel zählt, ist die spürbare Sicherheit für dessen Bürger. Und genau daran wird die neue Hamas-Regierung von Israel auch gemessen werden.

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