JERUSALEM (inn) – Überreste der Jerusalemer Stadtmauer aus der Zeit der Hasmonäer geben Archäologen nach wie vor Rätsel auf. Von der Mauer im Gelände der Davidszitadelle ist nur noch der Sockel übrig. Sie wurde jedoch nicht zerstört, sondern planvoll abgebaut, wie die Archäologen anhand der Funde feststellten. Offen ist jedoch, wer dies wann tat und warum.
Die Ausgrabungsleiter Amit Re’em und Marion Sindel zeigen sich beeindruckt von der einstigen Größe der Mauer: Sie war 5 Meter dick und 10 Meter hoch, wie die Israelische Altertumsbehörde am Montag mitteilte. Die Archäologen berufen sich dabei auch auf Angaben des jüdischen Historikers Flavius Josephus (etwa 37–100). Das ausgegrabene Teilstück hat eine Länge von 40 Metern.
Aufgrund der Größe sind sich die Archäologen sicher, dass die Mauer erst errichtet wurde, als die Dynastie der Hasmonäer bereits gefestigt war. Die Bauzeit ist demnach nicht vor 140 vor Christus anzusetzen, die Hasmonäer kamen etwa 25 Jahre zuvor an die Macht.
Zwei Erklärungen: Friedensvereinbarung oder Machtsymbolik
Relativ bald nach der Errichtung der Mauer erfolgte jedoch ihr Abbau. Für die Altertumsexperten kommen dafür zwei Erklärungen infrage: Zum einen könnten es die Hasmonäer selbst gewesen sein. Der Abriss wäre dann Teil einer Friedensvereinbarung zwischen dem Hasmonäer-Herrscher Johannes Hyrkanos I. und Antiochus VII. Sidetes gewesen. Der Seleukid hatte Jerusalem von 134 bis 132 vor Christus belagert.
Bereits in den 1980er Jahren waren Archäologen in der Nähe des Mauerstücks auf zahlreiche Katapult- und Schleudersteine, Pfeilköpfe und Bleikugeln gestoßen. Offenbar konnten die Geschosse der Belagerungstruppen die Mauern nicht zerstören und fielen an deren Fuß nieder.
Die andere mögliche Erklärung lenkt den Blick in die Zeit von Herodes dem Großen (73 vor Christus bis 4 nach Christus). Die Archäologen halten es für denkbar, dass er absichtlich Bauwerke der Hasmonäer abreißen und an deren statt eigene errichten ließ. Damit habe er wohl eine politische Botschaft verbunden: „Die Zeit der Hasmonäer ist vorbei, ich bin ihr Nachfolger.“
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Historischer Aufstand
Die Hasmonäer hatten in den 160er Jahren vor Christus eine Rebellion gegen die griechischen Herrscher begonnen. Anlass waren Verbote religiöser Praktiken durch den Seleukiden Antiochus IV. Epiphanes, zudem war der Tempel durch einen Zeus-Altar entweiht. Der Konflikt ist als Makkabäeraufstand bekannt, benannt nach dem Anführer Jehuda Makkabi aus der Priesterfamilie der Hasmonäer.
Aufgrund der Kämpfe wurde laut Überlieferung das geweihte Öl für die Menora im Tempel knapp und reichte eigentlich nur noch für einen Tag. Der Kerzenleuchter durfte jedoch nicht erlöschen. Wie durch ein Wunder reichte das vorhandene Öl schließlich acht Tage lang.
An dieses Ereignis und an die Wiedereinweihung des Tempels erinnern Juden bis heute mit dem Lichterfest Chanukka, das in diesem Jahr am Sonntagabend beginnt. Das Tempelweihfest findet auch im Johannes-Evangelium (10,22-23) Erwähnung.
Ausbau des Museums geplant
Das nun freigelegte Teilstück der Mauer befindet sich im sogenannten Kischle-Komplex im südlichen Teil der Davidszitadelle. Die Mauer umfasste früher noch weitere Teile Jerusalems, darunter den Zionsberg und die Davidstadt.
Der Kischle-Komplex wurde 1834 von den Türken als Kaserne gebaut. Er diente später auch als Gefängnis und Polizeistation. In neuerer Zeit erhielt er seine Bedeutung durch archäologische Ausgrabungen mit Funden aus der Zeit des Ersten Tempels (10. bis 6. Jahrhundert vor Christus).
Die Freilegung der Mauer erfolgte im Rahmen von Bauarbeiten für einen neuen Flügel des Stadtmuseums. Dort soll es einen Bereich mit einem durchsichtigen Boden geben, durch den sich die Mauerüberreste betrachten lassen. Dieser Flügel werde im Verbund mit modernen Kunstwerken „eine neue Verbindung zur Geschichte und zum Erbe der Stadt bringen“, preist die Altertumsbehörde das Projekt an. (df)
Eine Antwort
Archäologische Funde sind immer interessant und spannend, aber auch geheimnisvoll. Ich weiß nicht, ob man je in der Lage sein wird, den Grund des Mauerabrisses herauszufinden. Von daher ist es eine gute Idee, den Menschen durch den Glasboden die Gelegenheit zu geben, die Erforschungen anzusehen, so wie auch in Kafernaum in der Petruskirche Ausgrabungen des Wohnhauses von Petrus durch den Glasboden zu sehen sind.