Suche
Close this search box.

Eine Busfahrt in Jerusalem

"Nahag, Nahag!" - "Busfahrer, Busfahrer! Mach die hintere Tür auf!" Die Fahrgäste haben eine Mutter mit Kind erblickt, die im Laufschritt versucht, den Bus einzuholen. Der Bus ist gerade angefahren. Aus Sicherheitsgründen dürfen nur vorne Passagiere einsteigen. Doch der Fahrer beugt sich dem Willen der Masse und hält gehorsam wieder an.

„Nahag, Nahag! – Warum bist du hier reingefahren, wenn niemand einsteigt?!“, meldet sich ein Ungeduldiger, der es eilig hat. Der Umweg durch das ultraorthodoxe Viertel geht ihm gegen den Strich, obwohl er zum ordentlichen Fahrplan gehört. „Was ist, wenn jemand aussteigen wollte?“, versucht sich unser Busfahrer zu verteidigen. „Die sind doch schon bei der Tankstelle ausgestiegen. Das haben sie gesagt!“, mischt sich eine stämmige Frau ein, die anscheinend den Überblick behalten hat. Ihre Nachbarin pflichtet ihr bei. Typische Szenen einer Busfahrt durch die israelische Hauptstadt.

Außerplanmäßiger Halt auf Anfrage

In dem Moment ruft einer, der offensichtlich an der Strecke wohnt und direkt vor seinem Haus auszusteigen wünscht: „Busfahrer! Halte an!“ – „Haaalte aaan!“, verstärken ihn andere Fahrgäste. Gehorsam bleibt der Stadtbus stehen, wo eigentlich gar keine Haltestelle ist. Ein Herr in mittleren Jahren mit Rucksack und Schildmütze steigt aus.

Unter dem Schild „Füße nicht auf die Sitze legen“ streckt ein müder Soldat seine verstaubten Stiefel auf den schäbigen Sitz gegenüber. Zwei hübsche Soldatinnen steigen ein. Der „müde Krieger“ wird aufmerksam und verwickelt die beiden in ein lebhaftes Gespräch. An seiner bequemen Lage ändert er aber nichts.

Zwei orthodoxe Mütter legen mit sicherem Griff in einem einzigen Augenblick mit einer Hand ihre Kinderwagen zusammen. An der anderen Hand halten sie ihre Sprösslinge. Geradezu grazil schlängeln sie sich dann durch den engen Bus, bis sie ihre Kinderwagen zwischen Sitze eingeklemmt haben. Die Kinder werden mit „Bamba“ beschäftigt, den allgegenwärtigen Erdnussflips, ohne die eine israelische Kindheit undenkbar ist. Ihre Mütter vertiefen sich auf Englisch in ein Gespräch. Eine russische Dame erzählt ihrer Sitznachbarin, wo man am günstigsten einkaufen kann.

Hinter einer gepflegten Dame mit Einkaufstaschen steigt ein rothaariger Junge mit Gitarre ein. Schüchtern fragt er, ob der Bus auch in der Prophetenstraße oder in der Straße der Stämme Israels anhalten würde. Gedankenverloren entwertet unser „Nahag“ die Fahrkarte des Jungen mit der Lochzange und antwortet dann in aller Ruhe, dass er dort nicht anhalten werde…

Orthodoxer Mann muss Platz wechseln

Inzwischen hat die Dame ihre Plastikbeutel verstaut und setzt sich, ohne lange nachzudenken, auf den freien Platz neben einem bärtigen Mann mit schwarzem Hut. Orthodoxe jüdische Männer dürfen aber nicht neben einer fremden Frau sitzen, weil sie diese sonst „berühren“ könnten. Und das ist nach der Torah streng verboten. Deshalb bleibt dem gläubigen Herrn nichts anderes übrig, als aufzustehen und sich einen anderen Platz zu suchen. Eine schwarzhaarige Studentin mit langem Rock nutzt die Zeit und öffnet ein kleines Gebetbuch, das sie immer bei sich trägt.

Der Bus wird immer voller. Es ist drückend heiß. Einem älteren Passagier fallen die Augen zu. Plötzlich wird er aufgeweckt durch einen Schüler, der sich neben ihn setzt, ihm den Rücken zudreht, die Beine in den Gang streckt und den Schulranzen auf dem Schoß seines verschlafenen Nebensitzers ablegt.

Verkehr wird stärker

Je mehr sich der Stadtbus der Jaffastraße nähert, desto enger und verstopfter werden die Straßen. Das Hupen der Fahrzeuge wird häufiger und lauter. „Frau, haben Sie nicht gemerkt, dass Sie die Straße überqueren?!“, schreit der Busfahrer eine Person an, die gebannt auf ihr Mobiltelefon starrt und weder sieht noch hört, was um sie herum geschieht. Dass sie gerade fast überfahren worden wäre, stört sie offensichtlich nicht… Passagieren und Busfahrer reißt langsam der Geduldsfaden. „Wer hier mit seinem Auto rumfährt, verdient Prügel!“, macht sich unser „Nahag“ Luft.

Und in der Tat: Wer sich mit dem eigenen Fahrzeug durch den Stadtverkehr drängt, um einen teuren Parkplatz bezahlen zu dürfen, sollte lieber eine Fahrt in Jerusalems öffentlichen Verkehrsmitteln genießen! Und wenn dann erst im Jahre X unsere neue Straßenbahn, unsere „Rakevet HaKala“ – „der Leichtzug“, „der Zug der Erleichterung“, fertig sein wird… Die Waggons wurden bereits in Frankreich gekauft und stehen im Norden der Stadt auf dem Abstellgleis. Die monumentale Hängebrücke am Eingang von Jerusalem wurde schon feierlich eingeweiht. Das einzige, was Jerusalems Straßenbahn noch fehlt, ist eigentlich eine Kleinigkeit – die Gleise.

In letzter Zeit wurden in den Bussen der Egged-Gesellschaft ganz neue Schilder angebracht. Darauf ist zu lesen: „Das Aussteigen außerhalb der offiziellen Haltestellen ist verboten!“ Eigentlich sollte ich der israelischen Busgesellschaft vorschlagen, doch auch die Schilder anzubringen, die in meiner tschechischen Heimat in den öffentlichen Bussen fordern: „Sprechen Sie nicht mit dem Fahrer während der Fahrt“.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen