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Ein Wohnhaus aus der Zeit Jesu im Heimatort Jesu

Das Wohnhaus von Maria, Josef, Jesus und seinen Geschwistern ist es nicht, das kurz vor Weihnachten von der Israelischen Altertumsbehörde in Nazareth der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Aber es ist das erste Wohnhaus aus der Zeit Jesu, das in Nazareth gefunden wurde. Und es wurde mit großer Wahrscheinlichkeit von gesetzestreuen Juden bewohnt.

Ausgrabungsleiterin Jardenna Alexandre erklärt, dass es sich bei den Mauerresten, die unter einer breiten Mauer aus der Mamelukkenzeit sichtbar sind, um die Reste eines Wohnhauses handelt. Das Haus bestand aus einem Hof und zwei Zimmern. So viel ist bislang erkennbar. Im Hof ist eine Zisterne, die zum Sammeln des Regenwassers im Winter benutzt wurde. Im Boden des einen Wohnraumes wurde noch ein versteckter Hohlraum, der unter anderem als Speicher verwendet wurde, entdeckt. Scherben von Keramik und Steingefäßen, sowie die Bautechnik ermöglichen die Annahme, dass an dieser Stelle, kaum mehr als 100 Meter von der Verkündigungsbasilika entfernt, schon in hellenistischer Zeit – etwa im zweiten Jahrhundert vor Christus – ein Wohngebäude gestanden hat.

Alexandre meint, dass so ein „kleines und bescheidenes“ Anwesen „wahrscheinlich typisch für die Unterkünfte in Nazareth in jener Zeit“ ist: „Wir haben hier keinerlei Luxusgüter, importierte Dinge oder kostbares Glas gefunden. Alle Funde zeugen von einem sehr einfachen Lebensstil.“ Das Neue Testament bezeugt, dass Maria, die Mutter Jesu, mit ihrer Familie in Nazareth gelebt hat. In Nazareth hat sie die Offenbarung durch den Erzengel Gabriel empfangen, dass sie ein Kind gebären würde, das als Sohn Gottes bekannt würde. An dieses Ereignis erinnert die römisch-katholische Verkündigungsbasilika, die heute das Zentrum der Stadt dominiert. Jesus ist in Nazareth aufgewachsen, in der Stadt „nach seiner Gewohnheit“ in die Synagoge gegangen (Lukas 4,16) und hat seinem Vater bei der Arbeit geholfen.

Jesus kannte wahrscheinlich das Anwesen

„Aus den wenigen schriftlichen Quellen, die uns vorliegen, wissen wir, dass Nazareth im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung ein kleines jüdisches Dorf war“, erklärt Jardenna Alexandre, „Nazareth hatte damals kaum mehr als 50 Häuser.“ Die israelische Archäologin geht davon aus, dass die Kinder, die in so einem kleinen Weiler aufgewachsen sind, „wohl jedes Haus von innen kennen“. Deshalb hält es die jüdische Wissenschaftlerin für höchstwahrscheinlich, dass Jesus dieses Anwesen sogar von innen gekannt hat. Hinzu kommt, dass Josef, der Mann Marias, ein „Häuserbauer“ war. Landläufig wird das griechische Wort „tekton“ (Matthäus 13,55) mit „Zimmermann“ übersetzt. Aber Steinarbeiten dürften durchaus zu den Aufgaben so eines antiken Allround-Handwerkers gehört haben, dessen erste Aufgabe der Bau und die Instandhaltung von Wohnhäusern und Werkzeugen war.

Zach Horowitz ist Mitarbeiter der Israelischen Altertumsbehörde und war an den Ausgrabungen beteiligt. Begeistert verweist er auf Bruchstücke von Gefäßen, die aus Kreidestein hergestellt wurden. „Das ist ein sehr aufwendiges Verfahren. Man braucht dafür Experten, Steinmetze, Steinbrüche – und wenn man einen Krug aus Stein machen will, zerbricht das Gefäß immer wieder. Tontöpfe sind viel leichter und vor allem auch kostengünstiger herzustellen“, erklärt der Archäologe. Die einzigen, die eine Verwendung für solche Steinkrüge hatten und die Kosten nicht scheuten, waren gesetzestreue Juden. Im Gegensatz zu den porösen Tonkrügen, werden Steinkrüge nicht rituell unrein und sind deshalb auch nach biblischen Maßstäben sehr viel öfter verwendbar. Die Kreidescherben sind für die Forscher ein untrüglicher Hinweis darauf, dass das Anwesen zur Zeit Jesu von Juden bewohnt war.

Einer der Ausgrabungsmitarbeiter hebt einen runden Stein und öffnet ein Loch im Boden des ehemaligen Wohnraumes, durch das sich gerade noch ein schlanker Mensch zwängen kann. Darunter wird ein verschütteter Raum sichtbar, der offensichtlich einmal als Vorratslager verwendet wurde. Jardenna Alexandre sieht aber noch mehr: „Aufgrund anderer Ausgrabungen, die ich in dieser Region durchgeführt habe, weiß ich, dass solche Räume sehr wahrscheinlich während des großen jüdischen Aufstands gegen die Römer im Jahr 67 nach Christus gebaut wurden, um sich darin zu verstecken.“

Ohne das ausdrücklich zu erwähnen, legt die Archäologin hier einen weiteren Berührungspunkt mit dem Leben Jesu offen. Der Name eines seiner Jünger legt nahe, dass unter den Nachfolgern Jesu auch Widerstandskämpfer gegen die römische Besatzungsmacht waren. So nennen die Evangelisten einen „Simon Kananäus“ unter den zwölf Jüngern (Matthäus 10,4). Lukas (6,15) übersetzt den Namen ins Griechische: „Simon, genannt der Zelot“. Dieser Mann gehörte möglicherweise zu den Leuten, die als „Zeloten“, wörtlich „Eiferer“, im Kampf gegen Rom einen legendären Ruf erlangten.

„Jetzt wissen wir, wo Juden in Nazareth lebten“

In einem heute dicht besiedelten Gebiet wie der Stadt Nazareth haben es Archäologen schwer, Jahrtausende alte Überreste von Gebäuden freizulegen. „Bislang wurden lediglich einige Gräber aus der Zeit Jesu in Nazareth gefunden, aber keinerlei Reste von Wohnhäusern, die jener Zeit zugerechnet werden können.“ Nach Ansicht von Alexandre waren die Gräber aus der Zeit des Zweiten Tempels nur eine Hilfe festzustellen, wo das Nazareth aus der Zeit Jesu nicht war. „Erst jetzt können wir mit Gewissheit sagen, wo Juden zur Zeit des Zweiten Tempels in Nazareth gewohnt haben.“

Die Verkündigungsbasilika wurde 1969 auf den Fundamenten von drei früheren Kirchen erbaut. Unter den Resten einer Kreuzfahrerkirche liegen noch die Ruinen eines Gotteshauses aus byzantinischer Zeit. Im Zentrum der heutigen Kirche liegt eine Grotte, die schon in der Antike als Wohnhöhle der Familie Jesu verehrt wurde. Um die Verkündigungsbasilika herum wurde zudem eine ganze Reihe von Vorratsräumen und Zisternen gefunden, von denen einige in die frühe römische Zeit datiert werden können.

Das jüdische Wohnhaus aus der Zeit Jesu wurde bei Ausgrabungen gefunden, die durch den Bau eines neuen „Internationalen Zentrums Marie de Nazareth“ notwendig wurden. Im Komplex der katholischen St. Josephs-Schule wurde dafür ein älteres Gebäude abgerissen. So wurden Untersuchungen von darunter liegenden Schichten möglich. Das Zentrum zum Gedenken an Maria von Nazareth wurde 1999 vom Bürgermeister von Nazareth initiiert. Dieser Anstoß wird jetzt von der „Association Marie de Nazareth“ baulich umgesetzt werden. Letztendlich verantwortlich für das Zentrum wird allerdings die „Communauté du Chemin Neuf“, eine katholische Gemeinschaft aus Frankreich, die 1973 in Lyon gegründet wurde und heute fast 1.500 Mitglieder in 25 Ländern umfasst.

Geplant ist eine Multimediapräsentation „für Bewohner des Heiligen Landes und Touristen“, die eine Hilfe sein soll, „den Platz der Maria von Nazareth im Herzen des christlichen Glaubens“ zu verstehen, erklärt Marc Hodara, der Manager des neuen Zentrums. „Dabei ist es sehr wichtig, dass wir an einem Ort beginnen, den Jesus und Maria gekannt haben, an dem Jesus als Kind vielleicht gespielt hat.“ In Zusammenarbeit mit der Israelischen Altertumsbehörde wollen die französischen Katholiken das Wohnhaus aus der Zeit Jesu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Vielleicht muss dafür noch die Mauer aus der Mamelukkenzeit aus dem 15. Jahrhundert weichen. Die Ausgrabung wird im Eingangsbereich des Marien-Zentrums neben der Verkündigungsbasilika in Nazareth liegen.

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