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Ein letztes Wort zum Zweiten Libanonkrieg: Der Winograd-Bericht

Umwerfend Neues hatten der pensionierte Richter Elijahu Winograd und seine Kommissionskollegen nicht zu enthüllen, als sie ihren abschließenden Bericht über die 34 Kriegstage im Sommer 2006 der Öffentlichkeit vorstellten. Natürlich bekamen die Regierung Olmert und die Armeeführung schlechte Noten. Wie ein Refrain ein Lied durchzieht die Aussage, dass die Verantwortung für die "verpasste Chance" des Zweiten Libanonkrieges gemeinsam bei politischer und militärischer Führung liege, die 41 Paragrafen lange Zusammenfassung, die Richter Winograd sachlich regungslos in genau 30 Minuten verlas.

Aber Ehud Olmert, über dessen unmittelbar bevorstehenden Rücktritt in den vergangenen Tagen jedermann spekuliert hatte, hätte sich keinen besseren Bericht wünschen können. Besonders die Angehörigen von denen, die in diesem Krieg gefallen sind, hätten sich natürlich eine schärfere Beurteilung gewünscht. Für Olmert-Gegner war der Bericht eine regelrechte Strafe.

„Bodenoffensive war unvermeidbar“

Gerade die Entscheidung, 60 Stunden vor Kriegsende noch eine breit angelegte Bodenoffensive zu starten, bei der mehr als 30 Soldaten getötet wurden, bezeichnet der Kommissionsbericht als „nahezu unvermeidbar“. Trotz mangelnder Erfolge sei diese Entscheidung „kein Versagen in sich selbst“ und – soweit nachprüfbar – tatsächlich im Blick auf die Interessen Israels getroffen worden. Somit rechtfertigt Winograd das Verhalten der Regierung ausgerechnet an der Stelle, wo viele das entscheidende Skandalon der Regierungskoalition vermuteten.

Überhaupt weigerte sich die Untersuchungskommission, Olmert für sein politisches Versagen zu strafen – und überlässt dies der Öffentlichkeit beim nächsten Urnengang, oder der Knesset durch ein Misstrauensvotum. Elijahu Winograd betonte, es sei der Kommission in ihren Untersuchungen nicht um persönliche Schlussfolgerungen und Empfehlungen gegangen, sondern darum, künftig „strukturelle und systematische“ Fehler zu vermeiden, die während des Krieges „auf allen Ebenen“ begangen wurden. Die Kommission will ihre Arbeit nicht nur als Antwort auf die negative Stimmung in der israelischen Bevölkerung verstanden wissen, sondern vor allem als Schlüssel, um Lektionen aus den Fehlern des Krieges ziehen und „schnell und resolut“ umsetzen zu können.

Israel habe seine militärische Kraft nicht effektiv genutzt, bemängelt der Bericht, obwohl es sich um einen begrenzten Krieg gehandelt habe, den es noch dazu selbst initiiert hatte. Die „stärkste Armee des Nahen Ostens“ konnte trotz „absoluter Luftüberlegenheit“, Übermacht und technologischer Vorteile keinen eindeutigen Sieg gegen eine Miliz von wenigen Tausend Mann erreichen. Besonders schwerwiegend sei die Tatsache, dass die Armee bis zur ersten Augustwoche – also bis fast drei Wochen nach Kriegsbeginn – nicht in der Lage gewesen ist, eine Bodenoffensive durchzuführen.

Als besonders schwerwiegend gilt, dass die israelische Armee während der gesamten Kriegszeit keine Antwort auf die Bedrohung der Zivilbevölkerung Nordisraels durch die Raketen der Hisbollah fand. Vor allem eine sofortige Bodenoffensive im Südlibanon und eine „Säuberung“ der militärischen Infrastruktur der Hisbollah werden vermisst. Insgesamt seien militärische Erfolge auf diplomatischer Ebene nicht genutzt worden. Ausdrücklich kritisiert werden die Zielsetzung, Entscheidungsfindung, Zusammenarbeit und der Mangel an strategischem Denken in den zivilen und militärischen Apparaten.

Ein besonderer Tiefschlag für das gesamte politische wie militärische Etablissement des Staates Israel ist die Feststellung, dass ein Großteil der Verantwortung für das Versagen während des Krieges bei denen liegt, die in den Jahren davor für die Bereitschaft und Vorbereitung des Systems zuständig waren. Damit verteilt die Untersuchungskommission den Schwarzen Peter an alle, die in der vergangenen Dekade in Politik und Armee Israels Verantwortung getragen haben. Zumindest hätten die Missstände aufgedeckt werden müssen.

Lob für Luftwaffe

Neben den einfachen Soldaten, deren Mut und Opferbereitschaft die Prüfer lobend erwähnen, geht das einzige Kompliment im gesamten System ausgerechnet an die „beeindruckenden Erfolge der Luftwaffe“. Das heißt, an die Luftwaffe, die zuletzt unter der Leitung von General Dan Chalutz stand, der nach dem zweiten Libanonkrieg als Generalstabschef den Hut nehmen musste.

Wichtig ist Richter Winograd, dass die Existenz der Untersuchungskommission ein Zeichen der Stärke der politischen und militärischen Führung Israels ist. Er hofft, dass der Staat durch die Arbeit der Kommission gestärkt wird und warnt vor den ungewollten Folgen weit reichender Kritik. Defensive Reaktionen, stur nach Vorschrift zu arbeiten, Entscheidungsangst und Passivität seien auch künftig nicht erwünscht. Schließlich betont der Untersuchungsbericht, dass Israel im Nahen Osten nur überleben wird, wenn es aus einer Position der sozialen, politischen und militärischen Stärke heraus nach Frieden sucht. Dabei sei die Fähigkeit und der Wille, für den Staat, seine Werte und die Sicherheit seiner Bürger zu kämpfen, unabdingbar.

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