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Ein Journalist über Christen und „Likudniks“: Einseitigkeit bloßstellen

Israelische Anhänger des Likud-Blocks und „rechtsgerichtete Christen“ bilden „offenbar eine gefährliche Allianz“. Diese These stammt vom Hessischen Rundfunk. Die Frankfurter Radiomacher befragten dazu in der Sendung „Der Tag“ (HR 1) vom 1. Oktober den Jerusalem-Korrespondenten der „Frankfurter Allgemeinen (FAZ)“, Jörg Bremer. Was der bekannte Journalist so alles erzählt … – nachstehend die Abschrift des Gesprächs:

HR: „Jörg Bremer, Sie sind Korrespondent der FAZ in Jerusalem und Sie beobachten seit einiger Zeit, daß sich Anhänger der rechten israelischen Likud-Partei neuerdings mit rechten christlichen Gruppen zusammentun. Was ist das Ziel?“

Jörg Bremer: „Ich glaube, hier geht es darum – und das betrifft nicht nur die Likud-Leute hier in diesem Land, sondern weltweit Likud-Leute, also Juden, in der Regel auch säkulare Juden – die Pressebewegung in den Ländern zu verfolgen. Also: Likudniks in den Vereinigten Staaten, in England, aber auch in Frankreich, und eben auch in Deutschland, sind dabei, sich die Zeitungen genau anzusehen und zu gucken: Steht da irgendwas drin, was unserem Ministerpräsidenten Sharon wehtun könnte? Steht da irgendwas drin, was antisemitisch sein könnte? Da es ja in vielen Ländern gar nicht viele Juden gibt und auch gar nicht viele Likudniks, sind die sehr dankbar, wenn sich dann eben auch diese rechten christlichen Gruppierungen an sie heranwagen, für die ja alles das richtig ist, was in diesem Lande geschieht – weil es ja von Gott kommen muß.“

HR: „Das ist, so wie Sie es beschreiben, Gesinnungsschnüffelei. Wer ist denn davon konkret betroffen?“

Bremer: „Also, ich bin auch so eins von den Opfern gewesen. Der Alexander von Sobeck, unser ZDF-Korrespondent, ist ein anderes deutsches Opfer. Es gibt derzeit zum Beispiel eine Riesenkampagne gegen die New York Times, die in vielerlei Hinsicht immer wieder darunter zu leiden hat, daß es sehr viele Juden gibt – aber eben auch im Southern Bible Belt der Vereinigten Staaten eine Unzahl von fundamentalistischen Christen, die der Meinung sind: Eine richtige Israelberichterstattung muß in jedem Falle auch das gut finden, was welche Regierung auch immer macht.

Das sind zum Teil bei diesen Christen dann eben gar keine Kenner dieses Landes. Das sind zum Teil auch keine Menschen, die Politik kennen oder die den Likud unterstützen. Sondern sie sind der Meinung: In der Bibel steht, daß das, was in diesem Lande geschieht, biblisch richtig ist und gottgewollt. Also kann es gar nicht falsch sein, was welche Regierung auch immer in diesem Lande tut.“

HR: „Also, Herr Bremer, das würde ich gern genauer wissen. Wenn Sie es uns nicht an Ihrem Beispiel schildern wollen, aber vielleicht nochmal am Beispiel des Kollegen vom ZDF. Was passiert da konkret? Das heißt, Leute werden aufgefordert von rechten christlichen Gruppen, Briefe an den Sender zu schreiben – und dann?“

Bremer: „Ja, so ist es. Ich kann ja gern über meinen eigenen Fall sprechen, weil der mich doch ein wenig betroffen gemacht hat. Weil ich eigentlich wirklich nicht als Antisemit gelten will. Nein, ich lebe gern in diesem Lande Israel, ich bin für einen starken Staat Israel. Aber zwei Artikel reichten dieser Gruppe aus – und ich schreibe nun täglich welche. Zwei Artikel aus einmal April, einmal irgendwann im Juli reichten einer Gruppe aus, die sich Honestly Concerned nennt, diesen Bremer fertigzumachen. Und dann werden lange, lange Leserbriefe formuliert und unendliche Verknüpfungen von Unterstellungen und böswilligen Bemerkungen aneinandergereiht, und dieser Brief wird ins Internet gestellt.

Dann wird versucht, möglichst viele andere Gruppierungen und andere Leute, vor allem eben weil es ja so viele Israelis und Likudniks in Deutschland nicht gibt, vor allen Dingen eben religiös christliche betroffene Menschen dazu zu finden, die dann in der Regel denselben Brief, nur mit einem anderem Absender, an meine Redaktion schicken. Die Idee ist, den Korrespondenten zu trennen von seiner Zeitung, die Berichterstattung der ganzen Zeitung fertigzumachen, die Einseitigkeit bloßzustellen.

Ich war so betroffen und so fertig zunächst, daß ich dachte: Das kann ja wohl nicht wahr sein, was lesen die da? Und ich fühlte mich wirklich sehr in meiner eigenen Professionalität getroffen und habe dann sehr schnell gemerkt, daß es sich hier gar nicht nur um Likudniks handelt, sondern in sehr viel größerer Zahl um diese Christenmenschen. Ich habe einfach christlich zurück argumentiert, habe dann über das Leid bestimmter Menschen in den palästinensischen Gebieten gesprochen, über Christen in Bethlehem, in Beit Sahur und in Beit Jala. Und ich habe bemerkt, daß die dann aufhorchten und dachten: Um Gottes willen, ja. Das sind Christen. Ja, und dann wurden die Leute unsicher, und so konnte ich diese Aktion gegen mich durchbrechen.“

HR: „Anhänger des Likud und christliche Fundamentalisten – das ist offenbar eine gefährliche Allianz auf Kosten der Meinungsfreiheit. Jörg Bremer, Jerusalem-Korrespondent der FAZ, vielen Dank.“

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