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Ein Beatle in Israel

Am Donnerstagabend findet im Tel Aviver Jarkon-Park das "größte Ereignis" in der Geschichte des 60 Jahre alten Staates Israel statt. Mehr Israelis werden kommen, als jüngst Mitglieder der Kadima Partei für die Nachfolge des geschassten Premierministers Ehud Olmert ihre Stimme abgegeben haben. Die billigsten Stehplätze kosten nur 100 Euro. Betuchte Israelis können für den zehnfachen Preis einen Sitzplatz auf einer Tribüne erwerben. Für sie ist ein roter Teppich ausgelegt worden, bis zu den billigen ungepolsterten Plastiksesseln.

„Ganz aus der Nähe“, lediglich siebzig Meter entfernt, werden sie Sir Paul McCartney auf einer Bühne genießen können, wie es sie in Israel noch nicht gegeben habe, mit zehn Meter hohen Leinwänden und anderem Schnickschnack, den über hundert extra aus London angereiste Techniker seit Tagen aufgestellt haben. Das super-luxuriöse Promi-Zelt wurde extra aus Südafrika eingeflogen.

Verspätete Beatle-Manie

Mit 44-jähriger Verspätung ist in Israel die Beatle-Manie ausgebrochen. Denn als die vier „Pilzköpfe“ auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in aller Welt kleine Mädchen vor Verzückung in Ohnmacht fallen ließen mit Klassikern wie „Love me do“ oder „Help“, war deren Auftritt in Israel kurzfristig abgesagt worden. Der Erziehungsminister, so die Legende, befürchtete „schlechten Einfluss“ auf die damals noch streng ideologisch und ein klein wenig stalinistisch erzogene Jugend. Doch jetzt ist der alternde „Sir Paul“, Jahrgang 1942, herzlich willkommen und wird mit seinem Uralt-Schlager „Wenn ich 64 bin“ Begeisterungsstürme der Nostalgie bei jener grauhaarigen Generation auslösen, die sich heute noch so jung fühlt wie Ende der sechziger Jahre.

PR-Beauftragte reiben sich die Hände. Denn das feiernde Tel Aviv soll Israels künftiges Ansehen in der Welt nachhaltig bestimmen, anstelle der Bilder von Krieg und Konflikt oder gar des steinernen Jerusalem mit seinen Exzessen mittelalterlicher Frömmigkeit. Zufrieden verzeichnen die Medien, dass Paul McCartney alle Boykott-Aufrufe von Friedensaktivisten und friedliebenden Palästinenserorganisationen zurückgewiesen hat. Die sahen in seinem Auftritt in Tel Aviv eine erhebliche Störung ihrer Bemühungen um Unfrieden. In der Tat wird das Konzert in Tel Aviv eine andere PR-Aktion buchstäblich ins Wasser fallen lassen. Denn von Zypern aus wollten am Donnerstag wieder mit einem Fischerboot Friedensaktivisten unter dem Motto „Befreit Gaza“ starten, um erneut die israelische Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Diesmal sind Abgeordnete, Ärzte und eine Nobelpreisträgerin aus Irland an Bord, um die eingeschlossenen Palästinenser mit Medikamenten zu beglücken, obgleich täglich dutzende Lastwagen viel billiger auf dem Landweg Medikamente, Schulbücher, Tierfutter und tonnenweise Kieselsteine in den Gazastreifen durch die längst wieder geöffneten Grenzübergänge transportieren.

McCartney darf rote Ampeln überqueren

Dienstagnacht ist Sir Paul McCartney mit seinem Privatflugzeug und seiner Lebensgefährtin, der Millionärserbin Nancy Shevell, tatsächlich in Israel gelandet. Verfolgt von Paparazzi und Fans, die seine Unterschrift auf alten Platten erbettelten, besuchte der britische Staatsgast zunächst Jaffa und fuhr dann weiter nach Jerusalem und Bethlehem. „Die Polizei begleitete ihn auf allen seinen Wegen und ließ ihn sogar rote Ampeln passieren“, beklagte sich ein abgehängter Pressefotograf, „denn wir müssen an den roten Ampeln stoppen und verlieren die offizielle Autokolonne dann aus den Augen.“ Im Rundfunk wurde eine umfassende Diskussion losgetreten, wieso denn dieser Sänger „die Ehre“ erhalte, mit polizeilicher Genehmigung rote Ampeln zu passieren. In Bethlehem, wo Paul McCartney vor der Geburtskirche nur wenigen Fans begegnete, machte Sir Paul dann sogar eine politisch relevante Äußerung. Gemäß dem Titel seines klassischen Schlagers „All we need is love“, sagte er: „Alles was wir brauchen, ist Frieden“.

Sogar für das Geschäftliche wurde rechtzeitig und vertraglich gesorgt. Genau eine halbe Stunde vor seinem denkwürdigen Auftritt im Jarkon-Park wird das abgesprochene Honorar von einem Treuhand-Konto auf das Konto des millionenschweren Beatle überwiesen. Denn Künstler haben schon schlechte Erfahrungen in Israel gemacht. Elton John hat mal ein Konzert gegeben. Nachdem er gesungen hatte, waren die israelischen Manager mitsamt dem versprochenen Honorar abgetaucht.

Bis Donnerstag früh waren nur etwa 38.000 der 50.000 Tickets verkauft. Ein Sprecher der Eisenbahn entschuldigte sich dafür, „auf die Schnelle“ nicht genügend Waggons bereit gestellt zu haben, um die Fans nach dem seit Monaten angekündigten Konzerts wieder nach Hause zu bringen. Um 21:15 Uhr wird fahrplangemäß die letzte Eisenbahn abfahren, während das Konzert bis in die späten Abendstunden andauern dürfte. Notgedrungen werden die Konzertgäste im Auto anreisen müssen und Tel Aviv verstopfen. Organisationstalent war noch nie eine israelische Stärke, selbst bei „historischen Ereignissen“.

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