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Die Waffe der Überlebenden

Mit ihrer Ausstellung "Überlebende" zeigt die Fotografin Aliza Auerbach nicht nur die Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens in Israel. Sie macht auch das Aufbäumen der ehemals Verfolgten gegen die Nazi-Ideologie deutlich. Die schärfste Waffe der Holocaust-Überlebenden ist die Familie.

Eine schneebedeckte Wiese, eine Blechhütte, Schienen, die ins Nirgendwo führen – so trostlos empfängt Aliza Auerbach die Besucher ihrer Fotoausstellung „Überlebende“ im Centrum Judaicum, der Stiftung Neue Synagoge, in Berlin. Das Bild „Jerusalem Terminal in the snow“ zeigt wenig und doch ein Stück jüdische Geschichte. Es erzählt von der Vertreibung und der Einsamkeit – um überzuleiten in eine Fotosammlung, die das Aufbäumen jüdischer Familien gegen die Ausrottungsideologie Hitlers demonstriert.

Auerbach hat fotografiert und festgehalten, wie die Juden eben nicht vernichtet wurden – in Familienportraits israelischer Einwandererfamilien aus ganz Europa. Sie zeigt orthodoxe und nichtgläubige Juden, große Familien und kleine in ebenso bunten wie fröhlichen Bildern. Und sie zeigt die Ältesten der Familien, die Holocaust-Überlebenden selbst, in großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien. Vielen von ihnen steht das vermeintlich überwundene Leid der Verfolgung noch immer ins Gesicht geschrieben.

Eine Ausstellung von Lebensgeschichten

Doch „Überlebende“ ist weniger eine Fotoausstellung als eine Ausstellung von Biografien. Der Besucher kann den entkommenen Juden nicht nur ins Gesicht schauen, er kann jede ihrer Lebensgeschichten in seitenlangen Dossiers nachlesen. Aliza Auerbach hat ihre Modelle erzählen lassen – so wie Laura und Jacques Stroumsa.

Laura Stroumsa lebte in Griechenland, als für sie die Zeit des Terrors begann. Gemeinsam mit 45 anderen jüdischen Familien müssen sie und ihre Verwandten das Land verlassen. Die Mitarbeiter des Konsulats begleiten sie noch mit Blumen zum Bahnhof, die Familien steigen in einen Zug und fahren los. Nach 200 Kilometern halten sie an. Deutsche Soldaten zwingen sie, in einen Viehwagen umzusteigen. Die deutsche Grenze ist erreicht. Nächste Station: Auschwitz. Stroumsas Mutter stirbt im Lager an einer bakteriellen Infektion, Laura bekommt Typhus. Doch sie überlebt. 1945 werden sie und ihr Vater befreit. In einem Krankenhaus in Belgien stellen die Ärzte bei ihm eine unheilbare Krebserkrankung fest. Die Tochter pflegt ihren Vater bis zu seinem Tod. Und sie lernt Jacques kennen. Auch er ist aus Griechenland. Und auch er ist den Nazis entkommen.

Die Familie bietet Hitler die Stirn

1943 kommt er gemeinsam mit seiner im achten Monat schwangeren Frau, seinem Vater, seiner Mutter und seinen zwei Brüdern nach Auschwitz-Birkenau. Die Nazis töten seine ganze Familie wenige Stunden nach der Ankunft. Nur er bleibt am Leben. Ein Wärter findet heraus, dass Jacques Stroumsa Violine spielen kann. Er kommt ins Orchester von Birkenau. Bis die Alliierten seinem Schrecken 1945 ein Ende bereiten, wechselt er mehrmals das Lager. „Um sieben Uhr abends kamen die Amerikaner, um uns zu befreien und fanden dort eine Ansammlung von menschlichen Skeletten vor. Sie warfen uns Zigaretten zu – Lucky Strike. Welch eine Ironie“, berichtete er Aliza Auerbach. 1947 heiraten Laura und Jacques. Sie bekommen drei Kinder. 1968 wandern sie nach Israel ein. Mittlerweile haben sie sechs Enkel und zwei Urenkel. Die Familie ist ihr persönlicher Kampf gegen die Ausrottung. Denn wodurch mögen sie Hitlers Ideologie wohl mehr mit Füßen treten, als durch ein Familienfoto mit 13 Personen und einer gemütlich im Vordergrund sitzenden Katze?

Die Fotografin Aliza Auerbach ist in Israel geboren und studierte Philosophie und Bibelwissenschaft in Jerusalem. 1972 begann sie, sich voll und ganz der Fotografie zu widmen. Lange Zeit war sie für Zeitungen wie die „New York Times“, die „London Times“, die „Jerusalem Post“ oder „Ha´aretz“ tätig. Heute engagiert sie sich mehr denn je im künstlerischen Bereich. Ihre Ausstellung „Überlebende“ ist noch bis zum 27. Januar im Berliner Centrum Judaicum zu sehen.

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