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Die Räumung der Siedlungen – Ein Rückblick

„Nicht ein einziger Stein wurde geworfen!“, fasst ein israelischer Reporter die Räumung von Sa-Nur zusammen. Gerade im Falle der beiden Ortschafen Sa-Nur und Homesch im Norden von Samaria war im Vorfeld viel vom harten Kern der Siedler und ihren Waffenlagern gesprochen worden. Aber nicht einmal die im Vorfeld ausgesprochenen Selbstmorddrohungen wurden verwirklicht. Journalisten des englischen Senders BBC hatten sich bereits in den ersten Tagen des Gazarückzugs bei israelischen Kollegen beschwert: „Hier ist ja gar nichts los!“

Tatsächlich ist das eigentlich Spektakuläre am Rückzug der israelischen Zivilisten aus dem Gazastreifen und Nordsamaria, mit wie wenig Gewalt die Räumung von mehr als 10.000 Siedlern und Rückzugsgegnern aus 25 Siedlungen in einem Zeitraum von nur sechs Tagen vollzogen wurde. Der viel beschworene Geist namens „Bürgerkrieg“ erwies sich als machtlos und verflüchtigte sich sang- und klanglos, sobald die Flasche entkorkt war.

Die israelischen Sicherheitskräfte ertränkten jeden Widerstand mit schierer Masse. Auf jeden Israeli, der zu räumen war, kamen oft mehr als vier Polizisten oder Soldaten. Aber die Reden ausländischer Kommentatoren von „der israelischen Militärmaschinerie“ standen im krassen Gegensatz zum taktvollen und psychologisch exzellenten Vorgehen der meist sehr jungen Soldatinnen und Soldaten. Es sind nicht Schlägereien oder gar Schießereien, sondern die Szenen gemeinsam weinender und betender Siedler und Soldaten, die sich tief in das Bewusstsein der israelischen Bevölkerung eingeprägt haben.

Oberst Tal Russo, unter dessen Kommando die Siedlungsräumung in Samaria stattfand, sieht den Grund für den erstaunlich ruhigen und schnellen Räumungsverlauf aber nicht nur in der Disziplin der Sicherheitskräfte, und dass sie auf alle Eventualitäten vorbereitet waren. „Der Schlüssel war das Verhalten der Siedler“, bekennt Russo. „Diese Leute sind die Sahne unserer Gesellschaft!“ Beeindruckt hat Eli, ein Gärtner aus Jerusalem, die Räumung zu Hause vor dem Fernsehen verfolgt. „Hätte ich das vor drei Wochen vorhergesagt“, meint ein TV-Kommentator, „hätte mir das niemand geglaubt!“

Natürlich gab es Terror aus den Reihen der Abzugsgegner: Die beiden Anschläge in Schefar´am und Schilo, bei denen insgesamt acht Araber erschossen wurden. Wer das betont, sollte aber nicht vergessen, dass im gleichen Zeitraum Palästinenser mindestens 19 Mal das Feuer auf Israelis eröffneten, zwei Kassam-Raketen und zehn Mörsergranaten vom Gazastreifen aus auf israelische Ziele abgefeuert und mindestens drei palästinensische Bombenattentate verhindert wurden. Für eine angemessene Beurteilung ist auch entscheidend, wie die jeweiligen Gesellschaften und Politiker mit dem Terror aus den eigenen Reihen umgehen.

Kommentare, Prognosen und Berichterstattung der israelischen Medien zeigen, dass sich selbst Experten verschätzt haben. Uri Cohen-Aharonov vom ersten israelischen Fernsehen mahnt an, dass die Medien ihre eigenen Klischees überdenken und Rechenschaft ablegen müssten. Auch die Abzugsgegner haben in den vergangenen Wochen und Monaten ein großes Verstehensdefizit im Blick auf ihre säkularen oder politisch linken Mitbürger deutlich werden lassen. Die plump-lieblose Vorgehensweise gegenüber Andersdenkenden im Allgemeinen und Medienvertretern im Besonderen und der propagandistische Missbrauch von Kindern und Holocaustassoziationen haben manchen Israeli noch weiter von den Nationalreligiösen entfremdet.

Der Graben innerhalb der israelischen Gesellschaft ist und bleibt groß. „Verflucht ist, wer seinen Bruder aus dessen Haus vertreibt!“ stand bis zuletzt vor den Augen der ganzen Nation in riesigen Lettern auf dem osmanischen Gebäudekomplex der Siedlung Sa-Nur. „Die Rabbiner sind keine Geistlichen, sie sind Fanatiker“, wettert der letzte holocaustüberlebende Knessetabgeordnete Josef „Tommy“ Lapid von der radikal-säkularen Schinuipartei aller Disziplin und allem gewaltlosen Widerstand der Siedlerbewegung zum Trotz. Nicht nur im Verhältnis zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomie, sondern vor allem auch innerisraelisch bleibt das Konfliktknäuel unberechenbar. Im Blick auf die Zukunft ist nur eines gewiss: Viele Überraschungen.

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