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Die Annexion ist eine Wundertüte

Mehrmals drohte Präsident Abbas bereits mit der Auflösung der Palästinensischen Autonomiebehörde. Schritte im Vorfeld der angekündigten Annexion deuten darauf hin, dass er damit diesmal ernst macht. Eine Analyse von Ulrich W. Sahm
Wenn die palästinensische Polizei ihre Waffen an die Israelis übergibt, könnte sie sich nicht mehr gegen die Hamas wehren

Noch weiß niemand, was am kommenden Mittwoch passieren wird. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat angekündigt, am 1. Juli Teile des ursprünglich von Jordanien 1967 eroberten und besetzten Westjordanland zu annektieren. Im Wesentlichen geht es ihm dabei um die fast menschenleere Jordansenke und eventuell auch noch um die großen israelischen Siedlungsblöcke, in denen ohnehin schon israelisches Recht angewandt wird und nicht militärisches Besatzungsrecht. Auch wenn man auf den Autobahnen, darunter in der Jordansenke, zu schnell fährt, stoppt einen die israelische Zivilpolizei und nicht etwa ein Militärfahrzeug. Die Annexion, die eigentlich ein formaljuristischer Begriff für die Ausweitung der zivilen Staatsgesetze auf militärisch besetztes Gebiet steht, scheint also de facto längst vollzogen zu sein.

Weil sie kein Hebräisch lesen können, behaupten Korrespondenten gleichwohl, dass im ehemals besetzten, aber schon 1967 annektierten Ostjerusalem „Militärs“ für Recht und Ordnung sorgen. Bei genauem Hinschauen stellt sich jedoch heraus, dass jene „Militärs“ auf ihren Schulterklappen und Mützen die hebräische Aufschrift „Polizei“ tragen. Wie die Bundespolizei oder der Grenzschutz in Deutschland handelt es sich demnach um eine dem Innenministerium unterstellte Polizeitruppe und nicht um „Militär“.

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter Mahmud Abbas hat mehrfach mit ihrer Auflösung gedroht, unter anderem nach der Verlegung der US-Botschaft ins Niemandsland bei Jerusalem. Die im Gazastreifen herrschende Hamas erklärte gar, dass eine Umsetzung der Annexionspläne einer „Kriegserklärung“ gleichkäme. Das bedeutet wohl, dass aus Sicht der Hamas die Angriffe auf Israel Israels mit Tausenden Raketen, bei denen Häuser, Autos und Wälder zerstört und Menschen getötet wurden, nicht als „Kriegerklärung“, sondern vielleicht als freundschaftliche Nachbarschaftsgrüße interpretiert werden müssten.

Abbas lässt Waffen der Sicherheitsdienste einsammeln

Während bisher den Drohungen der PA kaum konkrete Schritte folgten, scheint es Präsident Abbas diesmal ernster zu meinen. Israelische Korrespondenten für arabische Angelegenheiten berichten, dass Abbas die Weisung ausgegeben habe, alle Waffen der Polizei und Sicherheitsdienste zu registrieren und einzusammeln. Dieser Schritt sei schon weitgehend vollzogen, berichten die in den palästinensischen Gebieten gut vernetzten Journalisten.

Am Mittwoch, sowie Netanjahu die angekündigte Annexion vollzieht, sollen Lastwagen die eingesammelten Waffen mitsamt Munition nach Beit El bringen, um sie im Hauptquartier der israelischen Militärbehörden im Westjordanland zu übergeben. Ab dann sei es wieder die Aufgabe der Israelis, für Recht und Ordnung zu sorgen. Denn dieser Schritt käme einer Auflösung der Autonomiebehörde gleich, wobei die palästinensische Polizei sich dann nicht einmal mehr gegen eine gewaltsame Machtübernahme durch die Hamas oder gegen Terroranschläge wehren könnte.

Diese Schritte, auch wenn sie noch nicht vollzogen sind, haben in Israel schon große Besorgnis ausgelöst. Das Militär bereitet sich auf Ausschreitungen im Westjordanland vor.

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