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Deutschlands „friedlicher Kreuzzug“

Mit einem "friedlichen Kreuzzug" haben deutsche Christen, evangelikale Templer und Katholiken das von den Osmanen vernachlässigte Heilige Land ab Mitte des 19. Jahrhunderts modernisiert und zu einem internationalen Anziehungspunkt gemacht. Es waren in erster Linie Deutsche, die als Wegbereiter der jüdischen Zionisten und der palästinensischen Nationalisten dienten. Das sagte der israelische Historiker Chaim Goren, unter dem preußischen Adler und einem Wappen von Kaiser Wilhelm II. im Rittersaal der Auguste Victoria Kirche auf dem Jerusalemer Ölberg stehend.

Palästinenser und Israelis, Juden, Christen und Moslems präsentierten in trautem Einvernehmen die glorreiche Vergangenheit der erzieherischen Einrichtungen von Johann Ludwig Schneller (1820-1896) und seiner Erben in Jerusalem, Beirut und Amman. Offizieller Anlass des Symposiums an historischer Stätte war das 150-jährige Jubiläum des „Syrischen Waisenhauses“ in Jerusalem. Dort wurde kürzlich in der baufälligen Kirche der alte Altar wiederentdeckt, zur Auguste Victoria Kirche gebracht und am Sonntagabend feierlich neu geweiht.

Der deutsche Imperialismus der Kaiserzeit hat in Jerusalem die sichtbarsten und pompösesten Bauwerke hinterlassen, darunter die mächtige Auguste Victoria Kirche auf dem Ölberg, die katholische Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg, den riesigen Komplex der Paulskirche und der Schmidtschule nahe dem Damaskustor und die Erlöserkirche mitsamt einem alles überragenden Kirchturm neben der Grabeskirche.

Doch Deutschland hinterließ nicht nur mit Architektur unübersehbare Spuren. Der palästinensische Pastor Mitri Raheb aus Bethlehem erzählte von dem Handwerk, in das schon sein Großvater in einer Schneller-Schule eingewiesen worden war, und das bis heute in der palästinensischen Gesellschaft vorbildlich weitergeführt werde. Goren berichtete von dem Versuch einer „Wiedereroberung“ des Heiligen Landes durch Christen mit Wissenschaftlern, Geistlichen und Bauherren ab dem 19. Jahrhundert. Der israelische Architekt Gil Gordon legte dar, wie sich bei den Schnellers antisemitische Klischees und Vorurteile gegen Juden wandelten, je mehr sie den zahlreich zugewanderten und schließlich tonangebenden Juden in Jerusalem und anderen Teilen des Heiligen Landes begegnet seien.

Der Palästinenser Nazmi al-Jubeh betonte die symbolische Bedeutung des Aufbrechens der Stadtmauer Jerusalems beim Jaffator 1898 kurz vor dem wohl bedeutendsten Staatsbesuch jemals im Heiligen Land: Kaiser Wilhelm II. Die Mauer war von Suleiman dem Prächtigen im 15. Jahrhundert errichtet worden. „So haben die Osmanen auch symbolisch Jerusalem dem modernen Zeitalter und dem Westen geöffnet.“ Kaiser Wilhelm II. sei allerdings empört gewesen über den „barbarischen Akt“ der Zerstörung eines Teils der Stadtmauer, sagte der Forscher Jakob Eisler. Ein Teilnehmer wusste, dass die Errichtung der bis heute im libanesischen Beirut bestehenden Schneller-Schule mit Geldern finanziert worden sei, die Israel 1951 als „Wiedergutmachung“ und Entschädigung für deutsches Eigentum an die Bundesrepublik gezahlt habe, das nach der Gründung Israels in Staatsbesitz übergegangen sei.

Wulffs Abwesenheit stößt auf Unmut

Bei den Teilnehmern und Veranstaltern dieses Symposiums gab es Unmut darüber, dass zeitgleich, nur 500 Meter Luftlinie entfernt, das heutige deutsche Staatsoberhaupt, Bundespräsident Christian Wulff, seine Aufwartung in der Hebräischen Universität auf dem Skopusberg machte und danach zum Singen von Adventsliedern zur Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg gefahren sei.

Während die Entourage des Bundespräsidenten offenbar nicht einmal über das – vom Berliner Außenamt mitfinanzierte – Symposium informiert worden war, erklärten deutsche Diplomaten, dass ein Abstecher Wulffs zur Auguste Victoria aus „politischen Gründen“ unmöglich gewesen sei. Es wäre einer Anerkennung der israelischen Besatzung Ostjerusalems gleich gekommen. Der Diplomat blieb freilich eine Antwort schuldig, wieso die Fahrt von Westjerusalem zur ehemaligen israelischen Enklave der Universität auf dem Skopusberg quer durch Ostjerusalem keine politischen Folgen habe. Die Autokolonne des Bundespräsidenten hätte genauso gut den Weg an Auguste Victoria vorbei nehmen und kurz anhalten können.

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