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Der Schwelbrand im Herzen Jerusalems

Es ist ein Schwelbrand, der sich seit Wochen weigert, gelöscht zu werden und mittlerweile schon mehr als hundert Verletzte gefordert hat. Die alten Bilder von steinewerfenden Jugendlichen und Polizisten in Schutzanzügen gehen durch die Medien. Auf den Straßen von Judäa und Samaria, wie auch in den arabischen Stadtteilen Jerusalems werden Brandbomben geworfen. Wenn man fragt, weiß niemand so recht, warum sich Araber und israelische Sicherheitskräfte dieses Mal Straßenschlachten liefern.

Angefangen hatte alles am 25. September 2009 mit einer Freitagspredigt des ehemaligen Jerusalemer Großmuftis Scheich Ekrima Said al-Sabri. Er hatte alle Moslems aufgerufen, die Heilige Al-Aksa-Moschee auf dem Haram asch-Scharif – wie die Araber den Tempelberg nennen – zu verteidigen. Seit mindestens einem Jahrhundert haben islamische Führer in Jerusalem immer wieder die moslemische Bevölkerung des Landes mit dem Ruf „Die Al-Aksa ist in Gefahr!“ erfolgreich gegen ihre jüdischen Mitbürger aufgehetzt. Deshalb warteten dann 200 aufgebrachte palästinensische Jugendliche am Sonntagmorgen bereits um 5 Uhr in der Früh auf die „jüdischen Fanatiker“, die angeblich vorhatten, die Al-Aksa-Moschee zu entweihen. Als um 7.30 Uhr dann das Mughrabi-Tor für nicht-moslemische Besucher geöffnet wurde, wurde eine französische Touristengruppe mit einem Steinhagel empfangen.

Der als gemäßigt geltende palästinensische Premierminister Salam Fajjad beschrieb die Ereignisse vom 27. September als „Angriff von extremistischen jüdischen Siedlern auf den Tempelberg“ – doch die waren nie auf dem Haram asch-Scharif erschienen, hatten noch nicht einmal die Absicht dazu geäußert. Das Haschemitenkönigreich Jordanien sieht sich selbst als Hüter der Heiligen Stätten Jerusalems. Umgehend warnten die Jordanier Israel, „weitere Provokationen“ könnten „die Gewalt in der Region schüren und die Friedensanstrengungen untergraben“. Dabei ist die Provokation ganz offensichtlich, dass Israel allen Besuchern unabhängig von Rasse, Geschlecht oder Religion den Zugang zu den Heiligen Stätten Jerusalems ermöglichen will – wobei das Beten auf dem Tempelberg für Juden und Christen verboten ist. Bibeln und jüdische Gebetbücher werden bei der Sicherheitskontrolle vor Betreten des Geländes traditionell konfisziert.

Aus Behauptung wird „Herausforderung für muslimische Welt“

Der stellvertretende Anführer der islamischen Bewegung in Israel, Kamal Chatib, behauptet einen „realen und täglichen Sturm“ der Israelis auf die Al-Aksa-Moschee und eine „Eskalation der israelischen Bedrohung“. Scheich Raed Salach, der die islamische Bewegung in Israel leitet, sprach von einer „fortgesetzten Vergewaltigung der Al-Burak-Mauer, die zur Al-Aksa-Moschee gehört, und ihrer Umbenennung in Klagemauer“ und rief seine Nachfolger auf, die Heilige Stätte zu verteidigen. Der Berater der islamischen Bewegung in Jerusalemfragen, Ali Abu Schaicha, behauptete dann zwei Wochen nach Beginn der jüngsten Unruhen am 9. Oktober: „Die israelische Besatzungsbehörde hat Tausende von Siedlern und extremistischen Juden mobilisiert, um während des Laubhüttenfestes ihre Rituale in der Al-Aksa-Moschee zu verrichten.“ Allein diese Behauptung des israelischen Islamisten, die jeder nachprüfbaren Realität entbehrt, ist aber schon eine „Herausforderung für die muslimische und arabische Welt“ und gilt als „böser israelischer Plan, die Al-Aksa-Moschee zu stürmen“.

Offensichtlich hatten arabische Abgeordnete im israelischen Parlament Mühe, den Zug der antijüdischen Hetze nicht zu verpassen. Dschamal Sahalka wiederholte am 23. Oktober den Vorwurf, die israelische Regierung grabe unter der Al-Aksa-Moschee, was im Falle eines Erdbebens eine ernsthafte Gefährdung des Gebäudes bedeute. Sein Kollege Talab as-Sana meinte: „Israel provoziert eine Milliarde Moslems in der ganzen Welt, die nicht zögern werden, den Tempelberg mit ihrem Körper zu beschützen.“ Und: „Die israelische Polizei initiiert vermeidbare Unruhen, die in Blutvergießen enden, wenn sie Extremisten erlauben, die Al-Aksa-Moschee zu entweihen.“

Muslimische Bautätigkeit gefährdet Tempelberg

Dass es Moslems sind, die durch ihre Bautätigkeit in den vergangenen Jahren die Statik des uralten Geländes gefährdet haben und die israelische Polizei tatsächlich alles in ihrer Macht Stehende tut, um äußerlich als Juden erkennbare Menschen vom Besuch des Tempelbergs – der für Juden die heiligste Stätte ihres Glaubens ist – abzuhalten, tut der Hetzkampagne keinen Abbruch. So griff Hamas-Politbürochef Chaled Mascha´al Ende Oktober in Damaskus den Faden auf und stellte klar: „Das Schicksal Jerusalems wird durch den Heiligen Krieg und Widerstand entschieden, nicht durch Verhandlungen.“

Ultra-orthodoxe jüdische Rabbiner werden derweil nicht müde, zu wiederholen, dass das Betreten des Tempelbergareals für Juden verboten ist. Der Grund dafür ist laut Schmuel Rabinowitz, dem Chefrabbiner an der Westmauer, das jüdische Gesetz: „Wir sind bislang noch nicht in der Lage, uns so zu reinigen, dass wir den Ort des Allerheiligsten betreten dürften. Wir hoffen, einmal hinaufgehen zu können. Aber die Zeit dafür ist noch nicht reif.“

Wie es weitergehen wird, weiß niemand. Die „Jerusalem Post“ fragt sich, wann die Situation außer Kontrolle gerät. Religiöse und säkulare Juden in Israel, Orthodoxe und Antireligiöse beginnen darüber nachzusinnen, was man mit der Toleranz der vergangenen Jahrzehnte falsch gemacht hat. Was radikale Muslime in Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten als Ursache für ihren Zorn behauptet haben, scheint mehr und mehr das Ergebnis ihres Aktivismus zu werden: Das jüdische Volk blickt in Richtung Tempelberg und stellt die Frage, ob es dort nicht doch eine Zukunft hat.

Mittelalter: Wichtiger Rabbiner besuchte Tempelberg

„Die moslemische Welt nutzt unser Fehlen auf dem Tempelberg aus und bemüht sich, alle Spuren einer jüdischen Verbundenheit mit diesem Ort auszuradieren“, erklärt Rabbi Alon Goschen-Gottstein. Gläubige Juden erinnern sich daran, dass der größte Rabbiner aller Zeiten, Rabbi Mosche Ben Maimon, im Jahr 1165 auf dem Tempelberg gebetet hat – und stellen das Verbot ihrer Rabbiner, die Heilige Stätte zu betreten, in Frage. „Mosche Dajan hat einen Fehler gemacht, als er die israelische Flagge 1967 wieder einholen ließ und die Verwaltung des Tempelbergs den Muslimen übergab“, konstatiert die „Jerusalem Post“ in einem Editorial.

Angesehene Rabbiner wie der ehemalige sefardische Oberrabbiner Mordechai Elijahu oder der Haifaer Oberrabbiner Schear Jaschuv Kohen scheuen sich nicht mehr, öffentlich den Bau einer Synagoge auf dem Tempelberg zu fordern. Die Likud-Abgeordnete Zippi Hotovely ist der Ansicht: „Je weiter wir uns vom Tempelberg zurückziehen, desto mehr nimmt die Gewalt zu – und wird sich auf andere Teile Jerusalems, wie etwa die Westmauer, ausdehnen.“

Einen Monat nach der Freitagspredigt von Scheich Ekrima Sabri forderte eine Gruppe von Rabbinern und religiösen Politikern ihre Gefolgschaft auf, den Tempelberg gerade jetzt zu besuchen. Sie triumphieren über einen Erlass des Obersten Gerichts, dass Juden grundsätzlich das Recht haben, auf dem Tempelberg zu beten – was die israelische Polizei mit Berufung auf einen Regierungsentscheid aus dem Jahre 1967 und aus Angst vor moslemischer Gewalt bislang verboten hat.

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