JERUSALEM (inn) – Zwischen dem Jom HaSchoa und dem Jom HaSikaron laden die Stadt Jerusalem und die Angehörigen der sechs im vergangenen August ermordeten Geiseln zu Gebet und Gesang ein. Den Veranstaltern zufolge folgten am Sonntag 6.000 Menschen der Einladung. „Je 1.000 Menschen für eine der ermordeten Seelen“, stellte ein Vater der Opfer auf der Bühne bewegt fest.
Rachel Goldberg-Polin, die Mutter des im August ermordeten israelischen Amerikaners Hersh, ruft die Anwesenden auf dem Safra-Platz am Rathaus auf: „Kommt und lasst uns durch Gesang und Gebet gemeinsam einstehen für die Rückkehr aller Geiseln.“ Der Abend steht unter dem Motto „Gemeinsam bringen wir sie zurück. Nur vereint bringen wir alle Geiseln zurück“.
Die Veranstaltung solle nicht die politischen Unstimmigkeiten betonen, sondern die Einheit des Volkes. Goldberg-Polin ruft erneut: „Kommt, unsere Familie, unsere Stadt, unser Volk und unsere Geiseln. Kommt zusammen, um gemeinsam zu singen und zu beten.“
Zwischen den Liedern, die alle zum traditionellen Gut des jungen jüdischen Staates gehören, beten und sprechen die Familien der sechs Geiseln. Talia Danzig, die Enkelin des ebenfalls von der Hamas ermordeten Alex Danzig, singt das Lied „Nimm mich unter deine Flügel“ vom österreich-jüdischen Dichter Chaim Nachman Bialik.
Auch Bürgermeister Mosche Lion („Jeruschalajim Achat“) begrüßt die Anwesenden: „Anhaltend schreit die Stadt Jerusalem den Schmerz der Geiseln hinaus. Hoffnungsvoll richten sie ihren Blick aus den Tunneln von Gaza auf uns. Wir wollen weiterhin ihre Familien umarmen und wir werden nicht aufgeben, bis alle Geiseln zurückgekehrt sind.“ Er wünsche, dass die Lieder, die an diesem Abend gesungen würden, zum Gebet werden.
„Rom ist mehr als ein Bild auf einem Poster“
Lion stellt den 13-jährigen Bruder von Rom Braslavski vor, der am 7. Oktober als Soldat in den Gazastreifen entführt wurde. „Rom ist Bürger unserer Stadt. Wir dürfen ihn nicht vergessen.“
Roms kleiner Bruder Siv beginnt seine Rede: „Danke, dass ihr heute Abend gekommen seid.“ Er stellt sich vor: „Ich bin Siv, der kleine Bruder von Rom, der vor 569 Tagen nach Gaza entführt wurde. Ich möchte euch etwas von ihm erzählen. Denn Rom ist mehr als ein Bild auf einem Poster. Rom ist mein großer Bruder und mein bester Freund. Er hat das breiteste Lächeln und das größte Herz.“

Tapfer berichtet der Junge: „Wir haben von seinen Heldentaten gehört. Selbst in der Hölle hat er noch versucht, andere zu schützen und zu retten.“ Der inzwischen 21-Jährige hatte am 7. Oktober 2023 auf dem Nova-Musikfestival als Sicherheitsangestellter gearbeitet. Zeugen berichteten nach dem Massaker, dass Rom beim Eindringen der Hamas-Terroristen eine Gruppe Menschen um sich sammelte und sie ermutigte, sich mit Steinen zur Selbstverteidigung auszurüsten.
Ein Mann erzählte: „Plötzlich warfen sie eine Granate und danach war Rom spurlos verschwunden.“ Eine junge Frau rief die Familie an, um ihr zu berichten, dass Rom an beiden Händen verletzt war: „Mir hat er das Leben gerettet.“
„Wir alle sind Geschwister. Und verurteilen Hass und Gewalt“
Später hörte die Familie, dass er in den Gazastreifen verschleppt worden sei. Vor zwei Wochen veröffentlichte die Terrorgruppe „Palästinensischer Islamischer Dschihad“ (PIJ) ein Video von Rom – das erste Lebenszeichen seit seiner Entführung.
Von der Bühne berichtet Siv weiter: „Wir sind eine Jerusalemer Familie. Und dazu gehört, dass wir Fans des Fußballvereins Beitar Jeruschalajim sind. Ich verpasse kein einziges Spiel, auch in dieser Zeit, wo mein Herz gebrochen ist. Doch Rom hat schon Dutzende Spiele verpasst. Schon 569 Tage ist er nicht zuhause. Die Sehnsucht von 569 Tagen kann ich nicht in Worten beschreiben.“
Das Schluchzen der Teilnehmer auf dem Safra-Platz in Jerusalem ist nicht zu überhören. Siv spricht weiter: „Rom fehlt mir sehr, in jedem Augenblick. Immer, wenn ich etwas Witziges sehe oder Fußball spiele oder irgendwas anderes sehe, was ich ihm gern erzählen würde, ist er nicht da.“

Und als hätte er in seinem Leben nichts anderes gemacht, sagt der Junge selbstbewusst: „Mir ist wichtig zu betonen: Es ist nicht wichtig, zu welcher Mannschaft du stehst – ob du zu Beitar, Hapoel oder einer anderen Mannschaft gehörst. Letztlich sind wir alles Menschen. Und wir verurteilen Hass und Gewalt in jeder Form. Wir alle sind Geschwister.“
„Rom, wir bringen dich zurück!“
In Bezug auf die Tage im Kalender, in denen das israelische Volk sich in einer besonderen Stimmung wiederfindet erklärt Siv: „Diese Woche begehen wir den Jom HaSikaron und den Unabhängigkeitstag. Aber bei uns zu Hause gibt es keine Freiheit und Unabhängigkeit. Denn wie kann ich mich frei und unabhängig fühlen, wenn mein Bruder an einem dunklen Ort festgehalten wird, weit weg von mir?!“
In Erinnerung an die gefallenen Soldaten sagt Siv: „An diesem Jom HaSikaron gedenken wir jener, die nicht mehr unter uns sind. Aber ich möchte, dass wir auch an die denken, die immer noch dafür kämpfen, dass Rom und alle anderen Geiseln zurückkehren. Den Familien von Hersh, Alex, Ori, Eden, Almog und Carmel schicke ich eine Umarmung. Und auch alle anderen Familien, die einen Angehörigen verloren haben. Aber Rom werden wir zurückbringen. Wir werden nicht aufgeben, egal, wie lange es dauert.“
In der Hoffnung, dass der große Bruder den kleinen hört, ruft Siv mit fester Stimme ins Mikrofon: „Rom, ich vermisse dich und verspreche dir, dass du zu uns zurückkehrst. Halte durch.“ (mh)
2 Antworten
Die Geiseln in Gaza sind ALLE mehr als ein Bild. Jeden Tag flehe ich Gott, dass er die Fesseln und Ketten sprengt, dass er Befreiung schenkt. Ich traue Gott Wunder zu, aber ich kenne seine Pläne nicht. Ich will ihm aber vertrauen, denn alles andere stürzt nur in Verzweiflung. Aber das Vertrauen nimmt die Trauer nicht ganz weg.
Lieber Siv, du bist unheimlich mutig. Kämpfe weiter für deinen Bruder, für alle Geiseln. Und mögest du espüren und erleben, dass Gott an deiner/eurer Seite ist. 🙏🎗🇮🇱
Die Terrorgruppe „Palästinensischer Islamischer Dschihad“ (PIJ) zeigt ein Video von Rom. Was kann man da tun? Diese Terrorgruppe mit brachialer Gewalt auslöschen.