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Der Orient im Schweinefieber

Es ist unkoscher - oder in Israel zumindest politisch nicht korrekt - eine Krankheit nach den grunzenden Vierbeinern zu benennen, deren Verzehr "dem Herrn ein Gräuel ist" und deren Aas das Gottesvolk nicht einmal berühren darf (5. Mose 14,3.8). Das empfindet so zumindest Jaakov Litzman, der israelische Vizegesundheitsminister von der Partei "Vereinigtes Torahjudentum". Einen Ministerposten in der israelischen Regierung kann seine Partei nicht annehmen, weil sie sich nicht sicher ist, dass die Existenz eines jüdischen Staates Israel wirklich dem Willen Gottes entspricht.

Der ultraorthodoxe Rabbi sorgte für einen diplomatischen Eklat, als er vorschlug, die neue Krankheit, die die Welt bewegt, als „Mexikogrippe“ zu bezeichnen. Der Botschafter des mittelamerikanischen Landes in Israel beschwerte sich daraufhin umgehend über diese als Beleidigung der Mexikaner aufgefasste Reinigung des israelischen Wortschatzes. Das israelische Außenministerium entschuldigte sich postwendend und versicherte, man werde natürlich beim amtlichen Namen „Schweinegrippe“ für den Erreger H1N1 verbleiben.

Rabbi Litzman bekam für sein Ansinnen indes Unterstützung aus den USA. Auch dort denkt man darüber nach, der neuen Grippe einen neuen Namen zu geben – allerdings aus einem Grund, der dem orthodoxen Rabbi wenig gefallen dürfte: Die Schweinefleischindustrie verzeichnet erste Einbrüche beim Verkauf, weil die Verbraucher dort offensichtlich mehr ihren Assoziationen folgen, als der Erkenntnis, dass die Schweinegrippe nicht durch den Verzehr von Schweinefleisch übertragen wird.

Das Außenministerium des jüdischen Staates veröffentlichte trotz der offiziellen Entschuldigung an Mexiko eine Reisewarnung für das Land. Auch offizielle Delegationsreisen nach Mexiko wurden per Regierungsbeschluss abgesagt. Zudem müssen alle Personen, die nach Israel kommen, bei der Einreise erklären, ob sie in der vergangenen Woche in Mexiko waren. Wer die Frage positiv beantwortet, wird auf der Stelle ärztlich untersucht. Das israelische Gesundheitsministerium hat zu diesem Zweck Ärzte an die Grenzübergänge, besonders aber den Ben-Gurion-Flughafen, bestellt. Das Gesundheitsministerium stockt ohne Budgetbeschränkungen die Impfstoffvorräte in Israel auf.

Ständiger Kontakt mit Palästinensern und Jordaniern

Die zuständigen Beamten sind in ständigem Kontakt mit ihren Kollegen in der Palästinensischen Autonomie und Jordanien. Ägypten weigerte sich, an einem Treffen an der Allenby-Brücke, die am Jordan Jordanien und Israel miteinander verbindet, teilzunehmen. Bis Ende April hatte der neue Grippeerreger, der erstmals in Mexiko aufgetreten war, bereits mehr als Hundert Menschenleben gefordert und sich in ganz Nordamerika, Europa und Neuseeland ausgebreitet. In Israel sind bis dato zwei Schweinegrippefälle amtlich. Die Regierung überlegt, ob sie die Zuständigkeit für die Krankheit vom Gesundheitsministerium auf das Verteidigungsministerium übertragen soll.

Auf der israelischen Landwirtschaftsmesse Agritech 2009, die vom 5. bis 7. Mai in Tel Aviv stattfinden wird, wird eine israelische Firma ein elektronisches System vorstellen, das bei der Bekämpfung der Schweinegrippe entscheidend behilflich werden könnte. Ein Mikrochip überträgt dabei Herzschlag, Blutdruck, Temperatur und andere Daten eines jeden Tieres praktisch zeitgleich auf das Mobiltelefon des zuständigen Tierpflegers.

In Israel werden im arabisch dominierten Galiläa, das schon in den Heiligen Schriften als „Galiläa der Heiden“ bekannt ist, Schweine gezüchtet, sowie in dem säkularen Kibbutz Misra. Palästinensische Vertreter behaupteten, in ihren Gebieten würden keine Hausschweine gezüchtet, obwohl es offiziellen Angaben zufolge eine christliche Minderheit gibt, die etwa zwei Prozent der Bevölkerung ausmacht. Es gebe nur Wildschweine in den palästinensischen Autonomiegebieten. Ein Vertreter des palästinensischen Gesundheitsministeriums warnte dann aber die Bürger der Autonomiegebiete doch vor Reisen in Gebiete, in denen es Schweinefarmen gibt – und nannte in diesem Zusammenhang besonders den Salfit-Distrikt in der nördlichen Westbank.

Gerüchte in islamischer Welt

Die islamische Welt ist traditionell anfällig für allerlei Verschwörungstheorien. So kursieren Gerüchte, Muslime hätten den Schweinegrippenvirus entwickelt, um die christliche Bevölkerung der Welt zu dezimieren. Weil Muslime kein Schweinefleisch essen, halten sich viele für immun gegen die Krankheit.

In Ägypten verfügte Präsident Hosni Mubarak, alle 350.000 Schweine des Landes schlachten zu lassen. In dem Land am Nil ist bislang noch niemand an der Schweinegrippe erkrankt. Auch haben Experten keinerlei Indizien dafür, dass das Grippevirus vom Schwein auf den Menschen übertragen werden könnte. Die UN-Organisation für Tiergesundheit OIE hat sich in einer Pressemeldung gegen die Massenschlachtung von Schweinen aufgrund der aktuellen Lage ausgesprochen.

Ägyptens Landwirtschaftsminister Amin A-Basa erklärte die außergewöhnliche Maßnahme als „gute Gelegenheit, die Schweinezucht aus den Wohngebieten hinaus zu verlegen“. In den „Müllstädten“ von Kairo sind es koptische Christen, die organische Überreste aus Kairoer Haushalten an ihre Schweine verfüttern. Ein ökologisch versierter Orientkenner aus Deutschland befürchtet deshalb, Kairo werde jetzt in seinem eigenen Abfall ertrinken.

Seit längerer Zeit hat die Muslimbruderschaft, deren palästinensischer Arm die radikal-islamische Hamas-Bewegung ist, gegen die Schweinezucht mobil gemacht. Wie die Bibel betrachtet der Koran das Schwein als unreines Tier, dessen Fleisch nicht verzehrt werden darf. Tatsächlich ist es laut ägyptischen Medienberichten bereits zu gewaltsamen Zusammenstößen aufgrund der zwangsweise verordneten Massenschlachtung gekommen.

Christliche Kreise sehen Schritt der Christenverfolgung

Christliche Bauern sollen ihre Tiere in der Wüste verstecken, um sie vor den staatlichen Schlächtern zu retten. Da das Fleisch der geschlachteten Tiere zum Verzehr freigegeben ist, erhalten die christlichen Schweinezüchter keine Entschädigung vom Staat. Christliche Kreise sehen in der Regierungsanordnung lediglich einen Vorwand für einen weiteren Schritt der Christenverfolgung im Land am Nil. Auch im Haschemitenkönigreich Jordanien beschloss die Regierung, alle fünf Schweinefarmen des Landes zu schließen.

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