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Der Neunte Av: Tag der Trauer und des Fastens

Am 9. des Monats Av ist ein Tag der nationalen Trauer für das jüdische Volk. Orthodoxe Juden fasten an diesem Tag, nachdem sie sich zuvor wochenlang, genauer seit dem 17. Tammus, nicht rasiert haben – was als Zeichen der Trauer gilt. Am 9. Av selbst ist neben Essen und Trinken auch das Baden, die Verwendung von Kosmetika, der Geschlechtsverkehr und das Tragen von Lederschuhen verboten.

Um der Trauer und dem Leid Ausdruck zu verleihen, soll man, der Tradition zufolge, auf einem niedrigen Stuhl oder Hocker sitzen, nicht Arbeiten und auch nicht die Tora studieren, weil das eine Quelle der Freude ist. Nur die Klagelieder, das Buch Hiob, die Flüche im 3. Buch Mose (26,14-42) und einige Kapitel des Buches Jeremia dürfen gelesen werden. Am Vorabend des 9. Av bleiben im modernen Staat Israel Restaurants und Vergnügungsstätten geschlossen.

Die jüdische Tradition legt auf diesen Tag die Entscheidung, dass die Israeliten nach dem Exodus nicht unmittelbar in das verheißene Land einziehen durften, sondern 40 Jahre durch die Wüste ziehen mussten, die Zerstörung des ersten Tempels im Jahr 586 vor Christus und des zweiten Tempels im Jahr 70 nach Christus.

Am 9. Av im Jahr 135 nach Christus fiel Bethar in Judäa, die letzte Festung des Bar Kochba im Kampf gegen die Römer, und genau ein Jahr danach errichtete der römische Kaiser Hadrian einen heidnischen Tempel auf dem Tempelberg, nachdem er Jerusalem in „Aelia Capitolina“ umbenannt und den Juden den Zugang zur Stadt bei Todesstrafe untersagt hatte.

1096 werden die Pogrome in Speyer und Worms, verübt durch Kreuzfahrer auf dem Weg ins Heilige Land, mit dem 9. Av in Verbindung gebracht. 1492 sollen die Juden genau am 9. Av aus Spanien vertrieben worden sein. Am 9. Av im Jahre 1914 begann der Erste Weltkrieg, während dem insgesamt 134.000 jüdische Soldaten fielen, davon 12.000 aus Deutschland. Und moderne orthodoxe Juden behaupten, dass am 9. Av die ersten Züge in Richtung Auschwitz gefahren sein sollen.

Ursprünglich hatte die israelische Regierung die Räumung der jüdischen Siedlungen im Gazastreifen auf Mitte Juli gelegt. Da aber zu den in der Trauerzeit zwischen dem 17. Tammus und dem 9. Av verordneten Trauerbräuchen auch das Verbot gehört, etwas Neues zu kaufen, wäre ein Umzug für orthodoxe Juden schon aus religiöser Sicht unmöglich gewesen.

Dass der Termin dann um einen Monat, ausgerechnet auf den Abend des symbolträchtigen 9. Av, verschoben wurde, unterstreicht nur, wie weit manche Regierungsplaner in Israel von den Sitten und Gebräuchen ihres eigenen Landes entfernt leben und denken – was religiöse Abzugsgegner zu allen möglichen Vergleichen animiert. Die Gebete von Zigtausenden an der Westmauer in Jerusalem und in den Synagogen Israels am 9. Av 5765, der im bürgerlichen Kalender auf den 14. August 2005 fiel, hatten natürlich einen besonderen Akzent im Blick auf den Beginn des israelischen Rückzuges aus dem Gazastreifen.

Übrigens: Wenn der 9. Av auf einen Sabbat fällt, wird der Trauer- und Fasttag um einen Tag auf den darauf folgenden Sonntag verschoben, weil am Sabbat niemals getrauert oder gefastet werden darf. Der Sabbat bleibt auch in schlimmsten Zeiten ein Vorgeschmack auf die kommende Welt.

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