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„Der Mikrokosmos, der unser Leben beherrscht“

BERLIN (inn) - Politisch wollte die israelische Autorin Zeruya Shalev nie sein. Nun ist sie es doch. Ihr neues Buch erzählt vom Aufwachsen im Kibbutz, von Menschenrechten in Israel und vom Mikrokosmos der Gesellschaft. Am Dienstag stellte sie "Für den Rest des Lebens" gemeinsam mit der Schauspielerin Maria Schrader im Jüdischen Museum zu Berlin vor.

Zeruya Shalevs Lebensthema ist die Familie. Sie sei "der Mikrokosmos, der unser Leben beherrscht", sagte sie in Berlin. Und dass sie sich vorstellen könne, "für immer" darüber zu schreiben. Shalev wurde in Deutschland durch ihren Roman "Liebesleben" aus dem Jahr 2000 bekannt. Das Werk wurde von der Schauspielerin Maria Schrader ("Aimée und Jaguar") verfilmt. In dem Buch geht es um eine scheiternde Ehe. "Für den Rest des Lebens" erzählt die Geschichte einer Familie, die ihre Tragödien über Generationen hinweg mit sich trägt und weitervererbt. Schrader war es auch, die am Dienstag im Jüdischen Museum vor gefülltem Haus aus Shalevs neuem Roman vorlas.

Familienaufstellung in Romanform

Im Mittelpunkt steht Dina, die einst einen Zwilling verlor und nun, da die lebende Tochter Nizan langsam erwachsen wird, geradezu besessen von dem Gedanken ist, einen Jungen zu adoptieren. Doch Shalev verknüpft gleich mehrere Handlungsstränge, blickt abwechselnd durch die Augen Dinas, durch die ihrer im Sterben liegenden Mutter Chemda und ihres Bruders Avner, der Menschenrechtsanwalt ist und sich mit der Lage der Beduinen in Israel befasst, sein Leben aber für gescheitert hält. So gleicht Shalevs Roman einer Familienaufstellung, die zeigt, wie die Kinder unter den Schwächen ihrer Mutter leiden und diese an ihre eigenen Kinder weitergeben. Doch Shalevs Roman ist auch politisch. Immer wieder greift sie den in Israel gegenwärtigen Konflikt zwischen Menschenrechten und Sicherheit auf, indem sie Einblicke in Avners Arbeit gibt. Das Scheitern der Kibbutz-Bewegung ist ein weiteres Thema des Buchs. Shalev lässt Chemda im Kibbuz aufwachsen und scheint sich damit ihrer eigenen Kindheit zu besinnen, denn auch sie wurde in einer solchen Gemeinschaft am See Genezareth groß.

"Ich vermisse das Alte, obwohl es furchtbar war", sagte Shalev in Berlin über das Verschwinden der Kibbutzim. Eine so "wundervolle Idee" sei diese Bewegung in ihren Anfängen gewesen, "aber unglücklicherweise gegen die menschliche Natur". Die Kibbutz-Erziehung ist nicht das einzige biografische Merkmal, das Shalev ins Buch eingeflochten hat. Auch sie hat 2008 ein Kind adoptiert. Und auch sie hat die Widersprüche zwischen Sicherheit und Menschenrechten schon am eigenen Leib gespürt. 2004 wurde sie bei einem Bombenattentat verletzt. "Ich will eigentlich nicht über Politik schreiben – nun habe ich es doch getan", kommentierte sie das in Berlin. Lösungen könne sie in diesen Fragen ohnehin nicht bieten. Lediglich die Liebe sei ihr ein Mittel gegen den Krieg: "Es ist nicht einfach, aber wenn es uns gelingt, für ein paar Minuten am Tag Liebe zu empfinden, wird das die Zukunft verändern."

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