Der heiße Stein der Raffgier

Nein, mit allgemeinen Floskeln ist niemandem geholfen, auch Israelis und Palästinensern auf ihrem steinigen Weg zum Frieden nicht. Doch was sich vor dem Hintergrund der Freilassung von 339 palästinensischen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen abspielt, erinnert zwingend an eine schon längst bekannte Weisheit: „Streckt man jemandem den kleinen Finger hin, will er gleich den ganzen Arm!“

Es ist eine Farce: Da entläßt Israel 339 palästinensische Gefangene. Die übrigens nicht grundlos in Haft sitzen, viele waren indirekt an Attentaten, Übergriffen oder Kämpfen beteiligt. Die israelische Regierung veröffentlichte am Mittwoch eine detaillierte Liste, die alle Namen und Gründe der Inhaftierung der Palästinenser darlegt. Israel hat keine palästinensischen Bürger wahllos von der Straße gegriffen und nach diktatorischem Gusto hinter Gitter geschlossen.

Doch selbst diese Botschaft ist in weiten Teilen der Beobachter und Öffentlichkeit nicht angekommen. Seit Beginn der Verhandlungen um die Freilassung der Gefangenen gelten die Häftlinge als „kleine Fische“, die sich doch „kaum“ etwas haben zu Schulden kommen lassen: Abgesehen vom Werfen von Steinen auf israelische Soldaten, der Teilnahme an gewaltsamen Demonstrationen gegen den „Feind Israel“. Das ist das Bild, das vielen in den Köpfen herumgeistert. Und doch können auch „kleine Fische“ zu großen Haien werden, die neues Blutvergießen und tiefe Wunden in die israelische Bevölkerung reißen.

Daß nun Palästinenserpremier Abbas und sein Übervater Arafat lautstark und öffentlichkeitswirksam über die Freilassung der ersten Gefangen schimpfen, Israel „Wortbruch“ und „Betrug“ vorwerfen, die Entlassung „aller Gefangener unseres Volkes“ fordern – das ist ein Witz. Die meisten ihrer „Helden“, wie die Inhaftierten von den Palästinensern gefeiert werden, haben „Blut an den Händen“.

Abbas und Arafat aber wissen genau, wie groß die Geste Israels zu bewerten ist. Nur können sie dieses Entgegenkommen ihrem Volk nicht klar machen. Das will mehr. Das gleiche Spiel mit dem „kleinen Finger und dem ganzen Arm“ hat sich in früheren Verhandlungen schon zu Genüge gezeigt. Und immer wieder verpufften die großen Gesten Israels auf dem heißen Stein der Raffgier. Statt erste Schritte hin zu einem Frieden zu schätzen, statt kleine Pflänzchen anerkennend zu pflegen, treten die Palästinenserführer zu.

Die Stimmung in der israelischen Bevölkerung ist eindeutig. Viele fürchten sich vor einer neuen Terrorwelle, vor dem Ende der „Hudna“, der Waffenpause, das jeden Tag bevorstehen könnte. „Wir lassen die Gefangenen frei, und dann bringen sie uns bald wieder um“, heißt es unter den Israelis. Und doch kann Israel immer wieder einzig darauf hoffen, daß das Spiel des „kleinen Fingers und langen Armes“ irgendwann unterbrochen wird. Erst dann können „vertrauensbildende Maßnahmen“ auch auf fruchtbaren Boden fallen – und nicht auf den heißen Stein der Raffgier.

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