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Der Gewinner des zweiten Libanonkrieges

Die Schatten des Krieges vom Sommer 2006 sind allgegenwärtig. Wer den Krieg verloren hat, ist noch immer nicht klar. Im Libanon feiert man derzeit den Rücktritt des israelischen Generalstabschefs Dan Halutz. Und auch in Israel wird der Hoffnung öffentlich Ausdruck verliehen, dass weitere politische Köpfe rollen sollen.

Wer allerdings den zweiten Libanonkrieg gewonnen hat, ist unübersehbar: Syrien! Der Paria des Nahen Ostens steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Konflikt Israels mit der Hisbollah hat den schiitisch-fundamentalistischen Würgegriff am Hals der säkularen Alawitendiktatur in Damaskus gelockert. Die Libanesen, die kaum ein Jahr zuvor die syrischen „Beschützer“ mit Schimpf und Schande vertrieben haben, haben ihre „gerechte Strafe“ empfangen. An der Wiederaufrüstung der Hisbollah kann Syrien nur verdienen. Und dass Israel ganz nebenbei auch noch geschlagen dasitzt, kann dem damaszener Machthaber nur Recht sein.

Die wichtigste Errungenschaft des zweiten Libanonkrieges für Syrien ist aber, dass die ganze Welt jetzt den Einfluss, die Ambitionen und das gefährliche Potential des Iran von Mahmud Ahmadinedschad vor Augen hat. Daraus folgt unvermeidlich der Schluss, dass man Syrien aus dem „schiitischen Halbmond“ herausbrechen muss – oder, diplomatischer ausgedrückt, dem syrischen Präsidenten Bischar el-Assad einen Ausweg zur Anbindung an den Westen zu bieten hat. Deshalb reißt die Flut der Gesprächsbereitschaftsbotschaften von Damaskus nach Jerusalem seit einem halben Jahr nicht ab.

In diese Kerbe hinein schlägt nun seit Mitte der dritten Januarwoche die „Enthüllung“ des angesehenen Journalisten Akiva Eldar, der in der linksliberalen Tageszeitung „Ha´aretz“ behauptet hat, es habe unter Vermittlung „eines europäischen Außenministeriums“ geheime Verhandlungen zwischen Israelis und Syrern gegeben und es sei sogar ein Grundlagenpapier ausgearbeitet worden. Eldar legt als Beleg einen Entwurf vom 29. August 2004 vor und bietet einen genauen zeitlichen Ablauf der israelisch-syrischen Kontakte zwischen Januar 2004 und August 2005.

Im Rahmen dieses Abkommens soll Israel seine Siedlungen auf dem Golan räumen, sich auf die Grenzen von vor 1967 zurückziehen und die Wasserrechte für den Jordan und den See Genezareth behalten. Weite Teile der Golanhöhen sollen ein demilitarisierter und nicht bevölkerter Park werden, der auch für Israelis ohne Visum zugänglich sein soll. Beide Staaten wollen gemeinsam den Terrorismus bekämpfen. Syrien soll seine Unterstützung für die Hisbollah und die Hamas einstellen und sich vom Iran distanzieren.

Was an diesen Gerüchten tatsächlich Fakt und was lediglich Fiktion ist, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Einerseits ist „Ha´aretz“ für ihre guten Verbindungen zu israelischen Sicherheitskreisen bekannt. Andererseits macht die Zeitung aber auch aus ihren linksliberalen politischen Zielsetzungen kein Hehl. Insofern könnten sich die „Enthüllungen“ durchaus auch als Mittel erweisen, durch das engagierte Medienleute den festgefahrenen Friedenskarren in eine bestimmte Richtung aus dem Schlamm herausziehen wollen. In diese Richtung interpretiert etwa der ehemalige israelische Syrien-Unterhändler Itamar Rabinowitsch den Eldar-Artikel.

In Jerusalem weiß man mit den Friedenstauben aus Nordosten nicht so richtig umzugehen. Alle relevanten israelischen Stellen leugnen jegliche Kontakte zu Syrien. An der Einstellung Ariel Scharons, mit dem derzeitigen syrischen Regime und seinen Terrorkontakten sei keine Beziehung möglich, hat sich nichts geändert. Auch von syrischer Seite werden die Meldungen als „Erfindung und Testballon Israels“ abgetan. Der ehemalige syrische Informationsminister Mahdi Dahchallah bezeichnete die „Ha´aretz“-Meldung als Versuch Israels, sein Image aufzupolieren. Die Informationen haben „keinerlei faktische Grundlage“, zitierte die syrische Nachrichtenagentur SANA einen Vertreter des Außenministeriums in Damaskus.

Ein entscheidender Faktor ist nicht zuletzt die Stellung der USA im israelisch-syrischen Szenario. Aber US-Außenministerin Condoleezza Rice hat bei ihrer letzten Nahostvisite Damaskus demonstrativ gemieden. George Bush scheint Bischar el-Assad nicht aus der „Achse des Bösen“ entkommen lassen zu wollen.

Das Leben in den teilweise mehr als dreißig Jahre alten israelischen Städten und Dörfern auf den Golanhöhen – insgesamt sind es 24 an der Zahl – geht indessen weiter. Die Einwohner hoffen auf kreative Lösungen, wie beispielsweise, dass der Golan politisch an Syrien abgetreten, dann aber von der israelischen Regierung wieder gepachtet wird – so dass alles beim Alten bleiben würde. Der Vorteil auf dem Golan, der solche Lösungen möglich erscheinen lassen, ist, dass es kaum arabische Flüchtlinge gibt und eine Bevölkerungsentflechtung, wie etwa in den Palästinensergebieten, nicht nötig wäre.

Aber es gibt auch andere Sichtweisen. „Seit 1990 fahren wir in einem Auto herum, auf dem ‚Zum Verkauf‘ steht“, meint ein Golan-Bewohner, der seit 35 Jahren in diesem Gebiet lebt und hier bereits seine Enkel aufwachsen sieht. „Bislang hat sich nur noch kein Käufer gefunden“, meint er sarkastisch. Die Frage ist, welchen Preis Syrien zu bezahlen bereit sein wird. Nachdem weder der Rückzug aus dem Südlibanon noch der aus dem Gazastreifen den ersehnten Frieden gebracht hat, sind die israelischen Verkäufer sehr viel misstrauischer geworden. Sie haben schlicht keine Lust, weiter Land für Unfrieden zu tauschen.

Andererseits ist aber jedem klar, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Die Lage ist, nicht zuletzt im Schatten der nuklearen Ambitionen des Iran, höchst explosiv. Hinzu kommt, dass sich Syrien als ausgesprochen säkularer Staat selbst vom islamischen Fundamentalismus bedroht sieht, und dabei die religiös begründeten Barrieren gegenüber dem jüdischen Staat nicht hat, die radikal-islamische Organisationen daran hindern, Israel anzuerkennen. Und die israelische Öffentlichkeit hat mehrfach bewiesen, dass ihr die Ruhe wichtiger ist, als Landbesitz.

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