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Der Beginn des jüdischen Volkes

Die Bergregion Samaria zwischen Galiläa im Norden und Judäa im Süden gehört zu den umstrittenen Gebieten. Der Berg Kabir im nördlichen Samaria ist nicht der höchste in der Gegend. Doch ein Bewohner ist überzeugt: „Von diesem Berg sind fast die gesamten Wurzeln des jüdischen Volkes zu sehen.“
Benny Katzover ist einer der Gründer der Siedlung Elon More

Wer sich mit dem Auto den Weg zum Berg Kabir hinaufschlängelt, wird mit einem atemberaubenden Ausblick in alle Richtungen belohnt. Der Berg liegt im Norden des sogenannten Westjordanlandes, die Spitze reicht bis 792 Meter über den Meeresspiegel. So ist er zwar nicht der höchste in der Umgebung – der nahegelegene Garizim schafft es an seinem höchsten Punkt auf 880 und der Berg Ebal sogar auf 940 Meter –, doch hier geraten geschichtsträchtige Orte in den Blick.

Abrahams erste Siedlung

Auf dem gegenüberliegenden Berghang liegt die Siedlung Elon More, in Luftlinie etwa sieben Kilometer von der Stadt Nablus, dem biblischen Sichem, entfernt. Die biblischen Königsbücher berichten, wie Jerobeam, der erste König des Nordreichs Israel, Sichem zur Hauptstadt ausbaute. Der Name geht zurück auf das erste biblische Buch Kapitel 12. Dort gebietet Gott Abram, der später den Namen Abraham erhielt, nach Kanaan zu gehen. Daraufhin heißt es in Vers 6: „Abram durchzog das Land bis an die Stätte bei Sichem, bis zur Eiche More“. Die Eiche ist der erste Ort im Land, an dem Abraham sich niederlässt.

Einer der Gründer der modernen Siedlung Elon More ist Benjamin Katzover, der von allen nur Benny genannt wird. Als Sprecher der Siedlerbewegung ist er einem breiten israelischen Publikum bekannt. Heute wohnen in der Ortschaft 2.000 Einwohner, oder, nach Bennys Zählung, 400 Familien.

Bibel wird lebendig

„Unser Jischuv, eine Mischung aus Stadt und Dorf, steht heute schon an seinem dritten Ort. Ein solches Phänomen gibt es kein zweites Mal in Israel, vielleicht nicht mal auf der ganzen Welt. Doch das Besondere an diesem Ort ist etwas anderes.“ Katzover deutet in südwestliche Richtung. Dort liegen die Berge Ebal und Garizim. Sie umsäumen das Tal, in dem Nablus liegt. „In dieser Gegend fanden viele bekannte biblische Ereignisse statt, von denen wir in der Bibel lesen.“ Bedeutungsvoll zeigt er auf den Ebal: „Hier wurde das jüdische Volk gegründet.“ Er verweist auf einen schrägen Abhang: Bei guter Sicht sei hier der Altar von Josua zu sehen. „Das aber ist eine eigene Geschichte.“

Katzover erzählt, wie er in diese Gegend gekommen ist: „Nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 zog ich nach Judäa. Sechs Jahre haben wir darauf gewartet, dass Menschen auch nach Schomron, nach Samaria, ziehen würden. Doch 1973 wohnte immer noch kein Jude hier. Mit ein paar Leuten, die bereit waren, in Schomron zu siedeln, gründeten wir eine Gruppe und nannten sie ‚Elon More‘. Wir suchten den Kontakt zu einflussreichen Leuten, die uns helfen würden. Einer von ihnen war Ariel Scharon, der spätere Premierminister. Ihm erzählten wir von dem Plan, uns mit der Gruppe neben Sichem niederlassen zu wollen.“

Vom Berg Kabir reicht der Blick – bei guter Sicht – bis an die Küste, manchmal sogar bis nach Nazareth und Safed Foto: Israelnetz/mh
Vom Berg Kabir reicht der Blick – bei guter Sicht – bis an die Küste, manchmal sogar bis nach Nazareth und Safed

Für die Wahl dieses Ortes habe es viele Gründe gegeben. Auf der Landkarte Israels werde deutlich, dass Nablus das Herz des Landes ist. In der Bibel heißt die Stadt Sichem und Israelis nennen sie bis heute so. „Von hier können wir bei guter Sicht die ganze Breite des Landes erblicken. Auf der einen Seite sehen wir Netanja und sogar einen Flecken des Mittelmeeres. Auf der anderen Seite sehen wir die Berge von Gilead, die im heutigen Jordanien liegen. Das sind gerade mal 70 Kilometer, und Sichem liegt auf Kilometer 35. Auf der Karte wird deutlich, wie zentral dieser Ort liegt. Es ist auch ein wichtiger strategischer Ort. Hier gibt es Wasserquellen und auch Land, das zur Landwirtschaft genutzt werden kann. Außerdem sind Wege vorhanden, die sich zum Straßenbau eignen.“ Katzover erklärt: „Bis kurz vor der Staatsgründung 1948 fuhren alle, die von Haifa nach Jerusalem wollten, über Sichem – es gab ja noch keine Autobahn 2.“ Katzover spielt damit auf die bequeme Küstenstraße an, die die Städte heute miteinander verbindet. Doch viel wichtiger als die geopolitische Lage seien die jüdische Geschichte und die biblischen Geschichten gewesen. „Der Beginn des Judentums liegt in Sichem“, ist Katzover überzeugt. „Dafür finden sich mindestens vier Stellen in der Bibel.“

Ein verbindliches Versprechen

Dem biblischen Bericht gemäß war Abraham der erste Jude. Seine erste Begegnung mit Eretz Israel, dem Land Israel, seine erste Station, war in Elon More, also in Sichem. Hier baute Abraham einen Altar. An dieser Stelle versprach Gott ihm: „Ich werde dieses Land deinem Nachkommen geben“. Es war das erste Versprechen, das Abraham zum Land Israel bekam. Katzover erklärt: „Erst hier beginnt die Verbindung des jüdischen Volkes mit diesem Land. Es gibt keine vorherige Verbindung. Natürlich ist Abraham vorher unterwegs gewesen. Aber erst an diesem Ort erhält er ein verbindliches Versprechen.“

Die Geschichte geht weiter: Abrahams Enkel Jakob flieht vor seinem Bruder Esau und kehrt erst nach 20 Jahren zurück. „Als Jakob zurück nach Kanaan kommt, um sich mit seinem Bruder zu versöhnen, überquert er den Fluss Jabbok. Dieser trennt die Berge von Gilead. Und dort, in der ersten Nacht, so erzählt es uns die Bibel, trägt sich folgende Geschichte zu: Über mehrere Stunden kämpft Jakob mit Gott. Er schlägt ihm auf die Hüfte, sodass er humpelt. Trotzdem beharrt Jakob: ‚Ich lasse dich nicht los, bevor du mich gesegnet hast‘. Gott spricht zu ihm: ‚Du sollst nicht länger Jakob heißen. Von nun an heißt du Israel, Gott kämpft (für uns).‘ An dieser Stelle“, fährt Katzover fort, „bekommt unser Volk seinen Namen.“

Landkauf für eine Grabstelle

„Und da gibt es noch eine seltsame Begebenheit: Ein Mensch, der seine Familie mehr als 20 Jahre nicht sieht, geht doch als erstes hin, um sie zu sehen. Aber in 1. Mose 33 wird uns berichtet, dass Jakob nach Sichem geht ‚und für 100 Silberstücke den Lagerplatz vor Sichem‘ kaufte.“ Der biblischen Überlieferung nach errichtete er dort einen Altar und später wurde auf diesem Feld auch sein Sohn Josef beerdigt. „Dank der Samaritaner wissen wir, dass das Josefsgrab einer der wenigen Orte in Israel ist, bei denen wir uns sicher sind, dass es sich um die echte Stelle handelt.“

Katzover zeigt auf den Beginn des unten liegenden Flusslaufs: „Heute ist Sichem eine große, langgestreckte Stadt. Doch das alte Sichem liegt am Anfang des Wadis, dort, wo Jakob das Land kaufte und sich heute das Grab befindet. Die Samaritaner sind immer hier, am Berg Garizim, geblieben und haben das Grab bewacht. Sie waren auch zur Zeit des Ersten Tempels hier und schon lange vor den Römern, bevor die uns rauswarfen.“

Zum Volk des Herrn erwählt

Katzover kennt noch eine vierte Begebenheit, die diese Gegend so wichtig für das jüdische Volk werden lässt: „Nachdem das Volk Israel 40 Jahre durch die Wüste gewandert war, fand eine Zeremonie zur Einsetzung des jüdischen Volkes statt – interessanterweise nicht in Jerusalem oder Hebron, sondern erneut in Sichem. In 5. Mose 27,9 heißt es: ‚Am heutigen Tage bist du ein Volk des HERRN, deines Gottes, geworden‘.“

Katzover ist sich bewusst, dass er so manchem Mitbürger in Israel als Extremist gilt. Lächelnd entgegnet er: „Wenn Leute mir vorwerfen, dass ich übertreibe, sage ich: ‚Muss ich mich dafür rechtfertigen, dass unser Anfang in dieser Gegend liegt? Diese Entscheidung hat doch Gott getroffen!‘“ Der Siedler weiß noch einen weiteren Grund, warum er seine Wahlheimat so liebt: „Es ist der zweitschönste Ort in ganz Israel, das hat schon König Salomo gesagt!“ Katzover zeigt auf den sich aufklarenden Himmel. Die Wolken sind aufgerissen und das Licht am Horizont scheint unwirklich. „Am Horizont sehen wir schon einige Gebäude Nazareths, doch hier vorne liegt das Tirza-Tal, früher lag dort die antike Stadt Tirza. In Hohelied 6,4 steht geschrieben: ‚Du bist schön, meine Freundin, wie Tirza, lieblich wie Jerusalem, überwältigend wie die Bilder am Himmel.‘ Dieses Bild ist nur zu verstehen, wenn man von hier auf das Tirza-Tal schaut. Natürlich hat Salomo Jerusalem im Kopf, aber Tirza folgt an zweiter Stelle. Daher ist dies hier der zweitschönste Ort im ganzen Land.“

Von: mh

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 1/2021 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/5 66 77 00, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online. Gerne können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

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