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Demonstrationen und Gebete gegen Hass

Tausende Israelis haben am Wochenende gegen Hassverbrechen demonstriert. Im Westjordanland beteten Siedler für die palästinensischen Opfer eines Brandanschlags. Eine Schülerin erlag indes nach der Messerstecherei bei der Jerusalemer Homosexuellenparade ihren Verletzungen.
Siedler protestierten gegen den Brandanschlag auf die palästinensische Familie Dawabscha.
„Uns von den Söhnen des Satan unterscheiden“ – unter diesem Motto hat die israelisch-palästinensische „Graswurzel“-Initiative (Schoraschim/Dschudur) am Sonntagabend gegen jüdische Hassverbrechen protestiert. An der Gusch Etzion-Kreuzung im Westjordanland beteten Siedler für die Heilung der drei Palästinenser, die am Freitag bei einem Brandanschlag in Duma bei Nablus sehr schwer verletzt worden waren. Die Teilnehmer protestierten auch gegen den Mord an dem 18 Monate alte Ali Dawabscha, der bei dem Anschlag lebendig verbrannt war. Zunächst habe die Initiative vorgehabt, auch Palästinenser zu Wort kommen zu lassen, sagte ihr Vertreter Rabbi Hanan Schlesinger gegenüber Israelnetz. Doch das Ziel sei es, die eigenen Leute dahin zu erziehen, dass sie keinen Hass auf Andersdenkende haben. Es gehe um „unsere Öffentlichkeit“, nämlich die jüdisch-religiöse Öffentlichkeit. Einem Bericht der Tageszeitung „Ma‘ariv“ zufolge kamen etwa 150 Israelis zu der Gebetsaktion im Siedlungsblock Gusch Etzion. Nach Einschätzung von Rabbi Schlesinger hätten sich hingegen etwa 300 Juden und auch ein paar Palästinenser beteiligt. Bei der Kundgebung der Siedler sprach auch der israelische Abgeordnete Jair Lapid: „Es gibt keinen Gott, der die Ermordung von Kindern erlaubt, keinen jüdischen, keinen christlichen oder muslimischen Gott“, wird der Vorsitzende der Partei „Jesch Atid“ in einer Mitteilung seines Büros zitiert. Ein Rabbiner verlas Abschnitte aus den Psalmen, die Versammelten beteten um Heilung für die Familie Dawabscha. Nach Angaben von Rabbi Schlesinger wurde am Ende auch der Opfer der Messerstecherei bei der Homosexuellenparade in Jerusalem gedacht. Aus religiöser und geistlicher Sicht stehe hinter Hassverbrechen aller Art das gleiche Grundproblem.

Morddrohungen gegen Rivlin

Weitere Kundgebungen infolge des Brandanschlages fanden unter anderem in Jerusalem, Tel Aviv, Haifa und Be‘er Scheva statt. In Tel Aviv sprach Ahmads Onkel Nasser Dawabscha Samstagnacht zu Tausenden Demonstranten. Seine arabischen Worte wurden ins Hebräische übersetzt. Der Palästinenser wandte sich gemäß der Onlinezeitung „Times of Israel“ an Israels Premier Benjamin Netanjahu: „Warum wurde Ali ermordet? Achtzehn Monate alt. Er ist unschuldig. Was hat er dem israelischen Militär und den Siedlern getan? Ali ist ein Märtyrer. Wir bitten und hoffen, dass dies das Ende des Leidens unseres Volkes sein wird.“ Staatspräsident Reuven Rivlin sagte auf einer Kundgebung in Jerusalem: „Wir müssen sorgfältig und deutlich sein, angefangen beim Bildungssystem bis zur Strafverfolgung und den ganzen Weg bis zur Führung des Staates und der Nation. Wir müssen das Feuer, die Hetze, ersticken, bevor es uns erfasst.“ Er habe Ahmad Dawabscha im Krankenhaus in Tel HaSchomer besucht – und sich geschämt. Auch Regierungschef Netanjahu stattete dem schwerverletzten Jungen einen Besuch ab. Rivlin muss sich unterdessen mit Morddrohungen auseinandersetzen. Die Polizei nahm am Sonntag entsprechende Ermittlungen auf. Denn seine Rede hatte zu einer wilden Debatte in den Sozialen Medien geführt. Rivlins Facebook-Seite sei zu einem „Schlachtfeld zwischen Kritikern und Unterstützern“ geworden, stellte die Tageszeitung „Yediot Aharonot“ fest. Das Staatsoberhaupt wurde unter anderem als „Terrorist in der Regierung“ beschimpft und zum Umzug nach Gaza aufgefordert. Doch seine deutlichen Worte gegen Hassverbrechen stießen auch auf breite Zustimmung. Das israelische Sicherheitskabinett wiederum entschied am Sonntag neue Methoden für den Kampf gegen jüdischen Terror. „Das Kabinett sieht den Brandanschlag und den Mord in Duma als Terrorakt in jeder Hinsicht an“, heißt es in einer Mitteilung. „Es hat alle relevanten Behörden aufgerufen, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Täter vor Gericht zu stellen und ähnliche Vorfälle zu verhindern.“ Angedacht ist etwa eine Verwaltungshaft auch für jüdische Terroristen. „Preisschild“-Gruppen sollen als terroristische Organisationen eingestuft werden, um ihr Stigma zu verschärfen.

Peres: Angriffe keine Überraschung

Demonstrationen gab es auch gegen den Angriff auf die Homosexuellenparade in Jerusalem, bei dem am Donnerstag ein ultra-orthodoxer Jude sechs Menschen mit einem Messer verwundet hatte. Die 16-jährige Schülerin Schira Banki erlag am Sonntagabend ihren Verletzungen. Der Täter, Ischai Schlissel, befindet sich in Polizeigewahrsam. In Jerusalem und Tel Aviv gedachten Demonstranten der Verstorbenen. Bereits am Wochenende hatten etwa 10.000 Menschen in Tel Aviv ihren Protest gegen den Angriff kundgetan. Ausgangspunkt war ein Jugendzentrum für Homosexuelle. Bürgermeister Ron Huldai und Energieminister Juval Steinitz (Likud) sprachen auf der Kundgebung. Der frühere israelische Staatspräsident Schimon Peres sagte, er sei stolz, an der Seite der Demonstranten zu stehen. Er fügte an: „Wer die Pride Parade ‚die Bestienparade‘ nennt, sollte nicht überrascht sein, wenn ein Messer gegen ein 17-jähriges Mädchen eingesetzt wird. Wer gegen arabisch-israelische Bürger hetzt, sollte nicht überrascht sein, wenn Feuer gegen Kirchen und Moscheen gelegt und schließlich ein Kleinkind lebendig verbrannt wird.“

PA appelliert an internationale Gremien

Derweil kündigte die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) an, sich bei internationalen Organen gegen den Brandanschlag in Duma zu beschweren. Die PA und Jordanien wollten einen Resolutionsentwurf beim Weltsicherheitsrat einreichen, berichtet die palästinensische Nachrichtenagentur „Ma‘an“. Darin wollten sie internationalen Schutz für palästinensische Bürger fordern. Am Montag brach Außenminister Riad al-Malki nach Genf auf. Dort will er an den UN-Menschenrechtsrat appellieren, damit die 4. Genfer Konvention in den besetzten Gebieten umgesetzt wird. Dieser Bestimmung zufolge darf kein Land seine Bevölkerung in besetztes Gebiet umsiedeln oder deportieren. Zudem erhoben die Palästinenser Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.

Hamas ruft zu neuen Selbstmordanschlägen auf

Die radikal-islamische Hamas sieht den Brandanschlag als Anlass, zu Selbstmordanschlägen gegen israelische Soldaten und Siedler aufzurufen. Der Hamas-Führer in Chan Junis, Hamad al-Rakav, forderte, die Bewohner im Westjordanland und im besetzten Jerusalem müssten nicht nur Israel angreifen. Ziel seien auch die PA-Sicherheitskräfte, die er als „Verräter und Kollaborateure“ bezeichnete. „Dass die Zionisten ein hilfloses Kind verbrannt haben, das keinerlei Verbrechen begangen hat, ist der Beweis dafür, dass sie danach dürsten, unser Blut zu vergießen und Verbrechen gegen unser Volk zu verüben“, zitiert das Nachrichtenportal „Arutz Scheva“ den Hamas-Führer. (eh)

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