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Das Ende einer langen Suche: Grabmal Herodes des Großen entdeckt

Seit 1972 hat Ehud Netzer das Grab des Königs gesucht. „Jetzt haben wir zweifelsfrei den Ort gefunden, an dem Herodes der Große beigesetzt wurde“, verkündet der Professor der Hebräischen Universität Jerusalem freudestrahlend. Umlagert von Journalisten aus aller Welt erklärt er drei Wochen nachdem er die Gewissheit hatte, sein Ziel erreicht zu haben, Einzelheiten der Suche um den geheimnisvollen Berg in der Wüste Juda, dem schon aus weiter Entfernung anzusehen ist, dass er von Menschenhänden gemacht wurde. Ganz offensichtlich genießt der studierte Architekt und Archäologe eine der ganz großen Stunden seines Lebens und das hysterische Drängen der Medienvertreter.

„Ziemlich genau vor 2.011 Jahren wurde König Herodes beerdigt“, erzählt Netzer, „nachdem er seine Beerdigung selbst jahrelang bis ins Detail vorbereitet hatte.“ „Jetzt können wir den Weg der Beisetzungsprozession, wie ihn Josephus Flavius beschrieben hat, ganz genau nachvollziehen“, ausgehend vom Winterpalast in Jericho – der heute für Israelis unzugänglich ist – über Jerusalem und Bethlehem, bis hierher zum Herodeion, wo der Trauerzug über eine eigens angelegte Rampe und eine große Treppe bis zum Grabmal auf halber Höhe des Berges zu seinem Ziel gelangte.

Die von Josephus beschriebenen königlichen Lanzenträger, thrakischen, germanischen und gallischen Soldaten, die „den Söhnen und der großen Schar der Verwandten“ folgten, werden zu neuem Leben erweckt. In dem prunkvollen Treiben, vom Herodeserben Archelaus inszeniert, erwiesen also Deutsche und Franzosen – „alle in voller Kriegsrüstung“ – Herodes die letzte Ehre (Jüdischer Krieg I 9,670). Professor Netzer gehört nicht zu den Archäologen, die das heilige Land „mit der Bibel in der Hand“ durchwühlen. „Ich habe Josephus Flavius in der Hand“, meint er schmunzelnd. Der jüdisch-römische Geschichtsschreiber hat ausführlich erklärt, dass der römische Vasallenkönig Herodes das Herodeion eigens zu dem Zweck bauen ließ, um sich dort begraben zu lassen. Deshalb wusste Ehud Netzer, was er suchte. In der Zwischenzeit sind die Archäologen sogar in der Lage, festzustellen, dass Herodes die Pläne für sein Grabmal im Laufe der Bauzeit geändert hatte und das eigentliche Grab dann auch entsprechend verlegen ließ.

Viel ist vom Grabmal dessen, der wie kein anderer Baumeister das Land Israel für Jahrtausende geprägt hat, nicht übrig geblieben. Eine Vielzahl von Ruinen aus byzantinischer Zeit, darunter eine Kirche, haben die Ausgrabungen erschwert. Die Archäologen weisen auf ein massives, etwa einen Meter hohes Steinpodest, dessen Quader an einem anderen Ort so maßgerecht hergestellt wurden, dass sie sich bis auf zwei Millimeter genau aneinanderschmiegen. „Mörtel oder Verputz war da nicht mehr nötig“, meint Roi Porat, einer der leitenden Mitarbeiter von Prof. Netzer, und zeigt, dass die Plattform etwa die Fläche von zehn mal zehn Metern abdeckte. Archäologische Laien wird das kaum vom Hocker reißen. Da sind die nahe gelegenen Höhlen aus der Zeit des Bar-Kochba-Aufstandes, der fast eineinhalb Jahrhunderte nach dem Tode des Herodes stattfand, wesentlich attraktiver. Der israelische Fernsehjournalist Benni Lis kommentiert enttäuscht: „Wir haben eine Schlagzeile, aber kein Grab.“

„Darüber, wie das Grabmal ausgesehen hat, können wir nur spekulieren“. Ehud Netzer gibt sich pessimistisch im Blick darauf, ob jemals genügend Funde gemacht werden, um das Aussehen des Gebäudes, durch das Herodes sich verewigen wollte, rekonstruieren zu können. „Es fehlen noch viele Teile des Puzzles.“ Lediglich die Bruchstücke von großen, urnenähnlichen Verzierungen, wie sie von den Dächern nabatäischer Grabmäler in Petra in Jordanien bekannt sind, blieben erhalten. Die Bewohner der umliegenden Dörfer haben sich im Laufe der Jahrhunderte für ihre eigenen Häuser an den Steinen der zerfallenden Burganlage bedient. Schon die jüdischen Freiheitskämpfer in den ersten beiden Jahrhunderten nach Christus werden so manche Säule in die runden Steinkugeln verwandelt haben, die sie dann auf die angreifenden Römer zurollen ließen und die heute zu Haufen aufgetürmt am Wegrand liegen.

Aber Bruchstücke des Sarkophags von König Herodes wurden gefunden. „Hier hat jemand mit großer Wut zugeschlagen“, meint Netzer und vermutet, dass das Grabmal während der Zeit des jüdischen Aufstands gegen die Römer Anfang der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus zerstört wurde, als im Herodeion die Führung der jüdischen Freiheitskämpfer ihren Sitz hatte. Römische Prokuratoren, wie etwa Pontius Pilatus, haben das Grabmal ihres ehemaligen Vasallen gewiss bewahrt.

Porat will „die Wut der Feinde des Herodes“ beim Ausgraben regelrecht gespürt haben. Herodes war ein Konvertit der zweiten Generation und wurde von vielen seiner Zeitgenossen der Kollaboration mit der römischen Besatzungsmacht beschuldigt. Geübte Archäologenaugen erkennen Hammerspuren an den Bruchstücken, die die Rekonstruktion eines etwa 2,5 Meter langen, aus rotem Sandstein gemeißelten Steinsarkophags, der an den Seiten von nüchternen Rosetten verziert ist, erlauben. Ehud Netzer kommt zu dem Schluss: „So konnte sich in jener Zeit kein normaler Jude beerdigen lassen. Das war ein Königsgrab, ganz ähnlich dem, wie wir es auch von den Königsgräbern aus späterer Zeit in der Salah a-Din-Straße in Jerusalem kennen.“

„Herodes war nicht nur bekannt als Baumeister großer Gebäude, sondern auch für seine Grausamkeit.“ Zum vierten Mal sagt der amerikanische Fernsehjournalist seinen Aufsager bei glühender Hitze in die Kamera und wischt sich den Schweiß von der roten Stirn. Tatsächlich hat Herodes der Große, der von 37 bis 4 vor Christus regiert hat, nicht nur die großartigsten antiken Bauwerke im heiligen Land errichten lassen. Die Reste des Tempelbergs in Jerusalem – am bekanntesten davon ist wohl die Klagemauer -, die Anlagen der Hafenstadt Cäsarea, der samarischen Hauptstadt Sebaste und des Winterpalastes in Jericho, sowie eine ganze Reihe von Festungsanlagen in der judäischen Wüste und im Ostjordanland, von denen wohl Massada am Toten Meer die berühmteste ist, zeugen davon.

Bei seinen Zeitgenossen war der große Herodes aber eher umstritten als beliebt. Das lag einerseits an seiner edomitischen Abstammung und seiner Nähe zu den Römern. Dass er im Jahre 37 vor Christus vom Senat in Rom den Titel „König der Juden“ erhalten hatte, konnte auch der Ausbau des Tempels in Jerusalem zu einem unvergleichlichen Prunkbau in den Augen des jüdischen Volkes nicht wettmachen. Andererseits war der Judenkönig von Roms Gnaden berüchtigt, weil er keine Grausamkeit scheute, um seinen Machtanspruch zu behaupten. Das Neue Testament berichtet den Kindermord von Bethlehem, nachdem sich „Weise aus dem Morgenland“ bei Herodes nach einem „neugeborenen König der Juden“ erkundigt hatten (Matthäus 2).

Im Jahre 29 hatte sich Herodes bereits seiner Frau Mariamne, die dem ihm gefährlichen Geschlecht der Hasmonäer entstammte, und aller ihrer Verwandten, derer er habhaft werden konnte, durch Mord entledigt. 7 vor Christus wurden seine beiden Söhne Alexander und Aristobul, die in Rom aufgewachsen waren, wegen Verschwörung gegen ihren Vater hingerichtet. Wenige Tage vor seinem eigenen Tod ließ er noch seinen Sohn Antipater exekutieren. Wie viele einfache Einwohner seinem sprichwörtlichen Argwohn zum Opfer fielen, kann nur erahnt werden.

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