GAZA (inn) – Der ehemalige palästinensische Minister für Innere Sicherheit, Mohammed Dahlan, hat den israelischen Militäreinsatz im nördlichen Gazastreifen scharf kritisiert. Das Ziel sei es, den Gazastreifen vor dem einseitigen Rückzug zu zerstören, sagte er am Mittwoch.
Die Offensive sei „eine Vergeltungsaktion, die dem israelischen Volk niemals Sicherheit bringen wird“, so Dahlan laut der Tageszeitung „Ha´aretz“. „Und sie wird nie Frieden in die Region bringen.“ Er fügte hinzu: „Die israelische Armeeoperation im nördlichen Gazastreifen ist die Fortsetzung eines Planes, den Israels Premierminister Ariel Scharon vorbereitet – den Gazastreifen zu verlassen, wenn er zerstört ist.“ Nach israelischen Angaben soll der Einsatz den Abschuss von Kassam-Raketen verhindern – vor einer Woche waren bei einem palästinensischen Angriff zwei Kinder ums Leben gekommen.
An dem Trennungsplan an sich habe er nichts auszusetzen: „Wir halten Scharons Plan für einen positiven Schritt, auch wenn er einseitig ist“, sagte Dahlan. „Doch wenn der Plan nur dadurch durchgeführt wird, dass Siedlungen evakuiert werden, aber der Gazastreifen ein großes Gefängnis bleibt, würde das bedeuten, dass wir als das palästinensische Volk und als die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) zu nichts verpflichtet werden und die militanten Gruppen den Wiederaufbau vornehmen.“
Wenn hingegen Israel zuließe, dass „die Palästinenser einen Flugplatz, einen Hafen und eine freie Wirtschaft benutzen und ihr Leben zum Besseren wenden, würde dies den Palästinensern im Westjordanland Hoffnung geben“, meinte Dahlan. „Die Palästinensische Autonomiebehörde würde dadurch den Eindruck erhalten, das Israel ernsthaft vorhat, sich aus dem Gazastreifen zurückzuziehen und den Friedensprozess neu zu beginnen, anstatt ihn zu beenden.“
Die israelische Begründung für den Militäreinsatz akzeptiert der palästinensische Politiker nicht: Er glaube, dass die Kassam-Rakete „keine richtige Rakete ist, aber Israel hat das Bild in der Vorstellung der internationalen Gemeinschaft aufgebläht, und sie hat geglaubt, dass die Palästinenser wirklich eigene Raketen hätten. Wenn wir die israelischen zerstörerischen Raketen und die palästinensischen Raketen vergleichen, würden wir herausfinden, dass die Raketen, welche die Palästinenser benutzen, in den vergangenen vier Jahren vier oder fünf Israelis getötet haben, während die palästinensischen Verluste viel höher sind.“
Dahlan kritisierte jedoch auch die radikal-islamische Hamas. Die Terrorgruppe hat angekündigt, weiter Raketen auf Israel abzufeuern. Die Hamas „bevorzugt immer ihre persönlichen Interessen gegenüber dem nationalen Interesse. Das hat uns in eine solche Lage gebracht“. Viele Palästinenser seien gegen den Abschuss der Kassam-Raketen, fügte er hinzu.
Die PA kontrolliert nach Dahlans Ansicht „nicht die palästinensischen Gruppierungen und Kräfte“. Zudem bekunde sie keine „klare positive oder negative Position zu den Ereignissen“. Er warf ranghohen palästinensischen Vertretern vor, für die jüngste Welle der Unruhe in den Palästinensergebieten verantwortlich zu sein – diese habe sich auf die Forderungen nach Reformen konzentriert.
„Ich glaube, es sollte eine ernsthafte Umordnung der internen palästinensischen Situation geben“, so Dahlan. „Weinen auf den Fernsehbildschirmen wird nie das palästinensische Volk beschützen.“