Vater Alexios betreut die griechisch-orthodoxe Gemeinde in Gaza. 3.000 Mitglieder hat seine Parochie. Zum orthodoxen Weihnachtsfest, das am 7. Januar war, durfte eine ganze Reihe von Christen nach Bethlehem reisen. Einige sind bei Verwandten in Ramallah geblieben und nicht in das Kriegsgebiet zurückgekehrt.
„Es gibt kein Wasser, keinen Strom keine Nahrungsmittel, keine Medikamente“, beschreibt er mit sanfter Stimme die furchtbare Lage. „Die Leute haben Angst.“ Vier Mitglieder der griechisch-orthodoxen Gemeinde in Gaza sind seit Beginn der Operation „Gegossenes Blei“ getötet worden, darunter ein 14-jähriges Mädchen. „Hier ist niemand sicher“, erklärt der griechisch-orthodoxe Geistliche. Er erzählt, dass die israelischen Raketen zwar sehr genau treffen. Die Explosionen sind aber so mächtig, dass auch viel an den umliegenden Häusern zerstört wird – „keine Glasscheibe ist mehr heil“.
„Nur unter Gottes Schutz ist man sicher“, meint Alexios, der seit 43 Jahren als Mönch und Priester im Heiligen Land lebt, seit 18 Jahren in Gaza. Er hat alles miterlebt: Die israelische Besatzung, die Intifada, die palästinensische Autonomieherrschaft, den Hamas-Putsch. Als griechischer Staatsbürger hätte Vater Alexios die Möglichkeit gehabt, das Kampfgebiet zu verlassen. Hat er darüber nachgedacht? Die Frage beantwortet er fast empört: „Ich bin doch der Bischof, der hier mit dieser Gemeinde verheiratet ist! Wie könnte ich jemals meine Frau verlassen?!“Auf die Frage, wen er für die momentane Misere verantwortlich macht, reagiert er ausweichend. „Die Situation ist schuld“, meint er, und: „Es gibt zwei Parteien… Man sollte das Problem durch Diskussionen lösen. Wer schuldig ist? – Das sollen die Leute draußen entscheiden. Gott weiß es. Wir wissen nicht, was im Hintergrund steht. Das ist alles ein großes politisches Spiel…“ Aber dann sieht der Vater seiner Gemeinde doch einen Hoffnungsschimmer: „Der, dessen Geburt wir gestern gefeiert haben, Jesus Christus, er ist der Friedefürst. Nur er kann den Frieden in diese Welt bringen.“
„Israel hat Recht auf Selbstverteidigung“
Pastor Howard Bass leitet die messianisch-jüdische Gemeinde in Be´er Scheva, der „Hauptstadt“ des nördlichen Negev. Mit der Operation „Gegossenes Blei“ wurde die Stadt von der Hamas mit Grad-Raketen „Made in China“ beschossen.
Bass hat eine Tochter in der israelischen Armee und sein ältester Sohn Evan dient in einer Kampfeinheit im Gazastreifen. Aufgrund der strengen Zensurbestimmungen haben die Eltern seit Beginn der Bodenoffensive nichts mehr von ihrem Sohn gehört. „Das ist gut“, meint Howard, „so wissen wir, dass ihm nichts passiert ist.“
„Jedes Land hat das Recht auf Selbstverteidigung“, betont Bass, der aus den Vereinigten Staaten nach Israel eingewandert ist. „Das Recht auf Selbstverteidigung ist ein von Gott gegebenes Recht, eine moralische Pflicht. Ein Staat muss seine Bürger schützen, gegen Kriminelle von innen und gegen Angriffe von außen.“
Jesus-gläubige Juden wie Howard Bass wissen sich dem Neuen Testament verpflichtet und sehen, dass Israel jahrelang, obwohl es kein „christliches Land“ ist, „die andere Wange hingehalten hat“. „Israel antwortet nicht unmittelbar und aus dem Effekt auf Angriffe“, beobachtet Bass, „wenn Israel zurückschlägt, dann hat es sich zuvor lange zurückgehalten, dann ist es eine verzweifelte Notwendigkeit.“
Bass sucht wie andere messianische Juden ganz bewusst das Gespräch und die Begegnung mit gläubigen Christen auf „der anderen Seite“. „Wir sind keine Kriegstreiber, sondern Bürger eines souveränen Staates, der eine Pflicht hat, seine Bürger zu schützen“, betont er. „Wir sind unserem Staat gegenüber verantwortlich, unseren Mitbürgern, aber auch unseren Feinden. Denen sagen wir: ‚Wir sind nicht gegen Euch, weil wir Euch hassen, sondern weil Ihr lernen müsst, damit aufzuhören.'“ Palästinensisch-christlichen Gesprächspartnern wirft er vor, dass sie die Existenz Israels grundsätzlich angreifen, wenn sie immer nur „die Besatzung“ als Grund der gewaltsamen Auseinandersetzung anprangern. „Es ist auch Wahrheit, dass Jesus mich nach Hause zurückgebracht hat“, erklärt er seine Übersiedelung von Amerika nach Israel.
Christlichen Friedensaktivisten, die Israel verklagen, hält er entgegen, dass es möglich ist, in Israel Pazifist zu sein, und dass es in Israel Pazifisten gibt, aber wo sind die Pazifisten in Syrien, Jordanien, bei den Palästinensern und im Gazastreifen?“ Der Vater von zwei israelischen Soldaten fragt: „Welche Last legen wir unseren Leuten auf, wenn wir behaupten, es ist Sünde zu töten, auch im Krieg, selbst wenn sie nicht töten wollen.“
Howard Bass ist der Ansicht, dass es letztlich darum geht, „dass wir alle die Gerechtigkeit Gottes kennen lernen. Wir müssen mit dem Willen Gottes in Einklang kommen. Wenn wir die Situation aus Gottes Sicht sehen, sehnen wir uns vielleicht mehr nach der Wiederkunft Jesu, anstatt die Probleme mit eigenen Mitteln lösen zu wollen.“
„Wir beten für die Menschen in Gaza“
Dina Gelfand stammt ursprünglich aus Russland und ist in Nordisrael aufgewachsen. Sie fühlt einen geistlichen Auftrag an den Menschen in Sderot, der Stadt, die auf Sichtweise zum Gazastreifen liegt und deren Namen praktisch Synonym für den jahrelangen Raketenbeschuss durch die Hamas geworden ist. „Es ist sehr schwer, hier zu leben“, erzählt die junge Frau. „Die Menschen hier fühlen andauernd den Druck, die Angst, den Schock.“ Sie erzählt von den psychischen Folgen, die der dauernde Raketenbeschuss auf die Kinder hat: Teenager werden zu Bettnässern. „Ohne meinen Glauben würde ich es hier nicht aushalten.“
„Nur Gott kann uns in dieser Zeit bewahren!“ Das weiß Dina, die seit einigen Jahren eine kleine messianisch-jüdische Gemeinde in Sderot leitet – und das ist auch ihre Botschaft an ihre Mitmenschen. Dabei weiß sie: „Der Frieden im Herzen ist wichtiger und letztlich auch die Voraussetzung für einen äußeren Frieden.“ Ganz unvermittelt meint sie dann: „Wir beten für die Menschen in Gaza. Wir wollen Verbindung mit gläubigen Menschen in Gaza. Ich habe einen Brief geschrieben – aber bislang keine Antwort bekommen.“
Einige Monate zuvor hatte ich einem leitenden palästinensischen Christen aus Gaza den Wunsch der kleinen Gemeinde in Sderot überbracht, dass sie gerne Kontakt zu Christen aus Gaza hätte. Israelis dürfen nicht in die palästinensischen Autonomiegebiete einreisen. Palästinensische Christen dagegen bekommen nach eingehender Prüfung durch den israelischen Geheimdienst hin und wieder eine Genehmigung, nach Israel zu reisen – besonders zu den Festzeiten oder auch, wenn es eine Notlage erfordert. Die Antwort des palästinensischen Christen steht bis heute aus.
Dina Gelfand ist überzeugt: „Was die Armee tut, ist notwendig! Jahrelang hatten die Menschen in Sderot das Gefühl: Der Staat hat uns vergessen. Niemand interessiert sich für uns. Jetzt endlich, nach acht Jahren, haben die Leute das Gefühl, dass es eine Armee gibt, die etwas tut, die für uns sorgt, die uns beschützt.“ Die messianische Jüdin sagt das ohne jeden Hass. Ihrer Ansicht nach ist „die Hamas ein Problem nicht nur für Israel, sondern auch für die Palästinenser. Irgendjemand muss dort Ordnung schaffen – und wenn nicht Israel, wer dann?!“
Arabischer Pastor: „Hamas ist schuld“
Der Baptistenbischof Naim Chury lebt in Jerusalem, betreut aber auch eine Gemeinde in Bethlehem. Nach Ansicht dieses Palästinensers, der einen jordanischen Pass hat, liegt die Verantwortung für den gegenwärtigen Konflikt einzig bei der Hamas: „Es gibt keine Rechtfertigung für das, was die Hamas tut. Sie müssen ihre Aggression stoppen, mit dem Raketenbeschuss aufhören, damit die Menschen in Frieden zusammenleben können.“
Chury wirft seinen Landsleuten von der Hamas vor, dass sie nicht an ihre eigenen Leute denken: „Die Zivilisten leiden. Wenn Hamas mit dem Raketenbeschuss aufhört, wird Israel die Grenzen aufmachen.“ Davon ist der Baptist überzeugt, der für seine versöhnliche Haltung gegenüber dem jüdischen Staat auch schon auf den Straßen von Bethlehem beschossen wurde.
Bischof Chury ist überzeugt: „Wir leben in der Endzeit. Was passiert, ist kein Witz. Der Herr kommt bald! Darauf sollten sich alle Menschen vorbereiten, Christen, Moslems und Juden. Alle müssen wissen, wer der echte Messias ist, der Herr der Herren und König aller Könige.“