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Bürgermeisterwahl in Jerusalem: Der neue alte erste Schwarze

„Viele haben ein schwarzes Jerusalem erwartet, jetzt ist es weiß!“ Schmunzelnd kommentierte Rabbi Uri Lupoliansky den Wintereinbruch in der letzten Februarwoche, der Jerusalem tagelang durch eine tiefe Schneedecke lahmlegte.

Uri Lupoliansky gehört zu den „Haredim“, den ultra-orthodoxen Aschkenasen, die gemeinhin „die Schwarzen“ genannt werden, nicht etwa wegen ihrer Hautfarbe, sondern aufgrund ihrer schwarzen Kleidung, die sie in den vergangenen Jahrhunderten aus Osteuropa mit nach Israel gebracht haben. Unerschütterlich halten diese strenggläubigen Juden bei Regen und bei Schnee, aber auch in der sommerlichen Hitze des Nahen Ostens an ihrer Uniform fest.

Und Uri Lupoliansky ist der erste ultra-orthodoxe Bürgermeister von Jerusalem, seit es vor 55 Jahren zur Hauptstadt des modernen Staates Israel wurde. Ende Februar übernahm er das Amt von Ehud Olmert, der sich in die Knesset wählen ließ und heute stellvertretender Premierminister und Minister für Handel und Industrie ist.

Jetzt wurde Rabbi Lupoliansky von der Jerusalemer Wählerschaft für fünf Jahre in diesem Amt bestätigt. Mit 52 Prozent der abgegebenen Stimmen schlug der Kandidat der ultra-orthodoxen Partei „Degel HaTora“ seine Konkurrenten, den millionenschweren Geschäftsmann Nir Barakat (43 Prozent) und den Kandidaten des Likud, Yigal Amedi (3,5 Prozent).

Allerdings hatten sich gerade einmal 42 Prozent der 480.353 wahlberechtigten Jerusalemer an die Urnen locken lassen. Die arabischen Einwohner Jerusalems boykottierten die Wahl, was eigentlich schon Tradition ist, seit die Stadt 1967 unter israelischer Herrschaft wiedervereinigt wurde. Kaum drei Prozent der Wahlberechtigten gingen zur Wahl. Im Vorfeld der Wahl hatte die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP) vor einer Beteiligung an der Wahl gewarnt. In diesem Jahr durften zum ersten Mal schon die 17jährigen wählen.

In Jerusalems 31 Mitglieder starken Stadtparlament ist Lupolianskys Vereinigtes Torajudentum mit 24 Prozent die stärkste Fraktion, gefolgt von Nir Barakats unabhängiger Liste „Yerushalayim Tatzliach“ (Jerusalem wird Erfolg haben), die 16 Prozent der Stimmen für sich gewinnen konnte. Die ultra-orthodoxe sephardische Shas-Partei stellt 14 Prozent der Abgeordneten und die Nationalreligiöse Partei 9,5 Prozent. Die links-säkulare Meretz-Partei ist mit 8 Prozent vertreten.

Das weiße Jerusalem im Februar war der erste Härtetest für den 52jährigen Bürgermeister in schwarz. Und er bestand ihn mit Bravour. Unermüdlich lieferte die von Lupoliansky gegründete Organisation „Yad Sarah“ Lebensmittel und Medikamente an Jerusalemer, die nicht in der Lage waren, sich selbst zu versorgen.

1976 hatte er „Yad Sarah“ (Andenken an Sarah) im Gedenken an seine Großmutter, die im Holocaust ums Leben kam, ins Leben gerufen. „Yad Sarah“ verleiht medizinische Ausrüstung und stellt eine Vielzahl von Dienstleistungen den Kranken, Alten und Einsamen zur Verfügung. Die ultra-orthodoxe Organisation beschäftigt heute 6.000 Volontäre in landesweit 96 Zweigstellen und steht Juden, Muslimen, Christen und Drusen gleicherweise zu Diensten. Für seinen Einsatz durch „Yad Sarah“ hat Lupoliansky eine ganze Reihe von Preisen verliehen bekommen, darunter den renommierten Israel-Preis.

Uri Lupoliansky wurde 1951 in Haifa geboren und erhielt seine Ausbildung an der Yavne-Schule in Haifa und an der Talmudschule „Yeshivat HaNegev“. Der Vater von 12 Kindern und Großvater von sechs Enkeln hat seinen Militärdienst in der israelischen Armee absolviert und arbeitete als Lehrer an einer religiösen Schule in Jerusalem, bevor ihn die Arbeit im Rahmen von „Yad Sarah“ vollzeitig in Anspruch nahm.

Erstmals wurde Rabbi Lupoliansky 1989 in den Stadtrat von Jerusalem gewählt. Anfangs hatte er sich geweigert, in die Politik zu gehen. Die ultra-orthodoxen Aschkenasen lehnen den modernen Staat Israel traditionell ab und gelten als antizionistisch. Ihrer Theologie zufolge wird erst der Messias eine legitime jüdische Herrschaft im Land Israel errichten. Doch der geistige Leiter der Degel HaTora-Partei, Rabbi Yosef Shalom Elyashiv, überzeugte Uri Lupoliansky dann doch, Politiker zu werden.

Seitdem war Uri Lupoliansky Vizebürgermeister, Vorsitzender des Planungs- und Baukomitees und verantwortlich für die Familien- und sozialen Dienstleistungen in der Jerusalemer Stadtverwaltung. Außerdem ist er Mitglied des nationalen Bau- und Planungskomitees und des Komitees für die Entwicklung der Heiligen Stätten.

Minuspunkte sammelte Lupoliansky, als er Anfang März das vereinbarte Treffen mit leitenden Rabbinern der jüdischen Reformbewegung absagte. Einen Tag zuvor hatte es der ultra-orthodoxe Bürgermeister gewagt, die Jubliäumsveranstaltung zum 30. Jahrestag der Verlegung des Hauptquartiers der nicht-orthodoxen Reformbewegung von New York nach Jerusalem zu verpassen.

In seiner Antrittsrede versprach Uri Lupoliansky, den delikaten Status quo der Heiligen Stadt zwischen Religiösen und Säkularen aller Schattierungen zu bewahren. Als „Bürgermeister für alle“ wolle er sein Amt ausführen. Jeder Sektor der vielen Bevölkerungsgruppen der Hauptstadt Israels sollten ihren Lebensstil im Sinne ihrer eigenen Werte und Traditionen auch unter seiner Verwaltung verfolgen können, hatte der sympathische Ultra-orthodoxe mit dem schütteren Vollbart schon Ende Februar versprochen. Was den nicht-religiösen Bürgern Jerusalems am wichtigsten ist: Er will Unternehmen, die bislang am Shabbat gearbeitet haben, auch in Zukunft nicht zur Ruhe am Ruhetag zwingen.

Der Aufstieg Rabbi Uri Lupolianskys zum Jerusalemer Bürgermeister ist ein Zeichen für den zunehmenden Einfluß der Ultraorthodoxen in der Heiligen Stadt. Vor allem junge, säkulare Israelis verlassen die Stadt, während nur wenige ihrer Gesinnungsgenossen, zum Beispiel als Studenten an der Hebräischen Universität, zuziehen. Die Bemerkung von Lupolianskys Vizebürgermeister, Yeshayahu Pollak, in einem Interview mit Radio Kol Israel kurz nach Bekanntgabe des Wahlsieges, die Stadt brauche „mehr jüdische Atmosphäre“, trug nicht gerade zur Beruhigung der nicht-orthodoxen Bürger Jerusalems bei.

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