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Buchbesprechung: Undifferenzierter Appell

Christen schweigen zu dem Unrecht, das Palästinensern von Israel angetan wird. Diesen Vorwurf äußert der amerikanische Jude Mark Braverman in seinem Buch "Verhängnisvolle Scham". Dabei kritisiert er eine "ethnische Säuberung" durch die Israelis und spricht sich für Nazivergleiche aus.

Braverman wuchs in den Jahren nach der israelischen Staatsgründung in einem jüdischen Milieu in den USA auf. Eine undifferenzierte Begeisterung für Israel prägte ihn nach eigenen Worten. Erst spät habe er entdeckt, dass es auch Palästinenser gibt, die noch dazu von den Israelis unterdrückt würden. Nun fühlt er sich berufen, diese Erkenntnis weiterzugeben – vor allem an Christen. Und so lautet denn auch der Untertitel seines Buches: "Israels Politik und das Schweigen der Christen".

Worüber sollen nun die Christen nicht länger schweigen? Über die "ethnische Säuberung" etwa, die 1947 bis 1949 an den Palästinensern verübt worden sei und Ziel der israelischen Politik bleibe. Dies zeige sich darin, dass "palästinensisches Land" für die Staatsgründung weggenommen worden sei und bis heute Siedlungen gebaut würden. Der Staat sei derzeit "nur für Juden" konzipiert.

Mehrfach fordert Braverman seine Leser auf, das Unrecht gegenüber den Paläs­tinensern in angemessener Weise beim Namen zu nennen: indem sie es mit den Taten der Nazis vergleichen. So formuliert er ein Zitat des israelischen Psychoanalytikers Zvi Rex über den Umgang mit dem Holocaust um. Aus "Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen" wird bei ihm: "Können wir Juden denn jemals den Palästinensern vergeben, was wir ihnen angetan haben?"

Der amerikanische Jude engagiert sich sehr für die Palästinenser und bringt anschauliche Beispiele für das ihnen widerfahrene Unrecht. Allerdings wirken seine Ausführungen nicht immer historisch belegt. Für die These von der "ethnischen Säuberung" bringt er kein offizielles Dokument aus Regierung oder Knesset. Den vollständigen israelischen Abzug aus dem Gazastreifen, der gegen eine solche Behauptung spricht, erwähnt er nur am Rande. In dem Zusammenhang schreibt er von "Überzeugungen, Verzerrungen und Mythen, die die Wurzel der derzeitigen Katastrophe sind: Gaza sei kein von Israel eingerichtetes ausgehungertes Gefängnis, sondern wir hätten uns 2005 aus Gaza zurückgezogen, um den Palästinensern die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu regieren, aber sie hätten uns dafür nur mit Raketen beschossen". Dass gleichzeitig vier Siedlungen im Norden des Westjordanlandes geräumt wurden, ignoriert der Autor dann völlig.

Nur Araber dürfen mit Vergangenheit argumentieren

Braverman wirft den Israelis ferner eine "Apartheid-Politik" und ein Festhalten an der Vergangenheit, namentlich der Zeit des Holocaust, vor. Gleichzeitig schreibt er zur Flüchtlingsfrage: "Es ist das Recht der achthunderttausend Palästinenser – die vertrieben wurden, um für Israel Platz zu machen -, wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können, eine Heimat, die jetzt im Staat Israel liegt." Im Klartext: Juden dürfen nicht mit den Ereignissen der Jahre 1933 bis 1945 argumentieren, aber Araber sehr wohl mit der "Katastrophe" von 1948/49. Wenn nun wiederum jemand "den von Israel enteigneten und vertriebenen Palästinensern die jüdischen Flüchtlinge aus Hebron, Ramallah, Kairo und Kurdistan" gegenüberstellt, spricht er von einer "falschen Gleichsetzung". Dabei gibt es kaum noch Juden in den arabischen Ländern, während immerhin noch 1,5 Millionen Araber in Israel leben. Diese Art Bevölkerungsaustausch war vor einem halben Jahrhundert weltweit als Lösung für politische Konflikte akzeptiert.

Doch ist nicht der mehrfach wiederholte Aufruf zum ungezwungenen Gebrauch von Nazivergleichen selbst eine "falsche Gleichsetzung"? Immerhin gibt es weder in Israel noch in den Palästinensergebieten Konzentrationslager mit Gaskammern oder Rassegesetze. Wer von seinen Lesern eine differenzierte Wahrnehmung fordert, sollte mit gutem Beispiel vorangehen – das ist dem Autor hier nicht gelungen.

Mark Braverman, Verhängnisvolle Scham. Israels Politik und das Schweigen der Christen, Gütersloher Verlagshaus, 336 S., EUR 29,99, ISBN: 978-3-579-06684-4

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