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Britische Diplomaten kritisieren Blairs Nahost-Politik

LONDON (inn) – Ein Gruppe von 52 ehemaligen Diplomaten hat den britischen Premierminister Tony Blair scharf kritisiert. In einem Brief forderten sie ihn auf, seine Nahost-Politik radikal zu ändern.

Kritik üben die Unterzeichner daran, dass Blair offenbar die „Roadmap“ nicht mehr als verbindlich ansehe. Stattdessen habe er womöglich der neuen Position von US-Präsident George W. Bush zugestimmt, der den einseitigen Trennungsplan von Israels Premier Ariel Scharon befürwortet. Die ehemaligen Diplomaten monieren zudem Blairs Vorgehen im Irak.

Der Brief im Wortlaut

„Sehr geehrter Premierminister,
wir, die Unterzeichneten, ehemalige britische Botschafter, Hochkommissare, Gouverneure und hochrangige internationale Vertreter, darunter mehrere, die langjährige Erfahrung im Nahen Osten haben und andere, deren Erfahrung an einem anderen Ort liegt, haben mit zunehmender Sorge die Politik beobachtet, die Sie bezüglich des arabisch-israelischen Problems und des Irak verfolgt haben, in enger Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten. Nach der Pressekonferenz in Washington, bei der Sie und Präsident Bush diese Politik erneut vorgestellt haben, haben wir das Gefühl, dass es an der Zeit ist, unsere Befürchtungen öffentlich zu machen, in der Hoffnung, dass sie im Parlament vorgetragen werden und zu einem grundlegenden Umdenken führen.

Die Entscheidung der USA, der EU, Russlands und der UN, eine „Roadmap“ für die Beilegung des Israel-Palästina-Konfliktes auf den Markt zu bringen, erweckte die Hoffnung, dass die Haupttriebkräfte zumindest eine entschiedene und kollektive Anstrengung unternehmen würden, ein Problem zu lösen, das mehr als irgendein anderes jahrzehntelang die Beziehungen zwischen dem Westen und der islamischen und arabischen Welt vergiftet hat. Die legalen und politischen Prinzipien, auf die solch eine Beilegung gegründet werden sollte, waren wohlbekannt: Präsident Clinton hatte sich mit dem Problem während seiner Amtszeit auseinander gesetzt; die Zutaten, die für eine Beilegung nötig waren, waren wohlverstanden und informelle Übereinkünfte waren bereits für mehrere von ihnen erreicht worden. Aber die Hoffnungen waren unbegründet. Nichts Effektives ist getan worden, um die Verhandlungen voranzubringen oder die Gewalt einzudämpfen. Großbritannien und die anderen Sponsoren der „Roadmap“ haben nur auf amerikanische Führung gewartet, aber sie warteten vergeblich.

Es kam noch schlimmer. Nach all diesen verschwendeten Monaten ist die Internationale Gemeinschaft jetzt durch Ariel Scharon und Präsident Bush mit der Ankündigung einer neuen Politik konfrontiert worden, die einseitig und illegal ist und noch mehr israelisches und palästinensisches Blut kosten wird. Unsere Bestürzung über diesen Rückschritt wird dadurch erhöht, dass Sie selbst ihn gebilligt zu haben scheinen, wodurch Sie die Prinzipien aufgeben, die fast vier Jahrzehnte lang internationale Bemühungen leiteten, den Frieden im Heiligen Land wiederherzustellen und die die Grundlage für Fortschritte waren, die jene Bemühungen hervorgebracht haben.

Diese Aufgabe des Prinzips kommt in einer Zeit, in der wir, zu Recht oder zu Unrecht, durch die arabische und muslimische Welt als Partner in einer illegalen und brutalen Besatzung des Iraks dargestellt werden.

Die Kriegsführung im Irak hat klargemacht, dass es keinen effektiven Plan für die Phase nach Saddam gab. Alle, die Erfahrung in der Region hatten, sagten voraus, dass die Besatzung des Irak durch die Koalitionstruppen auf ernsthaften und hartnäckigen Widerstand stoßen würden, was sich inzwischen bewahrheitet hat. Den Widerstand als von Terroristen, Fanatikern und Ausländern geführt zu beschreiben, ist weder überzeugend noch hilfreich. Politik muss Natur und Geschichte des Irak, des komplexesten Landes in der Region, mit einberechnen. Zwar mögen sich viele Iraker nach einer demokratischen Gesellschaft sehnen, der Glaube, dass diese jetzt durch die Koalition geschaffen werden könnte, ist jedoch naiv. Dies ist die Ansicht so gut wie aller Spezialisten für die Region, sowohl in Großbritannien, als auch in Amerika. Wir sind froh, zu erfahren, dass Sie und der Präsident die Vorschläge begrüßt haben, die (der UN-Gesandte für den Irak) Lachdar Brahimi skizziert hat. Wir müssen bereit sein, die Unterstützung zu beschaffen, die er anfordert und den Vereinten Nationen die Vollmacht zu geben, mit den Irakern selbst zu arbeiten, auch mit denen, die sich jetzt aktiv der Besatzung widersetzen – nur so kann das Durcheinander beseitigt werden.

Die Militäraktionen der Koalitionstruppen müssen von politischen Zielen und den Bedürfnissen des irakischen Schauplatzes selbst geleitet werden, nicht von Kriterien, die abseits davon liegen. Es reicht nicht aus, zu sagen, dass die Anwendung von Gewalt eine Angelegenheit der örtlichen Kommandeure sei. Schwere Waffen, die ungeeignet sind für die vorliegende Aufgabe, aufrührerische Sprache, die gegenwärtigen Konfrontationen in Nadschaf und Falludscha, all dies hat die Opposition eher aufgebaut als isoliert. Die Iraker, die durch die Koalitionstruppen getötet wurden, zählen wahrscheinlich zwischen 10.000 und 15.000 (es ist eine Schande, dass die Koalitionstruppen selbst offenbar keine Schätzung gemacht haben), und die Zahl derjenigen, die im vergangenen Monat allein in Falludscha getötet wurden, beträgt offenbar mehrer Hundert, darunter viele Zivilisten, Frauen und Kinder. Sätze wie „Wir betrauern jedes verlorene Leben. Wir ziehen den Hut vor ihnen und ihren Familien wegen ihres Mutes und ihres Opfers“, die sich offensichtlich auf diejenigen beziehen, die auf Seiten der Koalition gestorben sind, sind nicht geeignet, das Leiden zu lindern, das dieses Töten verursacht hat.

Wir teilen unsere Ansicht, dass die britische Regierung ein Interesse daran hat, in beiden genannten Angelegenheiten möglichst eng mit den USA zusammenzuarbeiten und wirklichen Einfluss als treuer Bundesgenosse zur Geltung zu bringen. Wir glauben, dass solch ein Einfluss jetzt äußerst dringend benötigt wird. Wenn das inakzeptabel oder nicht willkommen ist, gibt es keinen Anlass, eine Politik zu unterstützen, die zum Scheitern verurteilt ist.

Hochachtungsvoll“

Übersetzung aus dem Englischen: Elisabeth Hausen

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