Die zahlreichen Bushaltestellen nahe der Haupteinfahrt nach Jerusalem ziehen zu jeder Tageszeit sehr viele Menschen an. Die Rettungsmannschaften riefen die höchste Alarmstufe aus und sprachen von einem "Ereignis mit vielen Opfern". Über 50 Menschen wurden verletzt, von ihnen erlitten einige einen Schock. Eine 60-Jährige starb wenige Stunden nach dem Attentat. Der Polizeichef sprach von zwei Schwerverletzten.
Nach Angaben der Polizei handelte es sich offenbar nicht um einen Selbstmordattentäter, sondern um eine Tasche mit Bombe und Zeitzünder, die Terroristen nahe den Bushaltestellen abgestellt hatten. Die Bombe enthielt kleine Kugeln aus Kugellagern, um ihre tödliche Wirkung zu erhöhen. Die Polizei hatte keinerlei Vorwarnung zu dem Anschlag.
Seit mehreren Jahren hat es keinen vergleichbaren Terroranschlag mehr in Jerusalem gegeben. Vor drei Wochen verlor ein Müllarbeiter eine Hand, als eine Plastiktasche mit einer Bombe auf einer Verkehrsinsel explodierte.
Attentäter möglicherweise aus Hebron
Ein Militärreporter vermutet, dass die Bombenleger möglicherweise aus Hebron gekommen sein könnten, denn nur noch dort verfügen palästinensische Extremistengruppen über eine entsprechende Infrastruktur für Terroranschläge. Gleichwohl herrscht trotz der relativen Ruhe eine hohe Aufmerksamkeit bei den Bürgern der Stadt. Jede liegen gelassene Tasche wird der Polizei gemeldet und mehrmals täglich müssen die Feuerwerker ausrücken, um die "suspekten Objekte" mit einem Roboter zu neutralisieren.
Am Mittwochmorgen schlugen zwei Grad-Raketen aus dem Gazastreifen in der israelischen Großstadt Be´er Scheva ein. Ein Mann wurde durch einen Splitter verletzt. Wenig später griff die israelische Artillerie Ziele im Gazastreifen an. Angeblich wurde eine Gruppe von Palästinensern getroffen, die sich gerade anschickten, eine weitere Grad-Rakete auf Be´er Scheva abzuschießen. Am Dienstag wurden neun Palästinenser im Gazastreifen durch israelischen Beschuss getötet, darunter Kämpfer, die eine Rakete abschießen wollten und Kinder, die in der Nähe Fußball spielten. Ein acht Jahre alter verletzter Junge wurde am Mittwoch zur ärztlichen Behandlung nach Israel gebracht. Angeblich seien mehrere Familienangehörige dieses Jungen getötet worden.
Am Mittag hatte Premierminister Benjamin Netanjahu eine Sicherheitsberatung einberufen und erklärt, dass Israel den täglichen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen nicht dulden werde. Ehemalige Generale, die den Gazastreifen gut kennen, darunter Jom-Tov Samija, forderten die Regierung auf, die israelischen Bürger zu schützen und im Gazastreifen "für Ordnung zu sorgen". Mehrere Sprecher forderten gar eine erneute Operation "Gegossenes Blei", also einen Gazakrieg. Nur diesmal sollte die Hamasregierung gestürzt werden, weil sie die Verantwortung für den Raketenbeschuss trage, auch wenn andere Organisationen wie der Islamische Dschihad den Beschuss durchführen.
Netanjahu wollte am Nachmittag nach Moskau fliegen, um bei Gesprächen mit Wladimir Putin und Dimitri Medwedew die Russen aufzufordern, keine modernen Raketen nach Syrien zu liefern. Diese Raketen, so Netanjahu, könnten in die Hände der Hisbollah-Miliz im Libanon und sogar der Hamas im Gazastreifen fallen. Die am Morgen auf Be´er Scheva abgeschossenen Grad-Raketen wurden von Iran über Ägypten in den Gazastreifen geschmuggelt.
Netanjahu saß schon im Flugzeug auf dem Weg nach Moskau, als die Bombe in Jerusalem explodierte. Um dem Regierungschef Beratungen zu ermöglichen, wurde der Abflug zunächst um vier Stunden verschoben. Später verschob er seinen Flug erneut um mehrere Stunden, um sich mit Verteidigungsminister Ehud Barak über die Lage rund um den Gazastreifen zu beraten.
Jerusalem-Marathon findet statt
Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat rief die Jerusalemer und "alle Israelis" auf, umgehend wieder zur Normalität zurückzukehren, um den Terroristen zu zeigen, dass die Israelis sich nicht durch den Terror abschrecken oder einschüchtern ließen. Der für Freitag geplante internationale Marathonlauf durch Jerusalem wird auf jeden Fall stattfinden, sagten die Polizei und der Bürgermeister. Palästinenser hatten den Marathon in Boykottaufrufen für "völkerrechtswidrig" erklärt, weil er auch durch Ostjerusalem führen werde.
Der palästinensische Regierungschef im Westjordanland, Salam Fajjad, verurteilte den Anschlag in Jerusalem "sehr scharf" und wünschte den Opfern eine schnelle Genesung. Ein Hamassprecher erklärte das Attentat hingegen zu einer "verständlichen Reaktion auf die Verbrechen Israels im Gazastreifen". Bisher hat niemand die Verantwortung für den Anschlag übernommen.