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„Bis zum jüngsten Tag – Trump, die Evangelikalen und Israel“

Auch im neusten Film über freikirchliche Christen, an dem der NDR mitwirkte, kommen die Gläubigen nicht gut weg. Die israelische Regisseurin spielt subtil mit den Ängsten der jüdischen Zuschauer. Eine Filmkritik von Timo König
Evangelikale treiben ihre Israelliebe auf die Spitze: Kreuz und Davidstern vereint

Pünktlich zur US-Präsidentschaftswahl erscheint eine Dokumentation, die den Einfluss sogenannter evangelikaler Christen auf die amerikanische Israelpolitik beleuchten will: „Bis zum jüngsten Tag“ von der israelischen Regisseurin Maya Zinshtein. An der Produktion des Films beteiligten sich der israelische Fernsehsender „Kan“ und der „Norddeutsche Rundfunk“ (NDR). „Kan“ strahlte das Werk am Mittwoch in Israel aus. In Deutschland ist es seit einigen Tagen in der ARD-Mediathek abrufbar.

Bei der Wahl der Interview-Partner hat Zinshtein, die bereits einen Emmy gewann, ganze Arbeit geleistet. Zu Beginn nimmt sie den Zuschauer mit in einen 10.000-Seelen-Ort in Kentucky. Am Ortseingang von Middlesborough prangt in großen Lettern der Aufruf: „Bereite dich darauf vor, Gott zu begegnen“ sowie die Botschaft „Jesus kommt bald wieder“.

„Bereite dich darauf vor, Gott zu begegnen“ Foto: NDR/Met Film Sales/Abraham (Abie) Troen
„Bereite dich darauf vor, Gott zu begegnen“

In einem nahegelegenen Wald betreibt der junge Pastor Boyd Bingham IV mit seinem halbautomatischen Gewehr Schießübungen. Nebenbei erzählt er, dass „wir“ – das heißt evangelikale Christen – Donald Trump ins Amt gehoben hätten: „Er setzt unsere Agenda um“. Bingham erfüllt das Klischee des religiösen Südstaaten-Waffennarrs und Trump-Fans mit Bravour.

In der christlichen Schule des Ortes trichtert der Pastor den Kindern ein: „Die Juden sind besser als wir. Das müsst ihr einfach akzeptieren.“ Im Interview von Zinshtein erklärt er hinterher: „Wir indoktrinieren die Kinder.“ Auch, wenn das ein schwieriges Wort sei. Aber so habe er als Kind selbst gelernt, Israel zu unterstützen.

Juden nutzen Christen aus

Auf der anderen Seite ist da die Jüdin Jael Eckstein: Sie sammelt als Leiterin der „Internationalen Kameradschaft von Christen und Juden“ Spenden von Christen für Israel. Eines Tages besucht sie die Kirche der Binghams – diese überreichen ihr einen Scheck über 25.000 Dollar. Viel Geld, wenn man bedenkt, dass die Armutsquote in dem Ort 38,7 Prozent beträgt und 49 Prozent der Kinder unter Armutsgrenze leben.

Eckstein sagt den Gemeindegliedern in ihrer Dankesrede: „Das Schicksal dieser Kirche ist untrennbar mit dem Schicksal Israels verwoben.“ Pastor Bingham Junior glaubt fest daran, dass Gott seine Kirche für die Unterstützung Israels segnen werde: „Die Bibel sagt, wer Israel segnet, wird gesegnet und wer Israel verflucht, wird verflucht.“

Die Botschaft dieser Szenen: Bildungsferne Hinterwäldler klammern sich an die Segensversprechen religiöser Quacksalber. Der Glaube, dass bald ein König aus dem Himmel herabsteigt und von Israel aus den Weltfrieden einläutet, gibt ihnen Hoffnung. Einige Juden wissen dies schamlos zu nutzen und ziehen den Arglosen den letzten Penny aus der Tasche. Der Film braucht keine Erzählstimme: Die verbreiteten Vorurteile gegenüber Evangelikalen formen im Kopf des Zuschauers zusammen mit geschickt gewählten Blickwinkeln und Zitaten das gewünschte Bild.

Christen nutzen Juden aus

Dabei konzentriert sich Zinshtein nicht nur auf das evangelikale „Fußvolk“. Auch ein Mitglied aus dem evangelikalen Beratergremium von Präsident Donald Trump kommt zu Wort. Johnnie Moore sagt in die Kamera: Kurz nach Amtsantritt sei die Trump-Regierung auf christliche Gruppen zugekommen und habe um die Einsetzung des Gremiums gebeten.

„Von jetzt auf gleich konnten ich und zwei Dutzend weitere Christen uns direkt ans Weiße Haus wenden“, sagt Moore. Sie hätten zunächst zwei Forderungen gehabt: Strengere Abtreibungsgesetze und die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem. Trump habe ihre Wünsche erfüllt. Auch den „Deal des Jahrhunderts“ hätten die Evangelikalen mit ausgearbeitet. Moore erinnert zudem daran, dass die USA mit Mike Pence einen evangelikalen Vizepräsidenten und mit Mike Pompeo einen evangelikalen Außenminister hätten.

Doch der Film will klarmachen: Die führen dabei nichts Gutes im Schilde. Immer wieder werden Ausschnitte aus Predigten gezeigt, die von der großen „Schlacht von Armageddon“ sprechen. Pastor William Bingham droht vor laufender Kamera vor der „Großen Drangsal“: Nach der Entrückung der Christen würden schwere Zeiten für Israel anbrechen. Am Ende würden sich „alle Nationen zum Krieg gegen Israel“ versammeln. Ein Jude kommentiert in dem Film, Christen glaubten, dass in der Apokalypse zwei Drittel aller Juden umkämen und der verbleibende Rest zum Christentum konvertieren müsse.

Düstere Visionen

Die Partnerschaft zwischen evangelikalen Christen und Israel sei auf beiden Seiten unehrlich – so könnte man es dem Film entnehmen. Rechtsgerichtete Israelis wie Premier Benjamin Netanjahu und Siedlerführer wie Jossi Dagan nutzen die Christen als nützliche Idioten: Sie reden mit ihnen ein bisschen über die Bibel, tragen am besten einen Vers auf Hebräisch vor, und schon geben ihnen US-Senatoren und -Minister alles, was sie wollen.

Die Christen wiederum benutzten Israel, um die Apokalypse in Gang zu setzen: Damit Jesus aus dem Himmel steigt, müssen die Juden in ihr biblisches Land zurückkehren, also auch nach Judäa und Samaria. Doch in Wirklichkeit sei das antisemitisch, weil die Christen glauben würden, dass die Juden in einem apokalyptischen Krieg vernichtet oder zwangskonvertiert werden. Die Christen wünschten sich geradezu den totalen Krieg zwischen Israel und seinen Nachbarn.

Ein Zerrbild

Sicherlich stimmt es, dass viele Evangelikale Israel unterstützen, um die endzeitlichen Entwicklungen zu beschleunigen. Weil sie glauben, dass am Ende all dessen Jesus wiederkommen und Frieden herstellen wird. Ja, viel zu oft wäre dabei mehr Reflexion und weniger Fanatismus wünschenswert.

Doch es so darzustellen, als warteten „die Evangelikalen“ auf die Endzeit, damit die Juden in der Drangsalszeit abgeschlachtet werden, spielt sehr perfide mit den Ängsten der jüdischen Zuschauerschaft. Dass zwei Drittel der Bewohner Israels umkommen würden, steht im Buch Sacharja, also in der Hebräischen Bibel. Und der christliche Teil der Heiligen Schrift spricht nirgends von „Zwangskonvertierung“. Der Apostel Paulus schreibt lediglich, dass am Ende „ganz Israel gerettet“ werde – das klingt nicht sehr bedrohlich.

Das alles lässt zudem außer Acht, dass die Solidarität vieler Christen zu Israel auch eine moralische ist. Seit seiner Geburt sieht sich der jüdische Staat Vernichtungsdrohungen ausgesetzt. Die Vereinten Nationen verurteilen kein anderes Land so oft und einseitig wie Israel. Dabei ist es die einzige Demokratie im Nahen Osten. Juden wie Araber genießen gleichsam Rechte und Freiheiten, von denen die Bürger umliegender Länder nur träumen können.

Und ja, die Rückkehr eines Volks aus 2.000 Jahren Exil in sein Heimatland ist einzigartig in der Geschichte. Die Propheten in der Bibel haben es dennoch vorausgesagt. Klingt das nicht irgendwie schon verdächtig nach einem Wunder?

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