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Biographie über Ariel Scharon: Hinter dem nächsten Hügel

Vom Vater hatte er gelernt: „Land gibt man nicht ab.“ Mit dieser Überzeugung zog Ariel Scharon in den Kampf gegen die Araber und schlug sie an allen Fronten. Doch dann kam die Wende, spät, erst am Ende seiner Amtszeit, kurz vor seinem Schlaganfall und anschließenden Koma, in dem er seit Januar 2006 die letzten Tage seines Lebens verbringt: Scharon, der große Feldherr, der Kämpfer, der von Kritikern als „Bulldozer“ Beschimpfte, wendet sich der „Land für Frieden“-Politik der Linken zu, die er doch jahrzehntelang verachtet hat.

Es sind diese radikalen Wendungen, die die Autoren Gadi Blum und Nir Hefez in ihrem 550 Seiten umfassenden Buch „Ariel Scharon. Die Biographie“ (Hoffmann und Campe) zu erklären versuchen. Sie tun gut daran, denn in den Köpfen der Beobachter, der politischen Gegner und selbst Weggefährten Ariel Scharons ist doch diese Frage so präsent wie an dem Tag, an dem der frühere Premierminister Israels die Räumung aller Siedlungen im Gazastreifen und in Teilen der Autonomiegebiete verkündet hat. Es war am 18. Dezember 2003, als Scharon im Dan-Acadia-Hotel in Herzlija vor die Zuhörer trat und begann, von dem Frieden zu reden, nach dem er sich „wie alle israelischen Bürger“ sehne. Er lobte die Roadmap als „klaren, vernünftigen Plan“ mit einem guten Konzept, wonach „nur Sicherheit zum Frieden führen wird“. Und dann, so beschreiben Blum und Hefez die mit Spannung aufgenommene Rede, nannte der Premiermister erstmals das Wort: „Abkopplung“. „Wenn die Palästinenser in wenigen Monaten noch immer nicht ihren Anteil an der Implementierung der Roadmap erfüllt haben, dann wird Israel einseitige Sicherheitsschritte einer Abkopplung von den Palästinensern einleiten“, verkündete Scharon. Im Anschluss führte er aus, was er sich genau von der Räumung der Siedlungen erhofft: „Maximale Sicherheit für Israel“ und die Reduzierung der Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern „auf ein Minimum“.

Leben und Charakter

Was dann kommt, wissen wir: Zahlreiche Mitglieder von Scharons Likud sind entsetzt, die Siedler protestieren, die israelische Bevölkerung spaltet sich. Im Sommer 2005 konkurrieren im Land zwei Farben, auf Kleidungsstücken, Plakatwänden und Aufklebern: Orange für die Gegner des Abzugs und Blau für die Befürworter von Scharons Plänen. Journalisten, Professoren, Politiker in aller Welt, Soldaten und viele andere zerbrechen sich die Köpfe über die Frage, wie es zu diesem Entschluss kommen konnte. Likud-Politiker verweigern Scharon ihre Unterstützung, der Premier gründet eine neue Partei, die Kadima.

Die Autoren Blum und Hefez, beide Redakteure bei „Yedioth Tikshoret“, einem Verbund von Wochenmagazinen – Hefez ist zudem leitender Redakteur der Tageszeitung „Yedioth Ahronot“ – versuchen nun, die Antwort in der Lebensgeschichte Scharons, in seinen Erfahrungen als Armeeangehöriger und Politiker und insbesondere seinen Charaktereigenschaften zu finden. Es ist eine spannende und informative Suche, auf die die Autoren den Leser mitnehmen, sie geht natürlich quer durch die Geschichte des neuen Staates Israel, mit der auch Scharons Lebensgeschichte eng verbunden ist. Ohne zu viel vorwegzunehmen sei hier nur angedeutet, was die Autoren als „Scharon-Code“ entdeckt zu haben meinen: Schon als Kind habe er etwa „eine fast unnatürliche Immunität gegen Angst“ entwickelt. „Soldaten und Offiziere, die mit ihm in der Schlacht standen, bezeugen übereinstimmend, dass das feindliche Feuer Scharon nicht beeindruckte. Er ging aufrecht und unerschütterlich, mit einer Ruhe, die sich auf seine Männer übertrug.“ Ein zweiter Aspekt des „Scharon-Codes“ sei dessen Hartnäckigkeit. „Wie schlimm eine Lage auch war, er hisste nie die weiße Flagge“, so Blum und Hefez. Und, vielleicht der wesentliche Teil der Antwort auf die Frage nach dem „Rätsel Arik“: Seine Bereitschaft, außerhalb vorgeschriebener Bahnen zu denken und zu handeln, „soweit es ihm mit seinem Gewissen vereinbar erschien“.

Die Biographie über Ariel Scharon ist kein glorifizierendes Werk für einen umstrittenen Politiker. Die Autoren sprechen viele Kontroversen um Scharon offen an und lassen seine Gegner ausführlich zu Wort kommen. Sie wollen Scharons Entscheidungen auch nicht verteidigen, sondern lediglich versuchen, zu erklären. Auch mit Beschreibungen seiner Kindheit in Kfar Malal. Von dort aus habe er immer wieder über die feindlichen Dörfer in der Umgebung geblickt und einen Satz seines Vaters nie vergessen: „Schau immer, was hinter dem nächsten Hügel liegt.“ In all den Jahren seiner Laufbahn habe Scharon diesen Rat Hunderte von Malen weitergegeben. Und für ihn selbst war es kein Problem, diesen Rat mit dem anderen Satz seines Vaters in Einklang zu bringen: „Land gibt man nicht ab“. Zwei Sätze und ein Rätsel: Ariel Scharon.

Gadi Blum/Nir Hefez: „Ariel Scharon. Die Biografie“, Verlag Hoffmann und Campe (Hamburg) 2006, 592 S., 25,- Euro.

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